Autos brauchen Diesel, Superzeugs oder ne funktionierende Ladestation. Der menschliche Körper hingegen ist da etwas anspruchsvoller oder anspruchsloser, je nachdem, wie man es betrachten möchte. Der Fitnessfritze rührt sich aromatisierte Pülverchen an und tunkt klebrige Proteinriegel in die Pampe. Der Banker quetscht sich einen Salat mit trockener Hähnchenbrust zwischen die Kauleisten, um weiterhin in den alten Anzug vom Abiball zu passen. Die Kegeltruppe vertilgt eine Fuhre Schnitzel. Der Suffkopp schiebt sich einen Döner in die bleiche Visage, die Dank der Saucen anschließend ein paar Farbtupfer erhält. Doch was eint die torkelnden Teutonen? Gibt es eine Anlaufstelle, an der jede und jeder sein kulinarisches Glück finden kann? Natürlich! Ne, nicht Mecces, einfach die Überschrift (gaaanz oben) lesen.
Hunger?
Eines haben wir alle gemeinsam. Ja okay, es gibt noch mehrere Gemeinsamkeiten, aber ab und zu müssen wir alle was futtern. Das Schweizer Taschenmesser stellt dabei die sogenannte Frittenbude (von Tölpeln auch Pommesbude genannt) dar, die eigentlich zum immateriellen Weltkulturerbe gehören müsste.
Die Frittenbude ist ein magischer Ort, den es in vielen außerordentlichen Ausprägungen gibt. Ein klassischer Wagen (NEIN, hier trägt niemand schwarze Einmalhandschuhe und träufelt Trüffelcreme auf geschredderte Currywurst), in dessen beengten Verhältnissen eine großmütterliche Dame mit fleckiger Schürze tonnenweise Leckereien frittiert, brät und auf Pappschalen schmeißt. Beim Betätigen des Mayonnaise-Eimers wird der einst weiße Ärmel des Baumwollshirts bis zum Zerreißen vom gigantischen Bizeps gespannt. Amateure stemmen Gewichte, Profis pumpen Mayo.
Dann gibt es noch die Deluxevariante. Ein Imbiss, dessen Fensterläden nicht geputzt werden müssen, weil die Frittierdämpfe allen Staub beseitigen, der sich festzusetzen wagt. Hinter der gläsernen Theke befinden sich Frikadellen, Pötte mit Saucen und dekorativer, aber nicht für den Verzehr gedachter Salat. An der Wand hinter den Hochleistungsfritteusen ist eine Preistafel angebracht, deren Lack von den köstlichen Schwaden allmählich abgeblättert ist. Die Preisanpassungen werden mit Klebestreifen und Eddingstift vorgenommen und die Rechtschreibreform genauso ignoriert, wie das Herrichten gewöhnlicher Portionen. Die üppigen Schalen werden bis zum Zerbersten gefüllt, die Fritten in Wellen von Mayonnaise gebadet. Wer hier isst, wird den Kalorienbedarf einer Woche vertilgen.
Der Klassiker in Werl
Sind wir jetzt zu einem der zahllosen Gastronomieblogs verkommen? Klares Jein. Über die adäquate Zubereitung von Frittierfraß könnten wir ausufernd schwadronieren, doch wollen wir das Wichtige nicht aus dem Blick verlieren. Werl. Genauer gesagt befinden wir uns heute in der Fußgängerzone, wo sich der Gleichmacher unter den kulinarischen Köstlichkeiten befindet. Neben Rustika steht ein Verschlag, der in köttiger Tradition nicht unbedingt ein optischer Leckerbissen ist, hinter der fadenscheinigen Fassade aber mit Einzigartigkeit auf den hungrigen Kunden wartet.
Seit ich ein kleines Köttenkind mit Vorliebe für frittierte (veredelte) Lebensmittel war, gibt es die Frittenbude. Wer weiß, vielleicht haben sich bereits die Schaulustigen mit Bratwurst versorgt, bevor es zu den eventartigen Hexenverbrennungen ging. Das mag zu bezweifeln sein, aber heutzutage darf man ja mit Fakten etwas ungezwungener umgehen.
Hier ist jeder willkommen
Wenn man sich einen Tag vor Woolworth auf den Allerwertesten setzen würde, um die Kundschaft zu beobachten, wäre der Querschnitt durch die Werler Einwohnerschaft das zu bestaunende Ergebnis. Wer keine Fritten mag, hat seinen Platz im ewigen Fegefeuer der Verdammnis sicher. Oder verfügt halt über verfluchte, untaugliche Geschmacksknospen. Hier dinieren richtige Malocher, Sesselpupser, Verwaltungsangestellte, Verkäuferinnen, Ärzte, Wohnungslose und Leute, die sich mal eben was für den Weg zum Kaufland in den Wanst kloppen wollen.
