City:
Klar, mit der Zeit gehende Menschen treiben sich in ihrer Freizeit auf Pornoseiten herum oder bestellen Zahnstocher bei Amazon. Allerdings gibt es sie immer noch, die rückwärtsgewandten Fußgänger, die sich gerne in speziellen Zonen aufhalten, die exklusiv für ihre marschierenden Käsemauken ausgeschildert sind.
Selbst für derartige Leute wird in Werl gesorgt. Trotz immer weiter sinkender Sinnhaftigkeit kann der Traditionalist durch die kopfsteingepflasterte Flaniermeile wandern und sich die weltweit größte Sammlung von „Zu Vermieten“-Schildern zu Gemüte führen. Einige nach Plastik duftende Unternehmen betreiben gar Einkaufsparadiese, die mit kostengünstigen Preisen locken. Ein bröckliger Filterkaffee, ne Portion Fritten und ein paar schreiend hässliche Klamotten gibt es auch noch zu kaufen. Zahlreiche Apotheken verticken Pillen, Tabletten und müffelnde Salben, in Bäckereien kann man handwerklich aufgebackene Industriebrötchen erstehen und Finanzinstitute beherbergen gut gekleidete Experten, die eine Spielo aber nur bedingt empfehlen (Laien…). Also, warum immer Luxus, Gemütlichkeit und Qualität, wenn man doch einfach durch die verwaiste Innenstadt ziehen kann?
Spaß beiseite, für die Befriedigung der alltäglichen Bedürfnisse (Saufen, Fressen, Leute anpöbeln) langt die Werler Fußgängerzone allemal. Bei der Gelegenheit kann man auch in die Bankfiliale des Misstrauens gehen und sich vom Automaten die monetären Grenzen persönlicher Konsumträume aufzeigen lassen.
Café:
Menschen mit Geld und reduziertem Koffeinhaushalt verbringen ihre Zeit gerne in sogenannten Cafés. Dort kann man sich überteuerten Kaffee mit staubtrockenen Keksen kredenzen lassen. Derweil klappt man seinen klebrigen Laptop auf und tut so, als ob man am neuen Drehbuch für die Verfilmung der eigenen Memoiren arbeiten würde, während man Minesweeper spielt und die Kleinanzeigen nach einer Sammlung von Pfanddosen durchsucht.
In den Kaffeestuben kann man in der Regel auch ein nährstoffarmes Frühstück bestellen und es sich dementsprechend „gutgehen“ lassen.
Werl bietet den Tassenfetischisten einige Anlaufstellen, die an die jeweilige Zielgruppe angepasst sind. Menschen, die sich gerne über ihre Krankenakte austauschen oder in alten Zeiten schwelgen, können altehrwürdigen Filterkaffee im angestaubten Ambiente schlürfen. Ein integrativer Betrieb gibt mit Kindern ausgestatteten Leuten die Möglichkeit, die Blagen in der Spielecke toben zu lassen, während man fair gehandelten Tee nippt. Am Marktplatz trifft sich die High Society und alterniert zwischen Käffchen und Bierchen. Wer sich nicht so recht entscheiden möchte, spaziert in eine Bäckerei, wo es auch immer was zu trinken gibt.
Caritas:
Der christliche Schuppen bzw. die gemeinnützige Organisation ist auch in Werl allgegenwärtig. Von der Sozialstation an der Unnaer Straße rasen mobile Pflegekräfte mit ihren roten Rostlauben zu ihren Einsatzorten in den Wohnungen, die nach alten Menschen riechen. Sie helfen bei alltäglichen Verrichtungen oder versorgen ihre Klienten (oder nennt man die Patienten? Egal…) mit fachmännischen Handgriffen.
Das Sozialkaufhaus wird ebenso von der Caritas betrieben. Wie jeder weiß, ist Reichtum nicht alles und in Werl ein eher selten gesehener Gast. Arbeitslosigkeit, Schulden, Transferleistungen werden teils als einziges von Generation zu Generation vererbt. Im Kaufhaus gibt es alles von Besteck über Möbel und Kleidung bis hin zu Spielwaren und Elektrogeräten. Die Waren bestehen aus Spenden und ich habe mir da auch schonmal ne Schreibmaschine gegönnt :D Außerdem gibt es dort auch einen erschwinglichen Kaffee und Mitarbeiter*innen, die immer ein offenes Ohr haben. Bevor ihr alte Spiele, Konsolen oder sonstige brauchbare Brocken zur allseits beliebten Müllkippe bringt, schaut mal lieber, ob das Kaufhaus Verwendung dafür hat.
