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Insolvenz

  • Autorenbild: Werler Kötte
    Werler Kötte
  • 14. Okt.
  • 5 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 16. Okt.

Edit: Dieser Text enthält Abschnitte, in denen der Autor seine Meinung kundtut. Diese Abschnitte haben wenig mit dem eigentlichen Inhalt zu tun und sind Ausdruck der unstrukturierten "Arbeitsweise" des Schreiberlings. Seien Sie nachsichtig.


In der letzten Zeit kommt der Konsum von Nachrichten einem Akt der Selbstgeißelung recht nahe. Ich möchte gar nicht zu sehr ins Detail gehen, aber unsere Redaktion trinkt sich angesichts des weltweiten Erstarkens faschistischer und antidemokratischer Umtriebe täglich an den Rand der Alkoholvergiftung. In Deutschland wird wiederum angesichts der Herausforderungen nach dem Motto „Fortschritt durch Rückschritt“ verfahren, wenn nicht gerade gegen Minderheiten und Arme gehetzt wird. Da möchte man sich wenigstens mit dem Blick auf die Köttenstadt ein wenig positive Ablenkung verschaffen, doch auch die lokalen Nachrichten tragen momentan nicht unbedingt zu einer Verbesserung der Gemütslage bei.

 

1843 eröffnet und bald möglicherweise für immer geschlossen...
1843 eröffnet und bald möglicherweise für immer geschlossen...

Von Brötchen und Büchern

 

Wir haben den Anzeiger leider nicht mehr abonniert, obwohl uns die feinen Wortspiele immer erheitert haben. Dennoch wurden wir von eifrigen Leser*innen (jaja, sperrt mich ein) darauf hingewiesen, was kürzlich so berichtet wurde. Bei der Bäckerei Humpert ist der Ofen aus (welche anzeigereskes Wortspiel). Die Filialen in der Fußgängerzone und Bahnhofsstraße haben ihre Pforten bereits geschlossen. Also müssen sich die Pferdemarktbesucher eine andere Anlaufstelle für die morgendliche Stärkung suchen. Ein Umstand, den ich mir kaum vorstellen mag. Vielleicht hilft ne Pulle „Werler Tropfen“ dabei.


Im vergangenen Monat hat der Hellweg-Baumarkt nach schier endlos andauerndem Schlussverkauf dichtgemacht. Die nun leerstehenden Verkaufsräume böten Platz für unzählige Handyshops, einen TEDi-Megastore und eine Rennstrecke für Traktoren. Sogar die Samenhandlung Rintsche ist inzwischen in die ewigen Jagdgründe traditionsreicher Händler eingegangen.

Willkommen im Leerstand
Willkommen im Leerstand

Als sei das nicht genug, kam eine neuerliche Schreckensmeldung rein, wonach die Steinsche Insolvenz angemeldet hat. Fuck. Ich möchte nicht zu pathetisch klingen, aber diese Nachricht hat mich schon getroffen. Warum ist das so? Es ist doch nur eine schnöde Buchhandlung und wir leben nun einmal im Jahr 2025.


Wer braucht eine Buchhandlung, wenn es Thalia, Amazon und für die Lesefaulen TikTok und Astro TV gibt? Wer braucht eine Samenhandlung, wenn man sich Kies in den Garten kippen kann? Warum sollte man sich in einem Baumarkt verirren, wenn es doch Action und TEDi in fußläufiger Distanz gibt? Wozu beim Bäcker „das da oben links in der unteren Mitte“ bestellen, wenn beim Discounter billige Aufbackwaren auf den heimischen Backofen warten?

 

Ofen aus...
Ofen aus...

Tradition

 

Tradition gehört eigentlich nicht zu den Wörtern, die mich sonderlich berühren. Im Gegenteil; viele Dinge, die als Tradition tituliert und deren Wahrung selbstreferentiell damit begründet werden, muten für mich grotesk an. Frei nach dem Motto, das haben wir immer schon so gemacht, demnach ändern wir nix daran, auch wenn es keine Argumente dafür geben sollte. Das Gebaren der Büdericher Schützen ist für mich so ein Beispiel, bei dem Tradition zu einem ausgeprägten Gefühl der Fremdscham mutiert. Doch wollen wir uns nicht zu sehr mit Nebenkriegsschauplätzen befassen.


Bei der Steinschen sieht es aber anders aus. Ihre Geschichte reicht zurück bis ins Jahr 1713, als Philipp Stein (Sohn eines Würzburger Buchbinders) nach Werl zog. Seine Nachfahren Raymund und Anton Stein eröffnen die Buchhandlung 1843. Das mag nach einer schnöden Zahl klingen, doch damit ist die Steinsche die zweitälteste (noch geöffnete) Buchhandlung Westfalens. Ich wünsche mir, dass sie beizeiten den Status der ältesten erhält, allerdings sind meine Wünsche (wie auch in anderen Bereichen) unbedeutend.


