Pommesbuden
- Werler Kötte

- 18. Okt.
- 6 Min. Lesezeit
Heute möchten wir uns mal wieder in den DeLorean setzen und eine kleine Reise in jene Zeit antreten, in der das Haupthaar noch ohne grauen Schimmer daherkam. Dieses Mal geht es im weitesten Sinne um gesunde Ernährung, die bekanntlich das Fundament unseres Daseins darstellt. Wer mich kennt, weiß, dass ich mich schon immer sehr ausgewogen ernährt und dabei einer goldenen Regel Beachtung geschenkt habe. Ist es frittiert, ist es gesund.
Deftige Delikatessen
Der Mensch muss gelegentlich Lebensmittel zu sich nehmen, denn sie sind Mittel zum Leben. Ohne Batterien funktioniert der Vibrator schließlich auch nicht, es sei denn, er verfügt über einen aufladbaren Akku. Ich denke, der Grundgedanke dürfte herübergekommen sein. Ohne Mampf kein Kampf!
Nun gibt es zahlreiche Möglichkeiten, sich mit den notwendigen Notwendigkeiten zu versorgen. Man kann sich einen Shake mixen und ihn würgend hinunterwürgen oder das weiße Hemd beim Italiener mit Tomatensauce versauen. Des Deutschen liebster Ort kulinarischer Köstlichkeiten ist allerdings der Imbiss. Hier kennt man sich, hier gibt es fettige Fressalien für nen kleinen Taler, hier ist die Welt noch in Ordnung. Eine spezielle Form des Imbisses stellt die sogenannte Pommesbude dar. Nein, Frittenbuden gibt es nur in Belgien. (Anmerkung d. Red.)

Vorweg
Eine Pommesbude dient vielerlei Zwecken und die Versorgung mit köstlichen Kalorien ist dabei lediglich nebensächlich. Es gibt sie in allen erdenklichen Größen und mit höchst unterschiedlichen Konzepten. Wir möchten uns jedoch mit den klassischen Varianten befassen, in denen keine aufgestylten Kochkünstler mit schwarzen Handschuhen geraspelte Trüffelstreusel auf Süßkartoffelstäbchen streuen.
Beispielhaft eine kurze Annäherung an eine „klassische“ Variante der Pommesbude. Was macht sie aus? Welche Komponenten sind zwingend erforderlich, um in dieser Kategorie zu landen?
Eine richtig echte Pommesbude riecht man, bevor sie zu erspähen ist. Der unvergleichliche Duft der dauerhaft im Einsatz befindlichen Fritteuse wabert durch die Straßenzüge und ermöglicht ein barrierefreies Auffinden der Lokalität. Nein, es ist nicht der Geruch ranzigen Fettes, sondern eine unbeschreibliche Mischung aus Liebe und Geschmack, die sich ihren Weg in die Popelnasen bahnt.
Äußerlich ist so ein Schuppen unscheinbar. Ein schlichtes Schild weist auf das Innere hin. Inges Imbiss, Pommes Schranke, Ernas Frittentempel. Hier sind keine überbezahlten Marketingmenschen am Werk, die mit Metaebenen arbeiten und lächerliche Logos erstellen. Das Angebot spricht nämlich für sich selbst.

