Ein handelsüblicher Tag im Werler Norden bestand selbstverständlich nicht nur aus der angeblich wichtigsten Mahlzeit des Tages, sondern hielt weitere Möglichkeiten des feinen Dinierens bereit. Ich schildere mal eine typische Situation, die sich an etlichen Nachmittagen so ereignete.
Nach der Schule zögerte ich die Erledigung der lästigen Hausaufgaben üblicherweise ein wenig heraus und verdingte mich stattdessen mit bewegungsintensiven Aktivitäten mit den anderen Köttenkindern. Beispielsweise fuhr ich mit dem umweltschonenden Tretroller zum Schulhof des Mariengymnasiums, wo ich auf der ebenen Schönheit der asphaltierten Fläche pöhlte. Irgendwann hatte man genug geschwitzt, ausreichend Dellen, Beulen oder blaue Flecken abbekommen, sodass man sich wieder auf den Heimweg machte.
Nachdem ich das frisch gewienerte Treppenhaus überwunden hatte, empfing mich Erna bereits mit sorgenvoller Miene. Ich konnte mich zwar an ihr vorbeischlängeln, doch fragte sie mich nach meinen Wünschen, das leibliche Wohl betreffend. <<Purk, hast du Hunger?>> Ich zuckte mit den Schultern, eigentlich befand sich das Löschen des Durstes weiter oben auf der Prioritätenliste, weshalb ich mir erstmal ein kaltes Glas koffeiniertes Zuckerwasser einschüttete und leerzog. Das stellte Erna wiederum nicht zufrieden. Sie stemmte die massigen Arme an die Hüften. <<Ich kann dir Bockwurst heißmachen und ein bisschen Toast dazu.>> Das Mahl beinhaltete alle notwendigen Komponenten, die für eine ausgewogene Ernährung notwendig erschienen. Dennoch schüttelte ich das mit Haarspray betonierte Haupt. Damit gab sich die Patin der Siedlung naturgemäß nicht ab. <<Wir haben auch noch Bratwurst. Oder Oppa schneidet dir ein bisschen Schinken.>> Wer aufmerksam auf Formulierungen achtet, merkt, dass Erna keine Fragen stellt. Dennoch blieb ich beim Nein. <<Ist gut Erna, ich hau mir nachher ein paar Chips rein oder so.>> Erna gab sich nicht geschlagen, schließlich war der Tiefkühler prall gefüllt.
<<Die kannste später auch noch essen. Erstmal was Vernünftiges.>> Die Definition von vernünftigen Lebensmitteln ist freilich von etlichen Faktoren abhängig. Entscheidende Kriterien, um in der Kategorie „vernünftig“ zu landen waren u.a.: Macht es satt? Ist auch ausreichend Fett enthalten? Um das Prädikat „herausragend“ zu erreichen, war noch ein anderer Umstand zu beachten, denn Erna nun ins Spiel brachte, denn sie kannte mich. <<Wir haben auch noch Frikandeln. Ich kann dir noch ein paar Fritten dazu machen.>> Der Haken befand sich jetzt nicht nur in meinem Maul, ich hatte das gesamte Teil heruntergeschluckt. <<Wenn du unbedingt was machen möchtest, hätte ich nichts gegen Fritten und Frikandeln einzuwenden.>>, antwortete ich gütig. Was man nicht alles für das Wohlbefinden seiner Omma tat…
Die Doppelfritteuse, welche jedem Profi-Imbiss gut zu Gesicht gestanden hätte, wurde durch das Drehen der Knöpfe auf Arbeitstemperatur gebracht. Die Fritteuse kam aber nicht nur zum Einsatz, um mich mit essenziellen Mineralstoffen zu versorgen. Als ich in der Oberstufe in den Genuss sogenannter „Freistunden“ kam, verwöhnten mich Omma und Mamma regelmäßig mit Nervennahrung. Am liebsten war mir die Zeit, in der ich zur 11ten und 12ten Stunde zum Sportunterricht musste. Vor dem Dienstantritt bei Kalla zum Pöhlen oder worauf wir auch immer Lust hatten, standen uns 4 Freistunden zur Verfügung. Wenn man diese nicht gerade im unmittelbaren Umfeld der Bildungseinrichtung oder umliegenden Fast-Food Anbietern verbrachte, ging es für mich in heimische Gefilde. Regelmäßig begleiteten mich einige meiner Lieblingskötten, die ebenfalls in den Genuss der Freistunden kamen.
Nach der herzhaft herzlichen Begrüßung wurde die Bestellung entgegengenommen. Während sich das siedende Öl um die Veredlung der Speisen kümmerte, konnte entweder bildungsstiftend in den Fernseher gestarrt werden oder die Playstation ratterte. Nach kurzer Wartezeit wurde das üppige Mahl auch schon serviert. Erna kloppte Ketchup und Mayonnaise in Bächen und Bergen auf die Teller. Jeder handelsübliche Imbiss wäre bei dieser Herangehensweise nach nur wenigen Wochen vollkommen pleite gegangen. Nach Beendigung der energiereichen Portion Vitamine zogen wir wieder von dannen und waren für den Sportunterricht in einer Weise vorbereitet, die man nicht an der Uni lernt. Noch heute gehe ich davon aus, dass meine guten Noten im Sport vor allem der reichhaltigen Ernährung vor den Unterrichtsstunden zu verdanken sind.
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