Wenn man wissen möchte, wie sehr uns die Apokalypse auf die Pelle gerückt ist, muss man nicht auf zerfledderte Gestalten mit Pappschildern achten oder irgendeiner Vereinigung von Schamanen mit geheimem Wissen beitreten. Es genügt, sich ein Konto bei Facebook einzurichten, eine halbe Stunde zu stöbern und schon kann man sich einer Sache gewiss sein. Das letzte Stündlein unserer parasitären Spezies hat längst geschlagen, wenngleich die Gründe dafür deutlich von denen zu unterscheiden sind, die einem augenscheinlich präsentiert werden. Doch dazu kommen wir später…
Ich komme aus einer unschuldigen Zeit, in der man Begriffe wie „Fakenews“ nicht kannte. Stattdessen nannte man es einfach die BILD-Zeitung. Soziale Medien waren die mit dem Link-Kabel verbundenen Gameboys, auf denen man sich mit seinen Pokémon bekämpfte. Selbst das Internet, das noch in der präpubertären Phase festhing, zeichnete sich durch eher (natürlich nicht nur) konstruktive Ansätze aus. Über die ratternden Türme verband man sich, um gemeinsam oder gegeneinander zu spielen. Als die Anwendungen komplexer wurden, nutzte man ICQ, um sich zum Pöhlen oder gemeinsamen Saufen zu verabreden.
Auch heute kann man mit dem Internet tolle Sachen anfangen. Deep-Fake Pornos mit prominenten Darstellern studieren, Drogen bestellen ohne in zwielichtigen Parks um sein Leben fürchten zu müssen, sein Monatsgehalt in Online-Casinos verzocken (kann man sogar beim Kacken machen), Kinderspielzeug voller Weichmacher bestellen und vom gut situierten Paketboten an die Pforte liefern lassen oder den Streber aus der Grundschule virtuell stalken, bedrohen und durch stetiges Wechseln von virtuellen Identitäten eine Zwangseinweisung des Unholdes erwirken. Das sind nur wenige der herausragenden, sinnvollen und durchdachten Möglichkeiten, das weltweite Netz für sich und das Gemeinwohl zum Einsatz zu bringen.
Facebook, Insta, TikTok, Youtube- Die Reiter der Apokalypse
Facebook, von einem milchgesichtigen Lockenkopf als Bewertungsportal für akademische Titten erdacht, ist mittlerweile der legitime Nachfolger von SchülerVZ und CO. In der Theorie kann man sich mit Hilfe der unersättlichen Datenkrake vernetzen. Sprich, man knüpft Kontakte zu alten, aus den Augen verlorenen Mitschüler*innen oder stalkt den Grundschullehrer, der beim Sportunterricht etwas fest beim Hilfegriff zugelangt hat. Welch ein Irrsinn! Schließlich hat es Gründe gehabt, warum ich keinen Kontakt mehr zu dem Schulhofprügler aus der 6ten Klasse habe, und möchte dieses Ferkel jetzt nicht als Freundschaftsanfrage auf meinem vollgewichsten Bildschirm herumschwirren haben. Dennoch kann man diese sinnbefreite Nutzungsmethode für sich nutzen. Fake-Account erstellen, Kontakt aufnehmen, Vertrauen aufbauen (geht online leichter als in der Wirklichkeit) und den Drecksack in eine Falle locken. Hier sind der Kreativität keinerlei Grenzen gesetzt.
Um diesen Ansatz zu verfolgen, bietet sich auch die Verwendung eines „bots“ an. Ein Großteil der virtuellen Interaktionen wird inzwischen von diesen Accounts getätigt, hinter denen künstliche Intelligenzen (also Programme, Algorithmen oder so’n Quatsch) stecken. Diese sind so weit entwickelt, dass sie täuschend echt kommunizieren. Echte Fotos werden den unechten Profilen beigefügt und erzeugen dadurch einen hohen Grad von Authentizität. Da muss ja ein echter Mensch hinter stecken, denn man muss ja Datenschutzbestimmungen beachten und sich etliche Einverständniserklärungen für die Nutzung der Bilder unterschreiben lassen. Außerdem schreiben die bots ein derartiges Kauderwelsch, dass man niemals ein künstliches Programm hinter dem Getippe vermuten würde.
