Der Container mit Sondermüll wurde kürzlich abtransportiert, die Entrümpler wurden aus körperlichen, wie psychischen Gründen in unterschiedliche Kliniken eingewiesen und der Praktikant ist noch mit der zermürbenden Endreinigung der sanitären Anlagen beschäftigt. Dennoch sind wir mit dem Ergebnis hochzufrieden und möchten die geneigte Leserschaft daran teilhaben lassen. Bei nem dahingerotzten Text möchte man im Gegensatz zur leckeren Bratwurst oder dem Fieberalbtraum von T-Shirt schließlich wissen, wo es herkommt.
Wie stellt man sich allgemein eine Schreibwerkstatt vor? Ratternde Schreibmaschinen, nervtötend klingelnde Telefone, emsig hin und hereilende Gestalten auf der Suche nach der nächsten Schlagzeile? So mag es in konservativen Redaktionen aussehen, die Clickbaits rauskloppen, populistische Überschriften wählen, ihre Website mit Werbung tapezieren und die Kommentarspalten als rechtsfreie Zone betrachten.
Wir stellen im stinkenden Sumpf der Schreiberlinge eine köttige Ausnahme dar. Unser Projekt verzichtet auf jegliche Formen der Monetarisierung (abseits des fleißigen Pfandsammelns unseres Praktikanten). Wir lassen uns auch nicht von Erscheinungsterminen oder anderweitigen Deadlines das Tempo diktieren, denn hier wird veröffentlicht, wenn mal wieder was vollendet wurde und sich jemand findet, der nüchtern genug ist, dies auf die Homepage zu stellen. Die Arbeitsweise orientiert sich an unserer Lebensphilosophie, die wiederum an traditionelle Werler Gepflogenheiten angelehnt ist. Dies spiegelt sich auch in der zweckmäßigen Inneneinrichtung wider, durch die unsere Ansprüche realisiert werden können.
Alltag einer Kötte
Bevor wir uns eingehender mit der stilvollen Einrichtung unserer Wortfabrik beschäftigen, sollen einige Hinweise zum Arbeitsalltag vorangestellt werden, um ein Gefühl für die Magie zu vermitteln, welche für Erschaffung unserer zeitlos genialen Texte notwendig ist.
An vielen Eingängen von unterschiedlichen Einrichtungen befinden sich inzwischen kontaktlose Spender für Desinfektionsmittel. Diesem Trend rennen wir nicht hinterher, denn Keime, Bakterien und Viren überleben in unseren Hallen keine Minute. Stattdessen wird an der verrammelten Pforte eine kurze Alkoholkontrolle durchgeführt. Ist der Eintretungswillige nüchtern, darf bzw. muss er sich am kontaktlosen Kornspender ein Pinneken befüllen lassen und dieses in einem Zug leeren. Wer das Gesicht verzieht, wiederholt den Vorgang so oft, bis die Mimik regungslos bleibt oder ein Rettungswagen kommen muss.
Im Flur stehen einige praktische Regale, in denen das Pfand zwischengelagert wird, bevor der Praktikant dieses mit einem gemieteten Lastwagen zu Kaufland bringen kann.
Täglich finden Redaktionssitzungen statt, deren Inhalte streng geheim und nicht rekonstruierbar sind, da die Teilnehmer die Grenze des Deliriums schon vor der Verlesung der Tagesordnungspunkte überschritten haben. Mutmaßlich geht es um den Nachschub für die chronisch unterfüllten Schnapsschränke oder möglichst unwürdige und abscheuliche Aufgaben, die der Praktikant zu erledigen hat. Über kommende Berichte, Interviews oder dergleichen wird selbstverständlich nicht gesprochen, denn jeder schreibt, was er meint, wenn er denn mal Lust dazu haben sollte.
Bekanntlich gibt es verschiedene Abteilungen bei der Werler Kötte. Der Zocker nimmt nur unregelmäßig an den Sitzungen teil, da er meist im Keller vor dem rauschenden Röhrenfernseher hockt. Auf dem Beistelltisch stehen immer gut gefüllte Mischen (bevorzugt Wodka-Energy, gelegentlich auch mal ne kalte Muschi), auf dem Boden vor dem alten Sessel stapeln sich geleerte Chipstüten und Verpackungen von Schokoriegeln, da unser Experte im Dauereinsatz ist, permanent pixelige Spiele aus dem Mittelalter daddelt und zwischendurch das TV-Gerät anbrüllt.