Clubs:
Werl muss sich nicht vor den Provinznestern Berlin oder München verstecken. Im Gegenteil. Klasse statt Masse ist das Motto der Partyszene. Sicherlich gab es früher mehr Anlaufstellen für zappelige Suffköppe. Das Galaxy wird der greis gewordenen Generation ein ehrfurchteinflößender Begriff sein. Das gilt ebenso für das Bierdorf, das aber auch schon vor Ewigkeiten die Zapfhähne stillgelegt hat. In der Nähe der Hammer Straße gab es noch das Präsenta, wo nicht nur aus dem Ruder laufende Hochzeiten stattfanden, sondern auch reguläre Festivitäten umgesetzt wurden.
Heutzutage trifft man sich beispielsweise gerne im Eventzentrum des Bahnhofs, wo Mottofeten an die Theke locken. Auch in der Stadthalle gibt es gelegentlich Angebote für tanzwillige Kötten. Abschließend sei noch das Kraftwerk zu erwähnen, welches in Richtung Wickede am Stadtwald zu finden ist. Dort bretzeln sich die Besucher kräftig raus, sprühen sich mit Billigparfum ein und gehen auf die Jagd.
Clubhouse:
Facebook, das als Tittenbewertungsportal konzipierte Netzwerk hat sich vom ursprünglichen Gedanken entfernt und dabei zunehmend an Niveau verloren. Das StudiVZ für ewig Gestrige ist geprägt von allerlei Ausprägungen menschlicher Abscheulichkeit. Kommentarspalten, die selbst für den Sondermüll eine Nummer zu heiß sind und Desinformation so weit das eckige Äuglein reicht.
Dennoch gibt es auch schummriges Licht im düsteren Tunnel des Netzes. So hat sich die Clubhouse Werl Gruppe (in Anlehnung an diese App, die 2 Tage im Trend lag) als Ausnahme zur beschämenden Regel etabliert. Hier diskutieren Werler und Werlaffine über alle möglichen Themen, geben gegenseitig Impulse und das digitale Gesabbel wird dabei deutlich verantwortungsbewusster und konsequenter moderiert, als es beim Anzeiger jemals der Fall war.
Sicher, der Teutone an sich ist neuen Entwicklungen gegenüber grundsätzlich kritisch eingestellt, weshalb die umtriebigen Mitglieder auch mit Argusaugen beobachtet wurden. Dennoch hat sich (bisher) gezeigt, dass viele Mitglieder der Gruppe nicht nur dummes Zeug labern, sondern ihre Freizeit auch abseits von Facebook für das Wohl der Gemeinschaft einsetzen.
Werler Kötte findet das Projekt auf jeden Fall gut, unterstützungswert und empfiehlt den Faxliebhabern aus den öffentlichen Kämmerlein, in einen intensiven Dialog zu gehen, denn hier sind aktive Leute am Werk, mit denen man Bewegung in die Stadtentwicklung bringen könnte. Ansonsten eignet sich Facebook im Übrigen gut dazu, sich mit spärlich bekleideten Frauen zu befreunden, die zwar nicht wirklich existieren, aber wen interessiert das schon?
Cinema:
Immer diese Scheiß Anglizismen… Bei K gibt es allerdings so viele Einträge, dass eine gleichgewichtswahrende Umschichtung notwendig erschien. Genug der Vorrede, wir haben schließlich keine Zeit.
Cineasten, Filmliebhaber und Popcornjunkies besuchen gerne Kinos. Dort kann man für teuer Geld bewegte Bilder sehen, die es wenig später auf netflix und Co. zu bestaunen gibt. In Werl gab es auch mal Kinos in der Fußgängerzone. Als kleines Köttenkind musste ich damals mitansehen, wie Simbas Papa in den Tod stürzte. Dieses Trauma habe ich bis heute nicht überwunden, was wohl für viele Mitglieder meiner Generation gelten mag.
Im Stadtwald, wo die Kanadier stationiert waren, befand sich ebenfalls ein Kino, das sogenannte Globe Theatre (Kenner erkennen die bekannte Anspielung auf Shakespeare). Das zerfallene Gebäude war ein beliebter Anlaufpunkt für Anhänger der „lost places“-Szene, die in Zukunft wohl die Fußgängerzone stürmen werden… 😉
Wie immer sehr gut geschrieben!!