Auf Instagram stellt man seinen Anhängern Bildnisse seines aufregenden Daseins zur Verfügung. Selfies beim Säubern des Katzenklos, Panorama-Aufnahmen von Sperrmüllbergen vor der Haustür, kurze Videos, in denen man sich beim Salto die Wirbelsäule verrenkt, um abschließend ein Foto der Pflegerin zu machen, die einem beim Abwischen des verkrusteten Hinterteils behilflich ist und viele weitere Höhepunkte. Um die schnöde Realität auf ein zeigenswertes Podest zu hieven (die eigene Fresse ist nicht ohne Grund für die wiederholten Mobbingattacken verantwortlich), stellt die Plattform, die gemeinnützig mit Facebook kooperiert, sogenannte Filter zur Verfügung. Mit Hilfe der Helferchen erreichen die Selbstportraits einen Grad der Ansehnlichkeit, der keinen Kotzimpuls hervorruft.
Sowohl beim Hackfressenbüchlein als auch der visuell fokussierten Alternative wird mit Interaktionen bezahlt. Däumchen hoch, Herzchen hier stellen den Sauerstoff dar, den man zum Überleben benötigt. Wer aufgrund mangelnder Erfahrung oder fragwürdiger Inhalte nicht genügend positive Rückmeldungen generieren kann, der kauft sich die Bewertungen da, wo es auch Amazon-Händler und ebay-Enthusiasten tun. Nämlich im Internet. Hier kann man Likes, Abonnenten und aktive Fans für das entsprechende Kleingeld buchen. Praktisch, Daumen hoch!
Da wir mit TikTok noch keinerlei Erfahrungen haben (ja, der jüngste Redakteur wird nächstes Jahr zwangsverrentet), kommen wir nun zu Youtube, dem hippen Videoportal für Urheberrechtsverletzungen, Hetze, Blödheit in bewegten Bildern und das Fortbildungsforum für gescheiterte Nobelpreisträger mit Hang zum paranoiden Wahnsinn.
Es gab eine Zeit, da war Youtube noch ein unschuldiges, kleines Etwas, das vor allem Unterhaltung bot und Verantwortlichen aus dem Fernsehen Angstschweiß auf die Stirn gezaubert hat. Denn die einfach gefüllte Sendezeit mit rauschenden, wackligen Videos, bei denen sich Kerle den Genitalbereich durch Tollpatschigkeit verletzt oder süße Tierbabys auf den Esstisch gekotet hatten, waren vorbei. Youtube deckte diesen Bereich nämlich allumfassend ab, sodass die 30 lustigsten Schlamassel und 77 dümmsten Ideen weichen mussten. Bis heute lecken sich die TV-Sender ihre Wunden eitrig.
Doch Youtube ist mehr als schadenfreudiges Lachen über Schmerzen anderer Volltrottel. Es ist nämlich eine Plattform, auf der jeder Pimmel mit einem Smartphone Selbstverwirklichung erreichen kann, indem er seine Inkontinenz öffentlich macht und alles vollpisst, was ihm in die beschränkte Quere kommt. Skater lassen sich bei gewagten Stunts filmen, Hartzer erläutern, wie man mit Pfandsammeln reich wird (Einkünfte verschleiern), Personal-Life-Coaching Trainer betreiben Selbstbefriedigung und Kundenakquise, indem sie ihre beneidenswerten Körper vor die Linse hieven und beim Gewichtheben vom richtigen Mind-Set schwadronieren. Natürlich kann man auch anderen Nerds beim Zocken zuschauen, wofür man eigentlich ja einen älteren Bruder hat, aber so ist das nun einmal mit der Digitalisierung. Schönheitstipps von gescheiterten Amateurpornostars, Nachhilfeunterricht vom Drogendealer und Musik in allen Qualitätsstufen von erbrechenswert bis da fällt selbst dem Dieter nichts mehr zu ein. Nachhilfeunterricht in Geschichte vom Holocaustleugner um die Ecke, Erklärungen über die flache Erde von Zeitreisenden, investigative Reportagen über den großen Austausch, bewusstseinsverändernde Ausdünstungen der Flugzeuge (Kloleerungen) und die Heilkraft von Eigenurin mit Bleiche bei Bauchspeicheldrüsenkrebs von verkannten Jahrtausendgenies, die im Keller von Omma konstruierend Zusammenhänge erkennen, die für Ottonormalidiot nicht (be-)greifbar sind.
