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  • AutorenbildWerler Kötte

Time to say goodbye

Aktualisiert: 30. Nov. 2022

Das Jagen des runden Kunstleders begleitet mich eigentlich mein gesamtes Leben. Jedenfalls den Teil, an den ich mich halbwegs bewusst erinnern kann. Da ich auch nicht mehr der Jüngste bin, wird es jetzt allerdings Zeit. Zeit für einen schmerzhaften Schnitt. Zeit für einen melancholischen Text, dessen Pathos das Fass des Erträglichen wohl zum Überlaufen bringen wird. Entschuldigend versuche ich mich kurz zu fassen, was nicht gerade zu meinen Stärken gehört.


Köttenkindheit


Bereits in den Tagen, die in die Zuständigkeit der Archäologen fallen, pöhlte ich gerne. Auf den Wiesen im Drosselweg rollte die Pocke eigentlich ständig. Mit allerlei Blagen, die allerlei Sprachen sprachen, einigten wir uns auf die universelle Verständigung. Stöcker in den Boden rammen, und schon wird aus dem Werler Norden das Westfalenstadion. Die Balkone, von denen die Gladiatoren mit Wassereis und Erinnerungen an die Essenszeit versorgt wurden, stellten die VIP-Logen dar. Bei den Einheiten hinterm Haus deckten wir uns mit Schürfwunden, blauen Flecken und zahllosen Glückshormonen ein.


Alle Adler fliegen


Wie es sich für ein aufstrebendes Köttenkind gehört, schloss ich mich den Werler Preußen an. Da ich als Feldspieler vollkommen untauglich war, zog ich stinkende Handschuhe an und eiferte Oliver Kahn nach, der damals nicht für Glücksspiel stand, sondern das teils krankhaft ehrgeizig wirkende, gern cholerische Torwartspiel prägte, weshalb er mir auf Anhieb sympathisch war. Komischerweise wurde mir in meinen letzten Jahren ständig nachgesagt, dass meine Fähigkeiten mit dem Fuß für einen Torwart erstaunlich fein ausgeprägt seien, was wohl an den zahllosen Nachmittagen auf dem Schulhof des Mariengymnasiums liegen mag. Aber zurück zu den Preußen.


Schon immer erfolgsverwöhnt

In meiner Kindheit war der Verein noch ein anderes Kaliber. Engagierte Eltern, viele Jugendmannschaften und daneben auch ein nicht unerheblicher Erfolg. Bereits in den untersten Altersklassen wurde spezielles Torwarttraining angeboten, was seiner Zeit recht weit voraus war. So lernte ich u.a., wie ich am besten Herumbrüllen kann, wenn mir mal wieder ein Ei durch die Beine ins Tor gekullert war.


Mama war schon damals immer mit an Bord, fuhr mich und die anderen Blagen durch den Kreis Soest, übernachtete für mehrtägige Turniere im Zelt und feuerte an oder tröstete. Viele andere Mütter und Väter taten es ihr gleich, sodass die Auswärtsfahrten in gewisser Weise wie Familienausflüge anmuteten, die auch durch Geschwister und andere Sympathisanten begleitet wurden.


Verbunden fühle ich mich noch immer mit all den Vögeln, mit denen ich in den ersten Jahren auf Punktejagd ging. Damals spielten wir noch auf Asche, denn Werl, Büderich und Westönnen verfügten noch über den Untergrund, der wahre Straßenkicker und schmerzresistente Knochenbrecher hervorgebracht hat. Asche war definitiv angenehmer als der nun zur Verfügung stehende Kunstrasen, der pro Training eine Torwarthose zerfetzt. Aber ich schweife ab.

Das Lokalblatt, das man heutzutage kaum als Einwickelmaterial für Biomüll verwenden mag, berichtete regelmäßig über die Geschehnisse auf den Fußballplätzen. Mama schnitt jeden Artikel aus, wenngleich mein Name wohl nie korrekt aufs Papier gebracht wurde. Man fühlte sich schon wie ein kleiner Star. Meinen damaligen Trainer zog es daraufhin zum Soester SV, den es heute so nicht mehr gibt. Mit einigen anderen Spielern folgte ich, sodass die einzigen Jahre außerhalb der Kreisliga anstanden, denn es ging eine Etage nach oben.


Sieht zum Glück nicht gestellt aus.

Was ist ein Kojote? Keine Ahnung, Mischung aus Dackel und Fuchs?!


Beim Soester SV wurde alles eine Spur professioneller, wenn man in diesen Gefilden von Professionalität sprechen kann. Schließlich hatte die Bezirksliga andere Herausforderungen zu bieten. Unsere Truppe war außergewöhnlich. Wir bereisten ligabedingt einen größeren Radius, spielten in Ahlen, nahmen an einem mehrtägigen Turnier in den Niederlanden teil und das mitten in der Pubertät.


