Die Werler Fußgängerzone bietet bekanntlich Redundanzen in Hülle und Fülle. Etliche Apotheken, zahlreiche TEDis, reichlich Haarschnibbler, unzählige Handyschuppen, zig Pizzabäckereien und Koffeintankstellen laden zum Ausgeben des gesammelten Pfandgeldes ein. Tagsüber stechen dem flanierenden Kötten die Leerstände störend in die trüben Äuglein (wenngleich sich dort glücklicherweise etwas tut) und das Äußere der MitbürgerInnen trägt auch nicht zwangsläufig zur Steigerung des Wohlfühlfaktors bei. Trotz dieser Tatsachen hat Werl tatsächlich eine schicke Innenstadt. Das Pflaster ist in einem brauchbaren Zustand, schmucke Fachwerkhäuslein erzeugen malerische Idylle und auch die Bauten der Oblatenverteiler bieten einen hinreißenden Anblick. Um die Vorzüge der ums Überleben kämpfenden City ins rechte Licht zu rücken, findet einmal jährlich das sogenannte „Moonlight-Shopping“ statt (der Satz hätte exakt so auch im Anzeiger stehen können :D). Wir richten das Scheinwerferlicht auf einen der Höhepunkte im Köttenkalender.
Innenstadt- Definiere Ambivalenz
Die goldenen Zeiten des stationären Einzelhandels sind lange vorbei. Menschenmassen, die sich beim inhabergeführten Geschäft vom Fachpersonal umschmeicheln lassen und ihre Knete gegen hochpreisige Waren eintauschen sieht man heutzutage nur, wenn ein neues Produkt aus dem Hause Apple angeboten wird oder ein geliebter Räumungsverkauf ansteht. Mittlerweile hockt man beim großen Geschäft auf der Kloschüssel und bestellt fleißig bei gemeinnützigen Unternehmen, die sich für total zukunftsträchtige Reisen ins Weltall und dividendenfreundliche Arbeitsbedingungen auf dem ganzen Globus einsetzen. Die Bilder der Werler Innenstadt, an die wir melancholisch verträumt zurückdenken, wird es nicht mehr geben, weshalb man aber auch nicht verzweifeln muss. Tchibo, Tinas Toys, Kirschniak, der alte Schuh- und Hutladen und viele andere Einkaufsmöglichkeiten haben ihre Pforten für immer geschlossen und Platz für die Plastikparadiese aus dem Hause TEDi gemacht.
Dennoch ist ein Besuch der Werler Einkaufsmeile nicht nur mit dem Bestaunen unterschiedlicher ZU VERMIETEN Schilder verbunden. Das Miniatur-Einkaufszentrum Danielsmeier, der Drogeriegigant DM, mehrere Läden für zusammengenähte Textilien, die unförmige Körper verdecken, einen ganzen Schuhpark, einen der ältesten Buchhändler Westfalens, eine Tintenauffüllbude, Spezialgeschäfte für Köter, Taschen, Schmuck, Inneneinrichtung und fachgerechte Leichenentsorgung zieren das Bild ebenso, wie Möglichkeiten, sich mit Getränken und Kalorien zu versorgen. Es ist eben nicht alles schlecht, wobei viele Bürger trotzdem sehnsuchtsvoll in die Vergangenheit blicken. Das ist allerdings in etwa so zielführend wie das Drucken von Geld, um die Inflation zu bekämpfen.
In letzter Zeit hat sich etwas in der Hauptstadt der Kötten getan und wo es Veränderungen gibt, weht naturgemäß kräftiger Gegenwind. Fitnessgeräte im Kurpark, neue Spielgeräte in der Fußgängerzone, die sprudelnden Stadtquellen auf dem Marktplatz, Anreize für potentielle LadenmieterInnen und weitere Investitionen erzürnen die Bequemlichkeit des status quo. Davon sollten sich die Köpfe hinter den Maßnahmen auf keinen Fall beirren lassen, denn fast alles dürfte besser sein, als den Ist-Zustand tatenlos zu beobachten und sich in einigen Jahren über die dadurch entstandene Trostlosigkeit zu wundern.
Moonlight-Shopping
Nun haben wir uns genug über allgemeine Gegebenheiten der Werler City ausgelassen und kommen endlich zum eigentlichen Thema. Einmal im Jahr werden die Kötten nämlich zum atmosphärischen Einkaufen in die Innenstadt gelockt. Die Öffnungszeiten der Geschäfte passen sich amerikanischen Verhältnissen an und erlauben Besorgungen bis zur Geisterstunde.
