Alle Adler fliegen, alle Adler fliegen… Kreisligakenner können den Text vervollständigen, alle anderen sollten von der Lektüre dieses Klagegesangs absehen. Wer die lokale Presse verfolgt hat (mein aufrichtiges Beileid), wird wissen, dass die Preußen bald zu Grabe getragen werden. Ein neuer Name, ein neues Logo, das anscheinend mit Windows 95 erstellt wurde und ein Neuanfang auf allen Ebenen sollen frischen Wind in den Sportpark bringen. Daher möchte ich kurz zurückblicken. Dabei möchte ich aber nicht auf die Historie des Vereins eingehen oder schnöde Zahlen niederschreiben. Neben der Tatsache, dass ich keine Lust auf Recherche habe, geht es eher um einen persönlichen Ansatz, denn als kleines Köttenkind habe ich bei den Preußen das kleine Einmaleins des Pöhlens gelernt.
Frustrierte Bestandsaufnahme
Wie steht es momentan um die Preußen? Nun ja, wenn man einen Neuanfang braucht, scheint die Lage nicht sonderlich erquicklich zu sein, und das ist absolut beschönigt. Seit einigen Jahren geht es konsequent bergab, was an vielen Faktoren liegt. Im Kreis gibt es für den Verein hauptsächlich Häme. Nach einigen vergeblichen Versuchen in die Bezirksliga aufzusteigen, steht man nun am Abgrund der B-Kreisliga. Kaum Jugendmannschaften, immer wieder negative Schlagzeilen und massive Probleme, Spieler zu rekrutieren. Um den Betrieb aufrechtzuerhalten, schnüren sich Männer die Fußballschuhe, die schon seit geraumer Zeit in den Gefilden der „Alten Herren“ unterwegs sind. Treue Seelen, die für ihren Verein auf die körperliche Unversehrtheit scheißen.
Der Zustand des Konstrukts ist natürlich nicht von heute auf morgen entstanden und generell müssen sich die Vereine immer größeren Herausforderungen stellen. Einst waren die Werler für ihre Jugendarbeit bekannt (dazu später mehr), verfügten über unzählige engagierte Menschen und kratzten am Aufstieg in die Bezirksliga. Ja, ganz früher spielten sie in der Landesliga und Menschenmassen wohnten dem Treiben am Sportplatz bei. Allerdings wurde auch viel Kohle in den Laden gepumpt. Und wer einmal mit Gekicke gutes Geld verdient hat, der möchte das auch weiterhin tun. Durch das Zahlen von teils absurden Geldern lockte man gewisse Spielertypen an. Sobald der Hahn nicht mehr so sprudelte, suchten die Leistungsträger „andere Herausforderungen“. Weitere Nebenkriegsschauplätze, nicht eingehaltene Absprachen, engagierte Leute wurden verprellt, der Fokus ging teils vollkommen verloren und am Ende stand und steht eben die komplette Existenz auf der Kippe.
Wenn es gegen Werl ging, war ich immer besonders motiviert und die Siege haben köstlich geschmeckt. Häme und Spott gingen mir leicht über die Lippen, dennoch geht mir die aktuelle Entwicklung näher als erwartet. Die Gründe liegen auf der Hand, wobei ich das Sprichwort nicht sonderlich passend finde.
Alter Mann blickt in die glorifizierte Vergangenheit
Als kleines Köttenkind trat ich gerne gegen den Ball. Gut war ich nicht, aber die Vorzüge eines Fußballvereins lagen auf der Hand. Ach, schon wieder diese Formulierung… Mit den guten Victory-Tretern von Deichmann (damals noch gegenüber von Danielsmeier) trat ich den Werler Preußen bei. Nach einigen Wochen merkte ich, dass ich auf dem Feld nichts verloren hatte, weshalb stinkende Torwarthandschuhe übergestülpt wurden.
Damals war der Verein noch anders aufgestellt. Selbst in den unteren Jugendmannschaften kümmerten sich meist 2 Trainer um die Gestaltung der Trainingseinheiten und die Vermittlung sozialer Kompetenzen. Auf dem inzwischen erneuerten Kunstrasenplatz lag noch Asche, von der wohl noch das eine oder andere Steinchen irgendwo in meinen Knien als Souvenir steckt.
Unsere Truppe und der Jahrgang über uns (Verneigung an meinen Cousin) räumten alles ab. Die Trophäen für Meisterschaft, Pokal und unterschiedliche Hallenturniere wanderten regelmäßig in die Vitrinen des Sportheims. Auch gegen höherklassige Teams waren die Werler nicht chancenlos, kamen auch im Westfalenpokal mal die eine oder andere Runde weiter.
Woran lag es? Wie beim aktuellen Niedergang war es nicht ein Grund. Die Trainer waren extrem engagiert. Mannschaftsfahrten wurden organisiert und brachten die Blagen nochmal ein Stück näher zusammen. Dahinter steckten viel Aufwand und aufopferungsvolle Missachtung der eigenen Freizeit. Das galt gleichermaßen für die Eltern. Okay, Sprit war im Vergleich zu heute sicher günstiger, aber dennoch war es schon erstaunlich. Die Parentalgeneration fuhr durch ganz Westfalen, war teils enger verflochten als die Spieler, und machte den Erfolg durch den unermüdlichen Einsatz erst möglich.
