TEDi:
Der Mensch bzw. Konsument von heute achtet auf Qualität. Und mit Qualität meine ich den Preis. Vorbei sind die Zeiten, in denen der Kunde mit Geldbündeln herumgewedelt hat, denn Einkaufen ist mehr als nur die Befriedigung basaler Bedürfnisse. Shopping setzt Glückshormone frei, weshalb es nicht mehr das Schreibset zu Wucherpreisen sein muss. Stattdessen ersteht man die kostengünstige Variante beim Discounter des Vertrauens. Zwar brechen die Minen beim ersten Versuch, den Namen auf die eidesstattliche Versicherung zu kritzeln, aber so kann man die Freude des Konsums beim erneuten Gang durch die nach Plastik duftenden Gänge genießen.
Werl bietet dem modernen Kunden mehr als genug. Action, das niederländische Kleinpreisimperium, Woolworth und 2 TEDis zieren die Stadt. Die goldenen Tage sind vorüber, als es noch 3 Filialen gab, dennoch zeigt die Anwesenheit des vertrauenswürdigen Familienunternehmens, dass Werl am Zahn der Zeit liegt. Hier bekommt man alles, um seine verschimmelte Bude zu verschönern, hochwertig aussehende Elektronikartikel, die beim Auspacken in Flammen aufgehen und Zubehör für die Geburtstagsparty von Jason-Pikachu. Mehr Infos verbergen sich hinter dem folgenden Link. Draufklicken!!!
Toilette(n):
Wir leben im Luxus. Unsere zum Himmel stinkenden Ausscheidungen werden mit kostbarem Wasser in die Kanalisation gespült, von wo sie in Kläranlagen weitergeleitet werden. Jede Rumpelkammer von Wohnung verfügt über mindestens ein mehr oder weniger funktionstüchtiges Klo, welches wir mit Duftsteinen und hässlichen Brillenmotiven verzieren.
Was hat das jetzt mit Werl zu tun?
Nun ja, als Pilgerstätte verfügt die Köttenstadt über öffentliche Toiletten, die Schauplatz von True-Crime Stories sein könnten und wahrscheinlich auch sind. Im Kurpark befindet sich eines der Meisterwerke. Sobald man die Pforte durchschreitet, möchte man panisch fliehen. Alles schreit nach Mord und Totschlag, weshalb weitere Ausführungen an dieser Stelle nicht notwendig erscheinen und die Beweisfotos aus Gründen des Leserschutzes unter Verschluss bleiben.
Neuerdings wurde ein kostspieliges Klosett aus der Kategorie „selbstreinigend“ am Ententeich aufgestellt. Werler Traditionen folgend war es nach weniger als 2 Wochen zum ersten Mal defekt, gesperrt bzw. eingeweiht.
Am Marktplatz findet der von einer zum Bersten gefüllten Blase geplagte Pisser den Place-to-be. Die Toilette genießt einen herausragenden Ruf. Wer sich nur eben ans Pissoir stellen möchte, wird mit stöhnenden Grunzlauten aus der abgeschlossenen Scheißkabine belohnt. Die Anblicke reichen von „Das Ende naht“ bis zu „Ups, da ist wohl jemandem ein Malheur unterlaufen.“. Neben den obligatorischen Spuren von Menschenkot dient das WC allerdings auch als kleinste Kneipe der Welt und lockt regelmäßig Partyvolk in die heiligen Hallen. Wer Nervenkitzel sucht, aber keine Lust auf Bungeespringen hat, sollte sich einfach mal trauen. Mögliche Spätfolgen (posttraumatische Belastungsstörung) gibt es gratis obendrauf.
Trinken:
Trinken ist weit mehr als die notwendige Regulierung des Flüssigkeitshaushalts. Es ist Kultur, es hat Tradition, man führt körperverachtende Wettbewerbe aus, um den besten Trinker küren zu können. Wer auf einer Party nach 2 Stunden noch geradeaus gucken kann, der muss ein massives Problem haben. Dementsprechend kippen sich die in der Enklave lebenden Bürger Bayerns bereits in der Mittagspause literweise Gerstensaft in die verdorrten Kehlen. Aber auch in Restdeutschland gilt eine einfache Regel. Wer nicht mit dem Auto fahren muss, hat sich dem Delirium zumindest anzunähern. Und wer Auto fahren muss, ist eine Spaßbremse. Kneipen dienen als stationäre Tankstellen, welche ein Lebertraining in geselliger Atmosphäre ermöglicht.
Wir Werler stehen den teutonischen Traditionen natürlich in nichts nach.