Wer mehr über die Werler Buchhandlung erfahren möchte, kann gerne den nachfolgenden Link bemühen, denn ich habe mich in der Vergangenheit bereits mit dem Schuppen auseinandergesetzt.


 

Kauft da ein!

 

Wenn ich in Werl unterwegs bin, höre ich immer wieder ähnliche Satzfetzen. Nix los hier, alle guten Läden schließen, Leerstand, nicht noch ein Friseur, wie wäre es mit einem Handyladen, wer hat den Müll hier neben die Tonne geworfen?! Meckern liegt uns Teutonen eben im Blut und insbesondere Werler Kötten jammern immerzu. Und nein, es ist nicht nur der böse Onlinehandel, der für den Zerfall einstiger Flaniermeilen verantwortlich ist. Zu einem nicht unerheblichen Teil müssen wir uns selbst den Stiefel anziehen.

Immer einen Besuch wert
Immer einen Besuch wert

Wir können uns ausgiebig über den Zustand unserer Fußgängerzone beklagen. Doch sollten wir das vorhandene Angebot auch entsprechend annehmen, wenn wir nicht die nächsten Ausverkäufe bestaunen möchten. Wer es sich leisten kann, darf sich den vorhersehbaren Krimi in der lokalen Buchhandlung besorgen. Hässliche Textilien und drückende Schuhe gibt es nicht nur im Internet, sondern sogar in Werl. Ihr braucht Deko, um die schimmelige Bude etwas ansehnlicher aussehen zu lassen? Auch damit kann der Werler Einzelhandel dienen. Selbst Elektrogeräte gibt es zu erwerben, wobei man die natürlich ebenso bei Amazon oder Temu ordern könnte. Falls die Temu-Teile durch den Zoll kommen, kann man beizeiten die Funktionstüchtigkeit der Rauchmelder erproben, denn sicherheitstechnisch bewegen sich die Brocken in einem Bereich, der selbst unsere unterirdischen Ansprüche spielend unterschreitet.

Köttiges Kino- Geile Idee
Köttiges Kino- Geile Idee

Quo vadis, Flaniermeile?

 

Japp, Fußgängerzonen in ihrer glorifizierten Erscheinungsform der guten alten Zeit gibt es nicht mehr. Das Leben hat sich verändert, die Art des Konsums hat sich verändert und das Wehklagen und Beschweren wird die Uhren nicht zurückdrehen. Ich möchte jetzt nicht über die verschiedenen Maßnahmen urteilen (einige finde ich gut, andere halt nicht), aber grundsätzlich sollten sich die lieben Menschen hinterfragen, die permanent meckern. Treibt euch bitte mehr in der City herum. Füllt das Herz der Stadt mit Leben, pöbelt fremde Leute an, lästert mit Nachbarn über andere Nachbarn, bestreitet die Mutprobe aller Mutproben und geht in die öffentlichen Toilette, gebt euer Geld dort aus, wo ihr den Kram auch fluchend und mit den Armen fuchtelnd wieder reklamieren könnt.


Ein Zurück gibt es nicht mehr und nein, früher war nicht alles besser. Wie gesagt bzw. geschrieben, finde ich nicht alle Ideen und Maßnahmen sinnvoll oder zielführend, aber das spielt auch keine Rolle. Ein paar neue Pflastersteine und eine Modernisierung der Flächen ist sicher nicht verkehrt, löst aber nicht die grundlegenden Probleme. Was mir wiederum gefällt, sind "neue" Wege oder neue Interpretationen bewährter Ansätze. Ich bin ein Freund guter Gastronomie und es gibt in Werl einige Anlaufstellen, die einen Besuch wert sind. Ich könnte jetzt alle aufzählen, doch das würde den Rahmen sprengen. Bei den Devils kann man nicht nur Kaffee saufen, sondern sich auch Tinte unter die Haut stechen lassen. Das Käse-Eck ist immer einen Besuch wert und in seiner Form einzigartig. In den ehemaligen Räumlichkeiten der Werler Legende Helmuth Euler entsteht ebenfalls eine Besonderheit. Tobias Gebhardt, der ausgewiesene Werl-Experte, richtet dort nämlich ein kleines Filmtheater ein. Viele Aktionen, kleine, teils nischige Läden und Veranstaltungen werden uns geboten. Meckern macht zwar Spaß, dennoch sollten wir das Angebot und die Menschen dahinter mal wieder mehr wertschätzen.



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