Grundrechte sind flüssig
Wie es sich für eine zivilisierte Ansammlung deutscher Bürger gehört, muss auch in Werl die stetige Versorgung mit dem Grundnahrungsmittel Alkohol gewährleistet sein. Es lohnt sich ein Blick in die jüngere Vergangenheit.
In den guten alten Zeiten, als noch militärische Fachkräfte aus Belgien, USA, dem großen Britannien und Kanada das Stadtbild verschönerten, gab es in Werl noch etliche Spelunken und Kaschemmen. Dort konnte sich das männliche Familienoberhaupt dann nach getaner Arbeit und dem obligatorischen Verprügeln aller Kinder samt Gattin sein verdientes Glas Bier einverleiben. Im Ausnahmefall konnte er sich dort auch den Mut antrinken, um seine Familie zu verprügeln, aber egal wie man es nimmt, es gab auf die Fresse.
Genug geschwärmt. Diese Etablissements waren gut besucht und von der Innenausstattung her sehr einladend gestaltet. Eine klebrige Theke, hinter welcher ein gestandener Herr Gläser befüllte und Anekdoten auf Knopfdruck erzählen konnte oder eben eine Bardame, welche die anzüglichen und charmanten Bemerkungen wie "Kehr Perle, haste Bock?" oder "Ey Ische, ficken?!" mit einem süffisanten Gesichtsausdruck weglächelte, bis der notgeile Herr besoffen genug war.
So hochmoderne und hochpreisige Gerätschaften, wie eine Nebelmaschine waren nicht notwendig, da neben dem exzessiven Alkoholkonsum auch das Kettenrauchen Einlasskriterium war. Auch hier könnte man wieder mit viel Melancholie auf diese glorreichen Zeiten blicken. Die Herrschaften, denn die (Ehe-)Frauen waren in der Regel zuhause und putzten eifrig die Hütte, um nicht wieder vermöbelt zu werden, genossen das eine oder andere Bierchen. Meist waren nur die unverheirateten Damen in den Kneipen anzutreffen. Wenn dann genug Gerstensaft in die gierigen Kehlen gekippt wurde, kam es dann zu den handelsüblichen Situationen. Die Soldaten machten sich an die ungebundenen Damen heran und ließen ihren exotischen Charme spielen. Dies gefiel dann wiederum oftmals den anwesenden Herren der Schöpfung nicht, da sie selbst vaginale Bedürfnisse hatten. Kurzum, irgendwann gab's halt auf's Maul. Die alarmierten Ordnungskräfte reagierten damals ebenso wie heute, indem sie sich erstmal einen Kaffee tranken, Berichte schrieben oder sonstige Verrichtungen erledigten, die eine Fahrt zum Tatort verzögerten. Wenn sie es dann schließlich doch noch zur Kneipe geschafft hatten, waren die malträtierten Männer schon längst wieder daheim und ließen ihren Frust gewohntermaßen an den schwächeren Familienmitgliedern aus.
Saufen, aber wo?!
Doch genug von der goldenen Vergangenheit. Wie kommt der Werler denn heute zu seinem Vergnügen?
Im Zuge des weltweiten Kneipensterbens haben sich die Möglichkeiten etwas reduziert, sich nostalgisch an der Theke ins Delirium zu trinken. Klar, Mann kann noch die Galle oder die Kleine Kneipe aufsuchen und sich dort an der melancholisch ernüchterten Stimmung ergötzen. Viel beliebter ist aber der Erwerb der Genusswaren in einem Discounter der Wahl. Im Anschluss daran flaniert man dann zu einem der Hotspots für trinkfreudige Anlässe. Früher traf man sich gerne an der Shell-Tanke, wo man sich zu wummernder Musik die Pullen zwischen die Zähne klemmte. Heute genießt man seinen Feierabendkasten dann eher idyllisch im Kurpark. Das Leergut kann man nach Gebrauch in Richtung der nichtsnutzigen Enten schleudern. Um die notwendige Geselligkeit zu erreichen, kann man sich auch den Pennern anschließen, die immer eine nette Geschichte auf Lager haben und sich auch gerne des Leerguts annehmen. Wenn einem das Gesöff nicht reichen sollte, besteht auch die Möglichkeit, sich von den pubertierenden Jünglingen den einen oder anderen Joint zu schnorren. Gekotzt wird im Anschluss dann in den aufwendig renaturierten Salzbach.
In diesem Sinne wünscht die Redaktion beim nächsten Besuch unserer umdrehungsfreudigen Marienstadt guten Durst!
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