Beispielsweise fanden damals noch sehr regelmäßig Turniere auf dem heiligen Rasen statt. Die Mütter (ja, meist waren es die Mütter; es gibt Sachen, die ändern sich nur schleichend) holten mehr Leckereien aus dem Ofen als Kuchenmeister am Tag produziert. Sie stellten sich hinter die Tische, verkauften Bockwurst, schenkten Kaffee ein, organisierten Tombolas und feuerten ihre Blagen vom Seitenrand an. Manchmal ging es kreisligatypisch unter die Gürtellinie, bewegte sich aber immer in einem angemessenen Rahmen. Die Eltern meiner Mannschaft (Mamma inklusive) konnten zeitweise lauter brüllen als die verweichlichten Ultras der Bundesligisten.
Ein für mich recht besonderer Faktor war das Torwarttraining. Wie bereits erwähnt war ich Torwart. Der Keeper ist quasi eine spezielle Fachkraft auf dem Platz. Er darf die Pille halt in die Hand nehmen und muss ein paar Dinge können, die nicht im Anforderungsprofil des Stürmers stehen. Für Scheidingen habe ich mal einen kleinen Bericht über die Position des Torhüters geschrieben, den ihr hier finden könnt.
Ganz früher war Torwarttraining selbst bei den Profis ein schlechter Witz. Man legte unzählige Bälle auf den Sechszehner und ballerte sie dem Kerl in der Kiste so lange um die Ohren bis er kotzen musste. Das hat sich deutlich gewandelt. Ich kam bereits als kleines Köttenkind in den Genuss des Spezialtrainings. Das heißt, ein Erwachsener, der wusste, was er tat, nahm sich Zeit und beschäftigte sich mit maximal 3 Blagen. Bekanntlich hat es nicht für eine ruhmreiche Karriere in der Bundesliga gereicht, aber die frühe Ausbildung bei den Preußen hat mich geprägt und mein Spiel deutlich verbessert.
Allgemein war der Jugendbereich gut besetzt, sodass teils mehrere Mannschaften für einen Jahrgang gebildet werden konnten. Ich kann mich noch gut an ein Turnier in Westönnen erinnern, bei dem im Finale Preußen I gegen Preußen II spielte. Einige aus meiner Mannschaft waren zeitweise bei den Borussen aus Dortmund, andere zerschossen die Bezirksliga und insgesamt war das Niveau einfach ziemlich hoch.
Gerne, wirklich gerne denke ich an die Zeit zurück, in der ich als Köttenkind das Trikot der Preußen trug. Den ehemaligen Gefährten gegenüber verspüre ich eine tiefe Verbundenheit, den engagierten Leuten große Dankbarkeit.
Quo vadis bzw. und nu?!
Vorweg, die Umbenennung mag nötig sein, aber ich kann mir einen Werler Fußballverein ohne das Wort „Preußen“ nicht so recht vorstellen. Klar, mit dem Begriff mag auch die desaströse Entwicklung der vergangenen Jahre verbunden sein, aber ich bin ein melancholischer Typ mit Hang zur Nostalgie. In meinem Büro lagern nicht ohne Grund dutzende Ausgaben des „Preußen Echos“, der alten „Stadionzeitschrift“. Ansonsten wäre mir die Taufe auf „VfL Kötte“ lieber gewesen, doch darum geht es jetzt nicht.
Wie jeder weiß, langt es nicht, dem Kind einen anderen Namen zu geben und ein neues Outfit zu verpassen. Klar ist, einfach wird es nicht. Im Gegenteil. Wenn es überhaupt gelingen kann, muss ein langer und beschwerlicher Weg gegangen werden, der einige Rückschläge bereithalten wird.
Ein wichtiger Punkt ist das Grundgerüst. Man braucht Leute, die sich um alles kümmern. Trainer, Betreuer, Leute, die Kontakte zu Sponsoren herstellen, bisschen Ahnung von Marketing haben und vieles mehr. Kurz gesagt, Menschen, die ihre Freizeit und auch privates Geld in den Verein stecken. Die bisher bekannten Pläne sind ambitioniert. Es sollen Jugendmannschaften her, eine Damenabteilung soll aufgebaut werden und der Werler Sportpark wieder zum ersten Anlaufpunkt für den Nachwuchs werden.
Genau da liegt nämlich das hauptsächliche Problem der gegenwärtigen Struktur. Um einen Verein am Leben zu halten und irgendwie zu entwickeln, braucht man Blagen. Es muss wieder attraktiv werden, in Werl Fußball zu spielen. Die Anlage muss sich nicht verstecken, man hat endlich wieder einen anständigen Kunstrasen, wo vorher das unbespielbare, mit Katzenstreu besprenkelte, mutmaßlich gemähte Ungetüm stand, das Schürfwunden nur vom Betrachten verursacht hat. Erst, wenn eine taugliche Jugendabteilung etabliert werden könnte, ist ein Gelingen des Mammutprojektes überhaupt möglich. Dass Frauenfußball auch (ENDLICH) in Werl eine Anlaufstelle bekommen soll, ist nicht nur löblich, sondern mehr als notwendig. Scheidingen macht es vor. Eine Zeit lang habe ich dort sporadisch Torwarttraining angeboten. Die Damen waren technisch weiterentwickelt als die Testosteronpendants.
Sobald aus den Plänen Realität werden sollte, werde ich mir die Spiele anschauen. Ich drücke beide Daumen, denn der gegenwärtige Zustand ist einfach traurig, da helfen auch literweise Werler Tropfen nicht. Dennoch bleiben es für mich die Preußen.
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