Im Inneren befindet sich eine Theke, hinter welcher die Magie stattfindet. Für mich muss eine Dame den Laden schmeißen. Wahrscheinlich, weil ich immer noch in alten Rollenmodellen denke und eigentlich in eine Höhle gehöre, aber das ist ein anderes Thema. In der Theke befinden sich (je nach Ausrichtung) verschiedene Saucen in praktischen Eimern, Salate und weitere Lebensmittel, die auf der Grillfläche oder in der Fritteuse veredelt werden. Die Speisekarte ist eine überdimensionierte Tafel an der Wand, auf der in lesefreundlichen Lettern das Angebot zu entdecken ist. Manche Lokalität nutzt händisch angebrachte Buchstaben, um die unterschiedlichen Gerichte samt Preis kenntlich zu machen. Einige Schilder sind vom Frittierdampf gezeichnet, werden aber erst ausgetauscht, wenn die einzelnen Posten nicht mehr zu erkennen sind.
In der Bude spricht man eine auf Effizienz getrimmte Sprache. Die Inhaberin kennt ihre Pappenheimer und begrüßt sie entsprechend. „Tach Kalle! Hatteste Spätschicht? Siehst nämlich kacke aus. Wie immer?!“ „Moin Winfried. Wie viele Frikadellen brauchste? Heute Außenputz?! Dann nimm ma lieber 2 mehr mit.“ Kunden, denen bereits Speichel herabtropft, geben ihre Bestellung ebenfalls in codierter Form auf. „Hallo Erna! Einmal Manta, zweimal Spezial und ne Curry.“ Während die mit Kittel oder Schürze uniformierte Spitzenköchin in ihrem Bereich umhereilt, rüttelt, wendet, schüttet und portioniert, tauscht man sich über lokalen Klatsch und Tratsch aus. In Windeseile werden Pommesberge in Schalen gekippt, nachdem sie bis zur Perfektion mit Salz gesalzen wurden. Entweder wird das glückshormontreibende Mahl direkt vor Ort vertilgt oder am heimischen Fliesentisch zu sich genommen, während auf der Mattscheibe Kommissar Rex oder das Familienduell läuft.

Kindheit und so
Wir Menschen gucken oft mit einem dezent glorifizierten Blick auf die Kindheit. Viele Erwachsene möchten sich die Glücksgefühle aus den frühen Lebensjahren zurückholen. Man kauft sich Spielzeug, Klamotten oder auch Möbelstücke, die an die Unbeschwertheit erinnern.
Der Gaumen spielt auch eine besondere Rolle; jedenfalls für mich. So lösen bestimmte Süßigkeiten, Gerichte oder Lokalitäten automatisch Kaskaden des Frohsinns aus. Ich habe meine Kindheit und Jugend in Werl verlebt, weshalb es da auch typische Szenen gibt, die mal mehr, mal weniger gut auf der Festplatte abgespeichert sind. Da mein Vater Belgier war, ist mein Organismus im besonderen Maße auf die Verarbeitung frittierter Speisen ausgelegt.
Als Jaust des Werler Nordens war der Panning Grill eine unserer Anlaufstellen für die Versorgung mit essenziellen Vitaminen. Zur Zeit, als Mama noch ohne Führerschein unterwegs war, fuhr sie mit dem Rad, um die Bestellungen für die Familie abzuholen. Nachdem auch ich sicher radeln konnte, durfte ich ebenfalls gelegentlich den Lieferboten spielen. Für Lieferando hat es karrieretechnisch dennoch nicht gelangt. Ich bin zu faul zum Recherchieren, aber es waren meist 2 Kerle hinter der Theke und einer hatte ein Hörgerät. Im Hintergrund rotierten Hähnchen und die Fritteuse dampfte eifrig vor sich hin. Erna (Omma) gönnte sich immer Frikandellen (ja, das ist der korrekte, aber merkwürdige Plural), während ich bevorzugt zur klassischen Mantaplatte griff.