Dem Werler Tropfen (eine magische Mische aus mythischen Kräutern) wird eine Wirkung nachgesagt, die sonst aus den faktenbasierten Geschichten über Asterix und Obelix über den sogenannten Zaubertrank bekannt ist. Also einfach mal zum Frühstück gönnen.
Teppiche und Tapeten:
Wir Deutschen haben schon immer den Kennerblick für Ästhetik gehabt. Besonders unseren Buden widmen wir Zeit und Aufmerksamkeit. Trittdämmende Teppiche schonen das Gehör und schmeicheln dem Auge. Die vergilbten Wände bekleben wir wiederum mit sogenannten Tapeten. Diese sind mit mutigen Mustern, seichten Kalendersprüchen oder feinstem Firlefanz bedruckt. Was soll der Irrsinn jetzt mit Werl zu tun haben, wird sich der geneigte Rezipient nun fragend denken.
Amateure bestellen ihre Wanddekoration im Netz oder strömen zum Schweden ins Bällebad. In unserer Köttenstadt gibt es ein eigenes Epizentrum für derartige Konsumbedürfnisse, denn in der Schützenstraße befindet sich ein ganzes Tapetenhaus, in dem sich der unkundige Kunde von Fachleuten beraten lassen kann, um das Produkt anschließend günstiger im Online-Shop zu bestellen.
Tattoo:
Die Welt ist durchzogen von sich verabscheuenden Konfliktparteien. Religiöse Fundamentalisten gegen die Wissenschaft. Freunde der Sprache gegen Anzeigerschreiberlinge. Werler gegen Mülltrennung. Und dann gibt es natürlich noch die Reinhäuter gegen die Tintlinge. Tätowieren ist eine handwerkliche Kunst, die ein überbreites Spektrum bietet.
Sich besoffen das Vereinswappen auf Malle über den Bizeps stümpern lassen, im Knast bei der Uhr die Zeiger vergessen oder jeden Quadratmillimeter der faltigen Haut mit kunterbunten Prachtmotiven zukleistern. In unserer Redaktion ist niemand gestochen. Das Budget wird ausschließlich für Fusel und damit einhergehende Anschaffungen ausgegeben. Dennoch halten die Mitglieder unseres Ensembles die martervolle Stecherei für eine weithin unterschätzte Kunstform.
In Werl gibt es selbstverständlich auch Möglichkeiten, sich den unförmigen Leib aufhübschen zu lassen. Hinter Gittern warten wahre Improvisationstalente mit Gerätschaften Marke Eigenbau auf böse dreinblickende Kundschaft. Wer nicht den Umweg über Straftaten gehen möchte, findet in der Fußgängerzone eine Anlaufstelle für tintige Körperkunstanhänger.
Tanzschule:
Wer seinen Hüftschwung im stilvollen Ambiente präsentieren möchte, hat in Werl beispielsweise das Kraftwerk als Anlaufstelle. Mit ausreichend Betankung wagt man sich dann auch in der trunkenen Öffentlichkeit an die waghalsigen Moves aus den modernen Blockbustern wie Dirty Dancing oder Grease. Wer sich die Standardtänze aneignen möchte, wählt heutzutage sicherlich Youtube-Videos von fein frisierten Vortänzern. Früher, als das Internet noch ein feuchter Traum amerikanischer Studenten war, besuchte man die Tanzschule.
In Werl befand sich der Laden dort, wo heute das Sozialkaufhaus der Caritas steht. Bei Kochtokrax lernte man noch, wie man sanft auf die Schochen der Partnerin tritt und dabei möglichst elegant aussah.
Trinkhalle:
Das immaterielle Weltkulturerbe des Ruhrgebiets hört auf viele Namen. Bude, Büdchen, Kiosk oder eben Trinkhalle. Die Existenz dieses Mikrokosmos hängt eng mit der Flüssigkeitsversorgung der Bevölkerung zusammen. Denn Durst hat man ja nicht nur während der eng geschnürten Öffnungszeiten von LIDL und Konsorten. Außerdem ist ein Beutel Tabak schnell in Luft aufgelöst, wenn man genug intus hat. Werl ist zwar keine Ruhrgebietsmetropole, dennoch gibt es Anlaufstellen für den kleinen Einkauf zwischendurch.
In unmittelbarer Nähe des Mariannen-Hospitals gibt es einen Kiosk, in dem man sich mit Fusel, Kippen und der finanziellen Vorsorgen in Form von Lottoscheinen eindecken kann. Innerhalb der Köttenstadt sticht allerdings der „Standard-Kiosk“ heraus. Generationen von Blagen haben hier ihre bunten Tüten individualisieren lassen. Da die Dichte des Angebotes nicht an die Großstädte heranreicht, muss man eben mehrere Wegbiere auf einmal erwerben.
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