Einkaufen:
Was macht uns glücklich? Doofe Frage! Geld ausgeben setzt mehr Glückshormone frei als der frühzeitige Orgasmus in bewährter Missionarsstellung. Außerdem hält man die omnipräsente und kaum zu greifende Wirtschaft mit dieser altruistischen Haltung am Kacken.
Werl bietet dem selbstlosen Konsumenten zahlreiche Möglichkeiten, sich als Retter des Marktes zu beweisen. Alle renommierten Supermärkte haben ihre Zelte hier aufgeschlagen. Mehrere ALDIs, Rewe, LIDL, Edeka, Kaufland und wie sie noch so heißen. So kann man von Schuppen zu Schuppen heizen und seinen Einkauf auf die jeweiligen Angebote verteilen, die man tags zuvor aus dem überquillenden Briefkasten gezogen hat. Wer einen dicken und möglichst alten Diesel fährt, muss zwischendurch noch tanken, was ja auch nicht verkehrt ist.
Doch neben den mit Zucker und Aromen aufgewerteten Lebensmitteln, braucht der Mensch der Gegenwart ja auch noch anderen Firlefanz. Kein Problem. Künftige Altkleider, Drogerieprodukte, veraltete Smartphones oder gar Bücher für die Füllung der Papiertonne gibt es in Werl zu erwerben.
Einrichtung:
Wenn der fleißige Malocher mal nicht am Fließband schwitzt, ruht er sich daheim aus, um seinem gütigen Arbeitgeber in voller Leistungsstärke dienen zu können. Das Zuhause, eine vermüllte Mietwohnung mit schimmligen Wänden, sollte dabei höchsten Ansprüchen genügen. In lieblosen Städten rennen die Bewohner gentrifizierter Gebiete zum schwedischen Giganten, wo es als Belohnung für Teelichter günstige Hotdogs gibt.
In Werl ticken die Uhren noch anders. Hier gibt es ein lokales Einrichtungshaus in Büderich (Turflon), welches angemessene Preise für hässliche Sperrholzkonstruktionen verlangt und in den letzten Jahren immer weitergewachsen ist. In der City gibt es gar Designerinterieur (Manufaktur Münsch), welches Ottonormalkötte in Raten auf 80 Jahre abbezahlen kann.
Andere Unternehmen haben ihre Ausstellungsräume bereits vor Jahren überfallartig verlassen. Teils wurden die Ruinen vor kurzem wieder mit Leben bzw. käuflichen Brocken gefüllt.
Erbsälzer:
Im düsteren Mittelalter, als es weder lieferando noch günstige Kühlschränke gab, hielt man seine Lebensmittel u.a. haltbar, indem man sie großzügig mit Salz, dem weißen Gold pökelte. Werl produzierte Unmengen des kostbaren Guts. Das sogenannte „Siederecht“ war den Erbsälzern vorbehalten, einer Art Adel, dessen Nachkommen teils noch im Umkreis residieren.
Inzwischen ist Salz ein Allerweltsprodukt. Dennoch erinnern Feste, Besäufnisse, Straßennamen und vieles mehr an die Zeit, in der Wohlstand durch Salz gewonnen wurde.
Enten:
Diese niederträchtigen Wesen haben ihre Bandenzentrale im Kurpark eingerichtet. Hier überfallen sie wehrlose Rentner und klauen deren Hauptnahrungsquelle-trockenes Brot. Vor allem aufgrund der gewalttätigen Erpel gilt der Park als gefährliches Pflaster. Spielen Sie also nicht den Helden und rücken das Brot in zerrissenen Stücken heraus, dann kann Ihnen nicht viel passieren.
Eis:
Bereits die alten Römer konsumierten Speiseeis, wenn sie nicht gerade von halbstarken Galliern vermöbelt wurden. In Deutschland haben hauptsächlich italienischstämmige Bürger das Geschäft mit den bunten Kügelchen in der Hand. In meiner ewig zurückliegenden Kindheit lebte in der Bude über uns einer dieser Magier (Calvano), der aus schnöden Zutaten gekühlte Köstlichkeiten zauberte. Danach wurden die Geschmacksrichtungen in den VW-Bulli gebracht und die Tour begann. Für überteuerte 50 Pfennig gab es eine Kugel. Das Klingeln der Karre scheuchte immer Heerscharen von Blagen auf den Bürgersteig.
