Wie bereits berichtet, hatten wir im Drosselweg immer Köter. Schließlich sind sie die besten Freunde des Menschen. Jedenfalls, wenn man von der Freundschaft zu einem prall gefüllten Portemonnaie oder dem Mengenrabatt beim Metzger mal absieht. In unserer Bude hielten sich allerdings nicht nur WauWaus auf, denn Getier gehörte nun einmal dazu.
Katzen
Katzen sind etwas Majestätisches. Wie informierten Historikern bekannt sein dürfte, unterjochten sie damals die Ägypter, ließen die Pyramiden bauen, um gewandt dort hochzuklettern und auf ihre Untertanen hinabzublicken, während sie sich mit der rauen Zunge den Intimbereich wuschen. Inzwischen haben sich die Zeiten geändert, denn die schnurrenden Vierbeiner beherrschen die Welt im Verborgenen, unterdrücken die Zweibeiner nun in deren sogenannten Wohnungen. Genug Quatsch geschrieben, kommen wir zu unseren Miezen.
Wir hatten immer Katzen. Das Ammenmärchen, dass sich Hunde und Katzen nicht vertragen würden, ist übrigens miese Propaganda. Katzen sind kognitiv etwas weiter entwickelt als Hunde und viele Menschen, weshalb eine gemeinsame Haltung durchaus möglich ist. Jeder dürfte die grau-weiß-schwarz getigerten Katzen aus der Fernsehwerbung kennen. Wir hatten mehrere von der Sorte, die alle auf den Namen Felix hörten. Das wurde jedoch nicht gemacht, um uns Kinder hinters Licht zu führen, sondern es handelte sich um eine Art Naturgesetz.
Ein kleiner schwarzer Racker namens Filou leistete uns ebenfalls Gesellschaft. Wie Felix II stammte er aus dem Wurf einer Straßenkatze aus Belgien. Filou stand schon am Ufer des Styx und war kurz vor der Überfahrt ins Jenseits, doch Mamma kümmerte sich bis zu ihrem Ende um hilfsbedürftige Tiere. Daher wurde der Kleine eingebürgert und lebte bis zum Schluss im Drosselweg.
Irgendwann näherte sich leider auch die Lebenszeit von Felix II und Filou dem Ende zu. Felix hatte es an den Nieren und Mamma fuhr mit ihm zum Einschläfern. Welch euphemistischer Begriff. Jetzt würde sich eine Auseinandersetzung mit dem Thema „Sterbehilfe“ in Deutschland anbieten, aber das würde den Rahmen etwas sprengen. Kurz gesagt, wir sind in dem Bereich so progressiv, wie in Sachen Digitalisierung. Der Tod des Grauen hatte mich sehr getroffen, denn er war ein echter Schmusehannes. Filou hingegen war eher scheu und zurückgezogen. Bei seinem letzten Arztbesuch war ich mit dabei. Ich dürfte als Jugendlicher durchgegangen sein. Mamma wäre auch alleine gefahren, aber es war mir wichtig.
Stiefelchen ist noch mal ne ganz andere Nummer. Ich war vielleicht 16 Jahre, als sich draußen immer wieder ein dunkel getigerter Kater zeigte. Er war mir gegenüber extrem zutraulich und holte sich ausgiebige Streicheleinheiten ab. Weil sein Fell an den Schochen weiß war und an Stiefel erinnerte, taufte ich ihn feierlich auf diesen Namen, nannte ihn gelegentlich auch Steve. Eines Tages folgte er mir ins frisch gewienerte Treppenhaus bis zu unserer Tür. Ich nahm ihn auf den Arm und rechnete mit einer fauchigen Reaktion, doch er ließ sich gerne tragen. Kurzum, Stiefelchen wurde zum Mitbewohner meines Zimmers, jedenfalls temporär. Er bekam ein Katzenklo, Näpfe und ich mochte ihn. Temporär, weil er vom Typ her einfach keine Hauskatze war. Er signalisierte mir immer, wenn er genug von der Zivilisation hatte, dann brachte ich ihn raus, wo er auf Streife ging, Abenteuer erlebte und irgendwann mit der einen oder anderen Wunde zurückkam. Keine Frage, sowas sollte man auf gar keinen Fall nachmachen. Irgendeine, mit Läusen zugepflasterte Katze in seine Bude mitnehmen, aber es war mir egal. Täglich bei Mäcces essen dürfte riskanter für die Gesundheit sein.
Es war für mich etwas Besonderes, denn Stiefelchen war gewissermaßen mein Kater. Ich kümmerte mich um die Näpfe, trug ihn je nach Laune ins Haus oder brachte ihn vor die Tür. Außerdem bereitete mich die Zeit mit ihm auf die Besuche der öffentlichen Toiletten in Werl vor. Ich habe im Leben schon so einiges mitgemacht, war lange aktiv im Fußballverein und habe dementsprechend auch sogenannte Mannschaftsfahrten absolviert. Aber wenn der Kollege das Katzenklo ausgiebig genutzt hat, half kein Lüften, Raumspray oder ne Wäscheklammer an der Nase.
Leider ging auch seine Zeit irgendwann zu Ende. Ihm ging es schlechter und ich sprach mit Mamma schon darüber, mit dem Teilzeitstreuner zum Tierarzt zu gehen. Doch er kam nicht mehr. Wahrscheinlich hatte er sich einen ruhigen Platz oder so gesucht, um die letzte Reise anzutreten. Jedenfalls ist der Gedanke einfacher zu verdauen als viele andere Szenarien.
Die letzte Katze, die den Drosselweg bewohnte, hieß Aragon. Nicht wie der langhaarige Typ aus Herr der Ringe, denn der wird bekanntlich Aragorn buchstabiert. Aragon war ein multlinguales Talent, da Mamma oft französisch mit ihm sprach. In der Tradition Filous war auch er eher von der schüchternen Sorte, ließ sich gelegentlich aber dazu herab, von mir gestreichelt zu werden, was sich für mich wie die Audienz bei einem mächtigen Monarchen anfühlte. Aragon ist irgendwann, nach einigen Umzügen, von einem nächtlichen Ausflug nicht mehr zurückgekehrt. Der Verlust nahm meine Mutter sehr mit.
Der Text hat keinen sonderlichen Mehrwert, soll aber definitiv zum Ausdruck bringen, dass Katzen hochinteressante Mitbewohner sind. Sie sind unterhaltsamer als jedes Programm in der Mattscheibe und wer von einem schnurrenden Kätzchen Aufmerksamkeit bekommt, der fühlt sich einfach besonders, da die ehemaligen Tyrannen Ägyptens diesbezüglich durchaus wählerisch sein können. Wer die Eröffnung einer WG mit Kätzchen in Erwägung ziehen sollte, möge dem einfachen Motto „adopt-dont-shop“ folgen.
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