Fritten-Inge besitzt im Werler Mythengefüge einen Legendenstatus. Meine persönlichen Erinnerungen sind leider recht schwammig. Gegenüber von DM war ihr Reich. Ab und zu gab es dort direkt vor Ort eine Portion Pommes. Das Einzige, was mir wirklich in Erinnerung geblieben ist, war das unfassbar gute „Frittensalz“. Es war köstlich, perfekt und rundete das wohl beste Lebensmittel aller Zeiten ideal ab. Ein netter Kerl hat mir per Instagram eine kurze Nachricht zum Thema „Fritten-Inge“ geschickt, die ich hier (minimal angepasst) einfach hineinkopiert habe.
Alsooo...leider ist mir der Name dieser alten Kaschemme, in der Inge ihre Gäste durch den Fliegenvorhang begrüßte entfallen. Für alle war es einfach Fritten-Inge.
Wenn sie nicht bereits schwer an der Fritteuse schuftete, stand sie gern im Hinterzimmer und legte direkt ihre Zigarette in den Aschenbecher, um mit ihrer rauen Stimme „Hallo“ zu sagen, während sie sich nach der nächsten Bestellung sehnte...Ihre süße Zahnlücke lenkte stets davon ab, dass das Haar von der Arbeit verschwitzt und angefettet war, ihre Hüften manövrierte sie stets schnell durch ihr Reich...Inge war stets ein absolut lieber Mensch, wie man ihn sich heute tatsächlich wünschen würde...Inge war cool und Kult!!!
An der Leuchttafel, die sicherlich extra in einem dezenten Gelb gehalten wurde, prankten die Speisen und Spezialitäten. Doch man wusste um was es geht, wenn man die heilige, fettige Halle betrat...DER CHIPBURGER !!!* Wenn das Kleingeld reichte gab's sogar noch ne Cola aus einer Glasflasche...für 2,40 DM war das Menü der Götter perfekt...serviert durch Inge!! 🤤
*Der Chipburger ist die Pommestasche der Teutonen. Pommes im Burgerbun. Yammyamm
Honorable mentions
Ich habe in einer Facebookgruppe nach Anekdoten und alten Pommesbuden gefragt. Es gab unzählige Rückmeldungen; leider keine ausufernden Textbeiträge, weshalb ich hier einfach mal einige Namen erwähnen möchte, die vielleicht dem einen oder der anderen bekannt sein dürften. Vielleicht läuft der Speichelfluss beim Lesen bereits auf Hochtouren.
Der Chipburger von Inge wurde mehrfach angesprochen. Allerdings gab es den legendären Burger wohl als aller allererstes im Steiner Grill. Die Idee stammt wohl ursprünglich aus Schottland. Zumindest hat David, ein Schotte das behauptet und das gute Stück eigenhändig auf die Karte gepinselt. Auch Imbiss Petry/Fritten Mia bei Lütke war vielen in Erinnerung geblieben. Dort gab es wohl englische Burger, die sich im kulinarischen Gedächtnis eingebrannt haben. Bei Tino an der Rustigestraße wurde sich gestärkt, bevor es ins Bierdorf ging. Im Langenwiedenweg (mein Grundschullehrer meinte, dass der ganz ganz früher „Langenwiesenweg“ geheißen haben soll) gab es bei Willy und Ommi Müller kleine Hamburger für 1,90DM. Rogusch hatte einen Pommeswagen an den Kasernen. Jaja, die gute alte NATO-Zeit, ohne die es mich nicht geben würde :D. Der Sunshine Grill dürfte auch vielen ein Begriff sein.
Nadas Grill in der Hedwig Dransfeld Straße, Utes Grillstube in der Mellinstraße, bei Baffa wurde ebenfalls fleißig frittiert. Hubertus Grill, Brigittes Knusperhäuschen an der Neheimer Straße (geiler Name!). Honka und Marlies Snackbar haben auch ihre Spuren hinterlassen. Schneiders Bude an der Soester Straße war eine Allzweckwaffe. Es war eine Mischung aus Kiosk, Imbiss und Treffpunkt für viele Malocher. Oppa hat sich da immer mit Zigarren eingedeckt und andere gönnten sich dort Herztröpfchen (Cola mit „Pöff“). Last but not least sei noch Carola erwähnt. Sie wurde als "Frittenkönigin" bezeichnet und schaufelte zunächst im Hahnenteller an der Stadthalle und später auch im Sunshine Grill Pommesberge in Schalen.
Wenn man das so liest, könnte man meinen, es hätte mehr Pommesbuden als Menschen in Werl gegeben. Pommes machen das Leben besser, also gönnt euch!




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