Die Gladiatoren, mit denen ich die Schlachten schlug, sind teilweise noch immer bedeutsame Persönlichkeiten in meinem Leben. Und selbst, wenn sie es nicht sind, schwelge ich gerne in Erinnerungen. Selbst der Tag, an dem uns eine Pariser Auswahl auseinandergenommen hat, verbleibt in der Abteilung „Kehr, war schön!“. Die Zwischenüberschrift ist übrigens ein wörtliches Zitat von einer der zahllosen Auswärtsfahrten, welches alte Gefährten immer anbringen, wenn man sich irgendwo begegnet.


In Soest hatte ich dann auch die erste Bekanntschaft mit einem Krankenwagen, nachdem ich einen eisenstollenunterstützten Tritt in die Beckengegend zu spüren bekam. Ich wurde nach der Aktion ausgewechselt und verlor auf der Bank dann das Bewusstsein. Im Beisein der Sanitäter wurde ich schließlich wieder wach. Einige Wochen an Krücken folgten.


Quo Vadis? Na, zum Arzt!


Erste Knieprobleme prägten die Bezirksligatage. Die auf Krankschreibungen spezialisierten Ärzte in der Köttenstadt sprachen von Wachstumsbeschwerden und verschrieben Salbe… Derweil unterbreitete der große SV Lippstadt ein Angebot, da die Beobachter wohl einem der wenigen Spiele beiwohnten, bei dem ich einen guten Eindruck hinterlassen hatte.

Westfalenliga, 4-5-mal wöchentlich Training, die Chance mit dem Gepöhle einstweilen Geld zu verdienen. Geile Sache, nach einigen Überlegungen sagte ich zu. Doch die Knie schmerzten wie bekloppt, weshalb ein Sportmediziner aufgesucht wurde. Kurzum chronische Patellasehnenentzündung, ein Jahr kein Sport. Uff. 3-4 Wochen ging das gut. Danach zog ich mir wieder die Handschuhe an, auch wenn das bedeutete, dass ich nach sportlicher Betätigung immer mit Schmerzen rechnen musste und eine wie auch immer geartete Professionalität ausgeschlossen war. Lippstadt war also keine Option mehr, weshalb ich mich umorientieren musste.


Einmal frei sein, einmal dabei sein!


Ab sofort stand also wieder das im Vordergrund, was im Drosselweg die Hauptsache war, als ich u.a. mit meinem Cousin „Kommentator“ spielte. Einer ging ins Tor, das durch in den Boden gerammte Stöcker markiert wurde. Der Andere kickte mit imaginären Kameraden und gegen ebenso imaginäre Kontrahenten, während er das Geschehen im Stile Werner Hanschs kommentierte. Ein Fall für die Klapse würde man meinen, aber ungemein spaßig.

Es folgte ein Gastspiel in Sönnern. Auf dem Türkenplatz wurde schon immer grundsolider und ehrlicher Fußball gelebt. Zwar waren die Gläser seinerzeit mit Warsteiner gefüllt, doch tat dies der wiederentdeckten Freude keinen Abbruch.


Ehemalige Mitspieler von mir wollten anschließend eine Mannschaft in Büderich eröffnen. Trainer Jochen Höllinger kam in das zweifelhafte Vergnügen, unseren Sau(f)haufen zu coachen. Vor den Spieltagen traf sich der Großteil der Truppe und ließ sich beispielsweise im Werler Bahnhof volllaufen. Gemeinsam wurde Jochen dann angerufen. „Mach dir keine Sorgen, die ganze Mannschaft ist heute beisammen.“ Obwohl am Glas anspruchsvolle Leistungen erbracht wurden, konnte sich das Gekicke überraschenderweise sehen lassen. Kreispokalsieger auf dem Werler Kunstrasen und eine Kreishallenmeisterschaft waren besondere Erfolge. Zumal unser Coach nicht mit einem Sieg in der Halle rechnete, weswegen er zu einem anderen Termin fuhr, sodass ein guter Freund als Spielertrainer fungierte und den umjubelten Turniersieg mit unter Dach und Fach brachte.


Ausschnitt aus dem Jubiläumsbuch der Büdericher

Büderich war schon immer ein interessanter Verein mit sehr engagierten Mitgliedern. Man muss sich nur anschauen, was mittlerweile aus der Anlage geworden ist. Dort absolvierte ich auch meine ersten Spiele bei den Senioren, also den ausgewachsenen Kötten, weshalb Bujecke ein Ehrenplatz in meiner schwindenden Erinnerung behalten wird.


Studenten, Suffköppe und der Bispingwald


Es folgte ein ziemlich besonderes Kapitel in Scheidingen. Der Verein erlaubte uns, eine eigene Mannschaft auf die zittrigen Beine zu stellen. Dabei durften wir auf die vorhandene Infrastruktur zurückgreifen, hatten aber sportlich gesehen freie Hand. In demokratischer Weise wählten wir ein Triumvirat, das für die Trainingsgestaltung und Aufstellung verantwortlich war. Als 3. Mannschaft im Seniorenbereich starteten wir in der untersten Klasse (damals C-Kreisliga).