Gegenüber des Leichenackers an der Soester Straße bietet Luise ihre Eisvariationen an. Außerdem gibt es in der Fußgängerzone zahlreiche Anlaufstellen, die vom Bäcker bis zum klassischen Eiscafé reichen. Einen kontrastreichen Kontrast zum VW-Bulli stellt das neu eröffnete Café Kochs dar. Wer sich nicht vor einem ansprechenden Ambiente fürchtet, kann Eis in Manufakturqualität genießen. Zum Kaffee gibt es übrigens eine Miniaturkugel obendrauf. Ein Besuch wird seitens der Redaktion dringend empfohlen. Schließlich haben unsere Mitarbeiter bereits vor Jahren in der Eismanufaktur den Grundstein für dieses Projekt gelegt.
Events:
Mal wieder ein Anglizismus… Werl an sich ist ein imposantes Event bzw. Ereignis, wenn wir mal die Übersetzung in die Sprache der dichtenden Denker wagen wollen. Allerdings gibt es derart mannigfaltige Veranstaltungen, dass unser Städtchen gar über ein eigenes Eventzentrum verfügt. Zugegeben, gleichzeitig ist es auch ein Kulturzentrum, aber der Buchstabe K ist bereits gut gefüllt, weshalb wir uns an dieser Stelle damit befassen wollen.
Das Kultur- und Eventzentrum befindet sich im historischen Gebäude des Bahnhofs. Früher warteten edel gekleidete Gestalten auf die Weiterfahrt, tranken Filterkaffee oder ergatterten sich ein frisches Mettbrötchen am Kiosk. Heute werden allerlei Vergnügungen für das Volk angeboten. Als ich noch etwas jünger war, fanden im Bahnhof vornehmlich Motto- und Abifeten statt, an die ich mich aus unerfindlichen Gründen nicht mehr allzu gut erinnern kann.
Heutzutage wird natürlich auch noch gefeiert. Partys mit Musik aus der Dose oder Live-Konzerte von aufstrebenden oder nicht mehr im Aufstreben befindlichen Bands animieren die Masse zur tanzähnlichen Bewegung ihrer schwitzigen Leiber. Hinzu kommen eher nischigere (das Wort gibt es ab jetzt) Künstler und Künstlerinnen, für die ein Auftritt in der altehrwürdigen Stadthalle aus verschiedenen Gründen eine Nummer zu groß wäre. Volle Stadien sind außerdem nicht unbedingt ein Qualitätsmerkmal.
Poetry Slams (Battle Rap ohne Beats), Lesungen, Theateraufführungen, Podiumsdiskussionen und Workshops haben ihre Heimat im Bahnhof gefunden. Daher kann ich nur empfehlen, mal auf den Besuch des Konzerts in der Westfalenhalle zu verzichten, um mal wieder einen anderen Zugang zur bevorzugten Kunstform zu erhalten. Im Zweifel kann man sich an der Theke mit Fusel Mut antrinken, wie es sich für anständige Germanen gehört.
Übrigens ist der Bahnhofsschalter in dem Vorraum untergebracht. Ja, wir haben noch die Möglichkeit, unser papiernes Ticket von einem echten Menschen zu kaufen, was in gewisser Weise schon nah an ein Event herankommt. Versucht es einfach mal!
Euler:
Wer sich mit Werl beschäftigt, kommt an Helmuth Euler nicht vorbei. Die Urkötte ist im Jahr 2020 verstorben und hat eine Lücke hinterlassen, die wohl nicht mehr geschlossen werden kann.
In seiner Lebenszeit hat er sich intensiv mit der Geschichte der Köttenstadt und Westfalens auseinandergesetzt. 11 Bücher, mehrere Filme und eine Sammlung, die ihresgleichen sucht, hat er hinterlassen. Zeitweise schien er im Stadtarchiv zu leben, wo er ständig für Projekte recherchierte. Nebenher galt er als Experte für Bildtechnik (statisch und bewegt), produzierte für den WDR und setzte sich beharrlich für den Erhalt der Altstadt ein. Seine Expertise war über die Landesgrenzen hinaus geschätzt. So besuchte ihn einst Peter Jackson (ja, der Peter Jackson), um in Eulers Archiv Informationen über die Bombardierung der Möhnetalsperre einzuholen. Allgemein sammelte er alles, was er in die filigranen Pfoten bekommen konnte.
Fakt ist, dass Euler eine Legende darstellt, dessen lebenslange Arbeit nachwirken wird. Fun Fact am Rande. Ein guter Freund von mir bezog einst die Wohnung über dem ehemaligen Fotostudio und hatte die Eulers als Vermieter. Lecko mio! Solche Vermieter wünscht man sich, freundlich, nett und mit viel Verständnis für die Bedürfnisse von jungen Erwachsenen. Erfreulich ist auch, dass die Räumlichkeiten erneut von einer kamerabewaffneten Bildkünstlerin bezogen wurden (Yvonne Notzon).
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