Der Spochtfuzzi ist am Wochenende immer auf Achse, holt sich die heißesten Infos direkt an der Theke der Vereinsheime von den Kreisligaclubs, an denen er in der Regel auch versackt. Daher ist der gefragte Gesprächspartner montags meist nicht in der Redaktion anzutreffen. Falls man ihn dennoch mal erblicken sollte, schreit er willkürlich Phrasen wie „Das war Ball gespielt, du Memme!“ oder „Den hätte meine Omma reingemacht und die ist seit 10 Jahren tot!“. Berichte schreibt er in der letzten Zeit kaum noch, da ihm die Zeit an den Sportplätzen nachhaltig die Synapsen benebelt. Immerhin kennt er sich wie kein Zweiter mit den Vor- und Nachteilen der jeweiligen Arenen aus. „In Werl kannste immerhin nen gemähten Kunstrasen bestaunen.“ „In Möhnesee schenken die Schweinepriester Warsteiner aus! Skandal!“
Unser Praktikant darf natürlich nicht vergessen werden. Einen Namen hat er nicht. Also, wahrscheinlich schon, aber es lohnt einfach nicht, sich die Silbenkombination zu merken, da die Position des unbezahlten Lakaien in immer kürzer werdenden Zeitabständen neu besetzt werden muss. Gutes Personal ist eben schwer zu finden und die jungen Leute sind heutzutage so belastbar wie die Internetverbindung in ländlichen Gefilden, wo der Bus zwei Mal im Jahr hält.
Das Beste kommt zum Schluss, weshalb nun endlich unser Cheffe erwähnt werden muss. Der professionelle Alki erblickte das Licht der Welt in unserer liebsten Köttenstadt. Er wuchs hier auf, terrorisierte bereits als Jaust seine Mitmenschen, lernte früh, wie man eine wirkungsvolle Mische herrichtet und feilte zeitlebens an einer angemessenen Kommunikationskultur. So antwortet er nach wie vor auf fast alle Fragen entweder mit „Das geht dich’n Scheißdreck an!“ oder „Sieh zu, dass du wegkommst!“. Gelegentlich streut er, je nach Gemütslage (Pegelstand) „Hol mir den Korn!“ ein. Ende 2019 beschloss er im Rahmen des rituellen Erbrechens in den Salzbach, dass er mit „Werler Kötte“ ein Projekt aus dem Boden stampfen möchte, welches seine von Genialität durchzogenen und nach oralem Auswurf duftenden Gedanken der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt. Der Rest ist Geschichte. Zwar ist sein Tonfall und die Art der Personalführung für Unwissende gewöhnungsbedürftig, doch wer sich an die Dienstanweisungen (Schnaps und Bier statt Kaffee und Obst) hält, kommt schon klar.
Seit Gründung der „Werler Kötte“ zeichneten sich die mit Naturalien bezahlten Schreiberlinge für etliche Berichte verantwortlich, deren Qualität sich durch erhabene Beschaffenheit vom seichten Einerlei der nicht nennenswerten Konkurrenz abhoben. Doch welcher Rahmen, was für Arbeitsbedingungen sind nötig, um die Messlatte für die Mitstreiter in dermaßen schwindelerregende Höhen zu befördern?
Inside Kötte-Tine Wittlers Albtraum
Um das unerreichte Niveau tagtäglich aufs digitale Papier bringen zu können, mussten bezüglich der Innenausstattung weitreichende Entscheidungen getroffen werden. Kümmern wir uns zunächst um den urdeutschen Ort der Inspiration, wo sich Geistesblitze zu Erfolgserlebnissen gesellen. Genau, es geht ums Klo, den Abort, den Schauplatz wahrer Schlachten. Für das Köttenklosett wurden natürlich andere Ansprüche berücksichtigt, als es vielleicht in den schnöden Büroräumen von Versicherungsfuzzis oder adrett gekleideten Bankkaufleuten der Fall ist. So wurde die Hochleistungsspülung „Hau-wech-die-Scheiße“ installiert, welche eigens für die besonderen Zwecke konstruiert wurde.
Unter ohrenbetäubendem Lärm lässt sie monströse Hinterlassenschaften spurlos verschwinden, wobei extra Rohre verbaut wurden, die über einen deutlich vergrößerten Durchmesser verfügen. Selbst galledurchzogene Kotzbrocken mit schlecht gekauten Dönerresten werden ohne die handelsübliche Verstopfung beseitigt. Selbstverständlich wird im Sinne der Nachhaltigkeit auch das Thema Klopapier nicht außer Acht gelassen. Prädikat „grüner Schiss“ wäre verdient und angebracht.