Ich könnte stundenlang in diesem Stil weiter auf meine Tastatur einhämmern, doch möchte ich das meinen geliebten Buchstaben nicht antun. Die Menge an abrufbaren Videos wächst in jeder Sekunde, Minute, Erdumdrehung in Sphären, die man mit einem herkömmlichen Gehirn nicht mehr verarbeiten kann. Da könnte höchstens der Kollege aus Ommas Keller weiterhelfen, aber der ist gerade dabei, die Verwandtschaft zwischen Merkel und Godzilla zu beweisen und recherchiert dafür in der Psychiatrie. Das Biest wächst wie ein mutierter Tumor, dem von allen Seiten weitere Krebszellen um die Ohren geballert werden. Kontrollmechanismen, Qualitätssicherungen, wie man sie z.B. aus den Nähereien in Indien kennt, können mit dieser Menge einfach nicht fertig werden. Soll man jetzt alles zensieren oder vor der Veröffentlichung bei Friedrich Theodor Youtube um Erlaubnis fragen?
Das ist natürlich Unsinn! Man darf behaupten, dass Politiker fremdgesteuerte Echsenmenschen sind. Das trifft den Kern zwar nicht, aber man darf es. Ich darf hier genauso konstatieren, dass die Abonnenten vom Kerl aus Ommas Keller mutmaßlich an einer neuronalen Fehlverdrahtung leiden, die höchstwahrscheinlich zu einer autoaggressiven Reaktion der Hirnzellen geführt hat. In einem brutalen Krieg, der mit kannibalistischen Methoden geführt wurde, haben sich alle funktionstüchtigen Synapsen über den Haufen geschossen, bis letztlich der bereits angeschlagene Hirnstamm übernommen hat und auf alles ballert, was ihm in die Quere kommt. Ist jedenfalls ebenso legitim, wie der ganze andere Rotz, der da rausgewichst wird.
Hier soll jetzt kein falscher Eindruck entstehen. Es gibt auf Youtube lustige Zusammenstellungen von Serien, Menschen, die sich beim Schauen dieser Videos filmen (sogenannte Reactionvideos) und die schönsten Tore von Carsten Ramelow. Viele Dokumentationen sind abrufbar, aber leider auch als Dokumentationen getarnte Irrsinnsbekundungen. Es ist wie am Zeitungsstand. Entweder ich greife zu links-grün-versifften Propagandablättchen oder ich hole mir seriöse und neutral recherchierte Artikel, indem ich zu Compact greife...
Internet ausschalten?
Ist das Internet nun Babylon 2.0? Sollte man sein altes Nokia 3310 entstauben und sich eine Prepaid-Karte an der Tanke holen? Die Playstation 1 soll ja auch ganz gut sein. Das Tablet kann man immer noch als Schreibunterlage nutzen und aus nem Laptop lassen sich mit wenigen Handgriffen zwei wunderschöne Platzsets herrichten.
Ganz so schlimm ist es wohlgemerkt nicht. Schließlich unterhält unser Praktikant auch die Accounts bei Instagram und Facebook, der inzestuösen Datenschutzvereinigung, die globale Freundschaften und Hassspiralen generiert.
Es gilt, was unvermindert für das triste Dasein in der Wirklichkeit gilt. Augen auf, gelegentlich Pause machen und ein Körnchen exen. Nicht unbedingt glauben, wenn einem unendlicher Reichtum, ein gigantisches Genital und die unumstößliche Wahrheit hinter 9/11 versprochen werden.
Daher die dringende Empfehlung der volltrunkenen Redaktion. Befreundet euch nur mit vertrauenswürdigen Leuten (Werler Kötte), abonniert werlerkoette bei Instagram und schon seid ihr ganz nahe an der Perfektion.
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