Dieser Umstand allein reicht jedoch nicht aus, damit man sich öffentlichkeitstaugliche Kleidung überwirft und sich auf den Weg zum Marktplatz macht. Daher werfen die Verantwortlichen vom Wirtschaftsring gleich mehrere Köder aus, die im Zusammenspiel ihre anziehende Wirkung entfalten sollen.
Zunächst einmal sollte der namensgebende Aspekt des Lichts beleuchtet werden (HIHI Wortspiel!). Wie bereits erwähnt, ist die Werler Flaniermeile durchaus sehenswert. Wenn der gigantische Feuerball am Firmament Nachtruhe hält, wird die Innenstadt mittels schnöder Laternen erhellt, was wiederum nicht unbedingt zu einer Steigerung der Attraktivität führt. Am 27. August wird das Beleuchtungskonzept einen anderweitigen Schwerpunkt setzen, falls Wetter und Inzidenzen mitspielen. Die Laternen bleiben finster. Stattdessen werden die Gebäude mit farbenfrohen Scheinwerfern beschossen. Das ehemalige Amtsgericht wird mit lila-furz-geblümten Strahlen übergossen, die Basilika erstrahlt im bunten Regenbogen und die Apotheke am Marktplatz wird mit illuminierenden Säulen geziert. In diesem Jahr werden auch die Stadtquellen ihr Debüt geben und leuchtendes Plätschern erzeugen. Toll, ein paar Lichtspielereien und schon ist die City ansehnlicher? Klingt komisch, ist aber so. Doch das reicht selbstverständlich nicht aus, um Besucherströme fließen zu lassen.
Fressen, Saufen und Mukke
Die teilnehmenden Händler geben sich mächtig Mühe. Sonderangebote, Gewinnspiele und ähnliche Aktionen sollen die Besonderheit des mitternächtlichen Einkaufens hervorheben. Doch nicht nur die Einzelhändler werfen sich in Schale, denn ohne das berühmt berüchtigte leibliche Wohl gewinnt man keinen Blumentopf.
Einkaufen macht hungrig, weshalb es einige Anlaufstellen zur Besänftigung des knurrenden Magens gibt. Statt nach Hundekot, zerrissenen gelben Säcken und abgestandenem Schweiß, duftet es in der Stadt nun nach allerlei Leckereien. Bratwurst wird auf dem Grill behutsam gebräunt, Nudeln dargereicht und Pizza in mundgerechte Stückchen gesäbelt. Wenn der Wanst dann anständig gefüllt ist, verfügt man über genügend Energie, um den Weg zum Bierwagen zu bewältigen. Dort versorgt man sich mit umdrehungsreichen Getränken und bringt sich somit in Stimmung für den weiteren Verlauf des Events.
Wer in Deutschland volksfestähnliche Atmosphäre verbreiten möchte, muss schließlich nicht nur die Befriedigung der Grundbedürfnisse (Fett und Alkohol) beachten, sondern auch für die musikalische Untermalung des Gesamtkunstwerks sorgen. Jedes noch so mickrige Schützenfest knallt dem feierwütigen Gast Live-Musik um die Löffel. Auch beim Mondlicht-Einkaufen wird dementsprechend die Beschallung der beleuchteten City gewährleistet. Das hampelnde Gezappel der berauschten Masse mag nicht immer ein Augenschmaus sein, aber als Kötte hat man da ein dickes Fell und passt sich der rhythmischen Bewegungsunfähigkeit an.
Licht oder Schatten? (HIHI)
Zum Abschluss dieses Berichts müssen wir nun die alles entscheidende Frage beantworten und orientieren uns dabei stilistisch an unseren Vorbildern. Ist das Moonlight-Shopping ein leuchtendes Beispiel für erhellendes Marketing? Führt die Szenerie unter dem nächtlichen Himmel zu funkelnden Augen? Oder steht es trotz des effektvollen Einsatzes von Lasern und Scheinwerfern unter einem trüben Stern voll düsterer Finsternis?
Zweifellos ist das Moonlight-Shopping ein gleißender Farbtupfer im köttigen Jahreskalender. Wer genug Sternentaler im Geldsack hat, kann diesen erleichtern und sich den irdischen Genüssen des Kaufens, Fressens und Saufens hingeben. Wer die Moneten nicht so locker sitzen hat, kann die stimmungsvoll inszenierte Stadt in Augenschein nehmen und mal wieder zu Live-Musik das eingerostete Tanzbein schwingen, während die Dose Faxe-Pils die trockene Kehle befeuchtet.
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