Das Zentrum der Macht
Das Büro des Chefs stellt den Mittelpunkt des kreativen Treibens dar. Hier laufen die wirren Fäden der talentbefreiten Mitarbeiter zusammen, hier wird aus halbgaren Ideen pures Gold gezaubert. Der Tisch, die Werkbank des schreibenden Ausnahmekönners stellt den Mittelpunkt dar. Auf der Unterlage (selbstverständlich ein Unikat) findet der antike Laptop seinen Platz, wenn nicht gerade eine der Schreibmaschinen klackernd genutzt wird. Die Bierdeckel sind ebenfalls keine Ware von der Stange. So wurden Untersetzer vom Kreisligagiganten SuS Scheidingen erworben (der Spochtfuzzi hat sie sonntags dauerhaft ausgeborgt) und die anderen Exemplare wurden von Alphakötte Instagerry (geiler Typ!) gestiftet. Die Untersetzer sind im permanenten Einsatz, denn ohne Sprit kommt man schließlich nicht weit, wenn man sich eingehend mit Werl beschäftigen möchte.
Deshalb ist das Schnapsregal auch immer gut bestückt, wobei in letzter Zeit leere Weinflaschen mit Fusel aufgefüllt werden. Das würde dekadenter und stilvoller aussehen als die Billigkornpullen.
Zwecks Recherche verfügt das Archiv der Werler Kötte über eine recht ansehnliche Auswahl an Fachliteratur, die griffbereit in unmittelbarer Nähe des Schnapses untergebracht wurde. Viele Ausgaben „Werl-gestern-heute-morgen“, Sammelbände und spezifische Bücher finden sich dort im Hort des Wissens. Sogar Kuriositäten wurden beim „Was letzte Preis?!“-Shop ergattert. Beispielsweise verfügen wir über zahllose Ausgaben des „Preußen Echos“ aus den Jahren 1979-1982, als die Werler Fußballer noch für was anderes als gemähten Kunstrasen und Stümpergekicker in den untersten Gefilden standen.
Was viele nicht wissen. Unser Chef wollte sich damals als Gastronom selbstständig machen und hatte bereits alle Vorkehrungen getroffen. Die Speisekarte war eine Verneigung vor Werler Traditionen und hätte das eher redundante Angebot in der City sicherlich sinnvoll ergänzt, allerdings versoff er den Kredit in der Galle, sodass lediglich ein Exemplar der Speisekarte an den einstigen Traum erinnert.
Der Blickfänger schlechthin befindet sich exklusiv in der Raummitte. Richtige Edelkötten scheuten weder Kosten noch Mühen und ließen das ikonische Ortseingangsschild der Herzen anfertigen. Der persönlichen Übergabe wohnte unser Chef bei einem seiner seltenen Ausflüge, die nicht in einer Kneipe enden, selbst bei. Wir verneigen uns leicht schwankend vor den Ehrenkötten für dieses Präsent. So gerührt waren wir das letzte Mal, als Cheffe Weihnachtsgeld auszahlte (Geklaute Gutscheine für einen Rabatt bei Tinas Toys- den Laden gibt es zwar nicht mehr, aber die Geste zählt). Fraglos sollten die gegenwärtigen Schilder mit dem Zusatz „Wallfahrtsstadt“ durch diese von Stil, Edelmut und Authentizität geprägten Unikate ersetzt werden.
Das Auge isst mit
Alles, worauf die Buchstabenfolge W-E-R-L gedruckt ist, erscheint im Auge des Betrachters als Kunst, so viel ist klar. Doch auch neben den gedruckten Nachschlagewerken braucht sich das Chefbüro vor keiner Galerie verstecken. Kleinere und größere Gemälde lokaler Suffköppe zieren die Wände. „Der Lindenberg, der malt dahingestümpertes Zeug mit Fusel, der alte Schweinepriester! Wie kann man kostbaren Stoff dermaßen respektlos auf Leinwände schmieren? Bei uns wird kein Tropfen verschwendet und dem ordnungsgemäßen Bestimmungsort zugeführt. Und in Werl kannst du dir diese Verbrechen an der Menschheit auch noch in einer sogenannten Galerie angucken. Unverschämt!“
Eine Erstausgabe des Duden, die sonst von den Mitarbeitern des käsigen Lokalblattes zur Rechtschreibprüfung herangezogen wird, faltete ein Performaneartist papierne Kunst. Abseits dieser dekorativen Elemente befinden sich noch staubige Accessoires im Büro, wie Weihnachtskugeln, die alte Schultüte des Chefs und Pfandbeutel für die kleine Sammlung unterwegs.
Das war es auch schon mit unserem exklusiven Report bzw. endlich ist diese schier endlose Ansammlung an wirren Worten zu einem Ende gekommen. An alle, die bis hierhin durchgehalten haben, Danke bzw. ihr scheint echt Langeweile zu haben. Geht arbeiten oder so!
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