Knapp 4 Jahre lief das Projekt und im zweiten Anlauf stiegen wir in die B-Kreisliga auf. Oftmals feierten wir vor den Spielen gemeinsam, was der Leistung nicht unbedingt immer zuträglich war, jedoch brachten wir meist angemessene PS auf die Kuhweiden. Zwischenzeitlich holten wir uns Unterstützung seitens eines richtig echten Trainers und waren im Kreis gefürchtet. Denn Bengalos, Banner, Torlieder und verschiedene Gesänge begleiteten das „Inferno“ auf die Auswärtsfahrten. Auch wenn die Geschichte irgendwann u.a. aufgrund von Differenzen bezüglich der Ausgestaltung der Eigenständigkeit ein Ende nahm, bleibt es rückblickend immer eine Zeit, auf die man in Verbundenheit zurückschaut. Die alte Truppe trifft sich einmal jährlich zum gemeinsamen Weihnachtsessen und die Mannschaftsfahrten waren legendär, obwohl es nicht nach Malle ging. Oder gerade deswegen?


Legenden


Zurück nach vorn


Eigentlich wollte ich es gut sein lassen, nachdem die Freundesmannschaft getrennte Wege gegangen ist. Ein ehemaliger Mitspieler lotste mich aber wieder auf den Platz zu den Werler Preußen. Aufgrund üppiger Sponsoringzahlungen lief es da oberflächlich betrachtet gut, obwohl es mit dem Aufstieg einfach nicht klappen wollte.

Nach und nach wurde allerdings immer offensichtlicher, was nun jedem bekannt sein dürfte. Das Spielermaterial war vor allem an der Befüllung der Geldbörse interessiert, der Unterbau der Jugendmannschaften brach allmählich weg und viele Absprachen waren heiße, leicht müffelnde Luft. Trotzdem bin ich dem Verein an sich und vielen der Weggefährten dankbar für viele schöne Momente an alter Wirkungsstätte.


Final Countdown


Alltag ohne Pöhlen war dennoch nicht vorstellbar, weshalb ich wieder am Bispingwald landete. Eigentlich wollte ich nur ein bisschen Torwarttraining machen und gelegentlich mal ins Tor gehen.


Stattdessen folgten viele Spiele in der 1ten Mannschaft. Aufgrund akutem Personalmangels half ich auch noch in der 2ten Truppe aus und hatte dadurch auch einen Anteil am Aufstieg in die C-Kreisliga. Gute Freunde im Trainerteam und auf dem Platz führten dazu, dass ich mich endgültig der 2ten anschloss und mit den jungen Kerlen erneut aufstieg.


Es waren nochmal schöne Jahre in Scheidingen und ich bin froh darüber, dass ich meinem Körper noch eine Weile in der Kreisliga zugemutet habe. Die alten Gefährten und neuen Freunde waren jede eingeworfene Ibuprofen wert. Obwohl ich eigentlich immer von einer Karriere bei den Alten Herren geträumt habe, lässt der Zustand etlicher Baustellen am Prachtleib das einfach nicht mehr zu. Stattdessen werde ich sonntags am Seitenrand stehen und das Spektakel aus einer anderen Perspektive kennenlernen.


Mein letztes Hemd...

Ein weiterer netter Nebeneffekt meiner Rückkehr war, dass ich auf der Homepage des SuS Scheidingen neben Spielberichten auch anderen Quatsch veröffentlichen durfte. Daher hier einige meiner Werke 😉








Ich muss zugeben, dass ein großer Teil der Gefühlswelt von Wehmut und freudigen Erinnerungen durchzogen ist, die ich aus verschiedenen Gründen nicht mit der Öffentlichkeit teilen kann und möchte. Der Sport an sich hat mich immer zuverlässig begleitet und ich habe jede Minute auf dem Platz geliebt. Unzählige Siege, Meisterschaften, Pokale, entscheidende Aktionen im Elfmeterschießen, Aufstiege und andere Erfolge konnten erreicht werden. Aber auch bittere Niederlagen, katastrophale Fehler und Enttäuschungen gehörten dazu. So oder so, auf meine Truppe konnte ich mich immer verlassen, nicht nur auf dem Platz.


In Zukunft werde ich also etwas mehr Zeit zum Schreiben und Lesen haben, was vielleicht auch der teils etwas vernachlässigten Homepage zugutekommt. Beim ZDF wird aber auch noch jemand gesucht, der die Interviews mit Toni Kroos führt. Mal sehen...


Zum Schluss dieses triefenden Stück Selbstbeweihräucherung möchte ich noch Danke sagen. Diejenigen, die gemeint sind, werden es wissen :D

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