Was gibt es denn hinter dem unscheinbaren Verschlag? Das Angebot ist branchenüblich, wobei der unique selling point (Höhle der Löwen-Kenner wissen Bescheid) der Holzkohlegrill ist, auf dem die geschredderte und im zarten Darm gequetschte Fleischmasse bis zur Perfektion gewendet wird. Daneben gibt es die Sättigungsbeilage der Götter, Fritten. Inzwischen wurde das Sortiment angepasst und für die quengeligen Blagen gibt es auch Nuggets. Zum Runterspülen genehmigt man sich dann ne Ladung Zuckerwasser und schon ist man wieder gewappnet für die Widrigkeiten des Werler Alltags.
Fritten gibt es doch überall
Zunächst einmal gibt es Fritten eigentlich nirgends so richtig. Wenn man mal von den Buden in Belgien absieht. Daher finde ich die Bezeichnung Pommes schon passend, wenn man die Erzeugnisse aus deutschen Imbissen kategorisieren möchte. Allerdings geht es beim Schaufeln aus der Pappschale nicht nur um Geschmack.
Wer in Werl mit dem kleinen Hunger in den blutdürstenden Ring steigt, wird einiges gewohnt sein. Berliner Schnauze ist im Vergleich zum Köttensprech reinster Kindergarten.
Der kleine Stand neben der altehrwürdigen Pizzeria bietet jedoch mehr als fettiges Zeugs. Die zangenschwingende Dame hinter dem Tresen ist der sprichwörtliche Sonnenschein im trüben Treiben, denn die von ihr an den Tag gelegte Freundlichkeit mutet beinahe befremdlich an. Ein ehrliches Lächeln, von dem sich schmierige Gebrauchtwagenhändler mal ein paar dicke Scheiben abschneiden sollten. Smalltalk, der nicht nur das gerade wahrnehmbare Wetter thematisiert. Und ein Interesse an ihren zu verköstigenden Kunden, das über die korrekte Bearbeitung der Bestellung hinausgeht. Sie kennt ihre Pappenheimer.
Jeder kennt die Bratwurstschnibbelmaschinen, die ratternd mundgerechte Scheiben aus dem deutschen Kulturgut zaubern. Hier wird aus Gründen auf das Betätigen des magischen Apparats verzichtet. Denn der hungrige Teutone hat Ansprüche. Der Bauarbeiter möchte auf faustgroßen Stücken herumkauen, wohingegen die Frau Vom Schuhladen vielleicht dünne, filigran anmutende Scheiben bevorzugt. So bekommt jeder seine Extrawurst. HÖHÖ.
Einmal wurde ich Zeuge, wie die Frittierkorbschüttlerin einem Kunden sogar ein Nackensteak überreichte, obwohl dies gar nicht auf der Karte steht! Der Herr saß im Rollstuhl und erzählte einige Anekdoten aus vergangenen Zeiten, während ich auf meine Pommes wartete. Die vergleichsweise exquisite Mahlzeit wurde ihm in kleingeschnittenem Zustand an den mobilen Sitzplatz geliefert.
Ansonsten kann man es sich bei passendem Wetter zum Schnabulieren auf der Bierzeltgarnitur bequem machen oder am Stehtisch essen, was besser für den Rücken ist. Ich persönlich halte es traditionell, denn bereits als jugendlicher, mit üppigem Haupthaar versehener Werler nahm ich Döner, Pommes, Pizza und Konsorten auf den Treppen der Basilika zu mir. Quasi ein Logenplatz, um die dahinflanierenden Einwohner bei ihren täglichen Abenteuern zu beobachten.
Fazit? Hin da!
Pommesbuden sind die Kneipen der Hungrigen. Hier erfährt man alles, was nicht im wortspielverseuchten Anzeiger gedruckt wird, hier trifft man sich, hier versorgt man seinen Tempel von Körper mit lebensnotwendigen Fetten und bewegt sich an der frischen Luft. Also, worauf wartet ihr noch? Weg vom Handy oder Laptop und gönnt euch mal was.
Ich bin aber der Meinung das die Wurst vor Jahren besser war. Aber auch das wird sicher jeder anders sehen. Egal werden viele meinen, es kommt ja Currysosse drüber.😀