Um den strapaziösen Alltag zu überstehen, hat der Teutone den Kaffeekonsum fest in den routinemäßigen Ablauf integriert. Kaffee ist Ambrosia. Kaffee ist Leben. Kaffee regt die Verdauung an. Kurzum, Kaffee ist die dampfende Voraussetzung, um als dem Klischee entsprechender Deutscher zu funktionieren, ja zu existieren. Da ich nicht mehr mit dem morgendlichen Korn-Pils Duett in den Tag starte, zähle ich mich inzwischen auch zu eben jenem Klischee. Kaffee ist mein Sprit und in Werl gibt es genügend Zapfsäulen.
Das soll jetzt hier kein allumfassender Überblick werden, sondern lediglich meine bevorzugten bzw. regelmäßig frequentierten Lokale kurz und bündig vorstellen. Denn es gibt deutlich mehr als das, was hier nun folgen wird.
Zeitreise ins Waffelstübchen
Das Waffelstübchen hat in Werl mutmaßlich bereits Tassen befüllt, als noch regelmäßig Scheiterhaufen aufgeschichtet wurden. Seitdem hat sich im Innenbereich auch nicht viel getan, mögen böse Zungen behaupten. Doch bekanntlich kommt es auf Perspektive und Kontext an.
Ich sitze gerne im Waffelstübchen, wo die Dekoration einem staubigen Flohmarkt entsprungen sein könnte, die Karte noch per Hand geschrieben wurde und der Kaffee noch in seiner ursprünglichen Form, der filtergestützten Herstellung, das Licht der Welt erblickt.
Regelmäßig finden sich unterschiedliche Frauengruppen ein, die das Rentenalter bereits erreicht haben. Einige führen gedämmte Gespräche über die Wehwehchen ihrer Gatten, beschweren sich über den alltäglichen Irrsinn, den jede Werlerin und jeder Werler aus eigener Erfahrung kennt. Andere treffen sich, genehmigen sich Radler, Pinneken und Kaffeevariationen und strahlen dabei mehr Lebensfreude aus als Thomas Gottschalk, wenn der mal wieder weibliche Gäste begrapschen darf.
Zu den Waffeln kann ich nichts sagen, denn ich trinke grundsätzlich Kaffee und Cola, wenn ich die lokalen Lokale aufsuche. Dazu später mehr.
Wer einen Frappuccino mit Mandelsirup und Schokostreuseln möchte, sollte nicht ins Waffelstübchen gehen. Alle anderen sind herzlich willkommen. Wer mich entdecken sollte, darf mich getrost ignorieren, denn ich sitze wahrscheinlich gerade am nächsten Meisterwerk.
Dreiklang
Das Dreiklang sollte jedem ein Begriff sein. Den inklusiven Betrieb (Menschen mit und ohne Behinderung arbeiten hier) gibt es bereits seit über 10 Jahren. Das Café selbst ist schnell beschrieben. Helle Räumlichkeiten, ein Konzept, das auf Nachhaltigkeit ausgelegt ist, Begegnungsstätte und Wohlfühlraum. Gemeinsam e.V., Kontaktstelle für Menschen mit Behinderung und Anbieter zahlreicher Leistungen, ist ebenfalls vor Ort. Ich gehe ungern frühstücken, doch das Dreiklang ist eine Ausnahme. Aus Platzgründen erspare ich mir und euch die Details, aber falls ihr zur Abart von Menschen gehören solltet, die gerne auswärts frühstücken, versucht es mal in der Salzstraße. Im Gegensatz zu Turflon ist dabei die Mitnahme eines Baseballschlägers nicht notwendig.
Ich habe dort bereits vor Jahren (als werler-koette.de nicht einmal als Idee existierte) pseudolustige Texte geschrieben, Briefe verfasst oder gelesen. Leider haben sich die Öffnungszeiten verändert, sodass meine hauptsächliche Freizeit in deren Mittagspause fällt. Daher bin ich nicht mehr so oft zugegen, bekomme meine Kaffee-Cola-Komposition aber immer noch, ohne sie bestellen zu müssen.
Regelmäßig finden in den Räumlichkeiten Veranstaltungen statt (Lesungen, Vorträge und anderer Firlefanz) und als besonderes Merkmal ist die Kinderfreundlichkeit hervorzuheben. Blagen sind laut, überschreiten freudig Grenzen, verdienen kein eigenes Geld und nerven Ottonormalkötte. Hier kann man seinen Nachwuchs aber ruhigen Gewissens hinschlören. Eine großzügige Spieleecke dient der konstruktiven Beschäftigung abseits von Switch und Tablet.
Kochs Eisfachschule
Vor einigen Jahren befand sich die ehemalige Eismanufaktur dort, wo nun Luise Leckereien anbietet. Bereits damals fand ich mich oft und gerne dort ein, schlürfte Kaffee, spülte diesen mit Cola herunter und tippte auf der klackernden Tastatur herum. Dort schrieb ich unter anderem Texte für einen erlauchten Kreis von Kötten, woraus irgendwann dieses „Projekt“ entstand.
Nach einer schier unerträglichen Durststrecke freute ich mich umso mehr, als die Neueröffnung des „Kochs“ am Ende der Fußgängerzone (gegenüber von der Stehpizzeria) verlautbart wurde.
Kochs steht für eine stilvolle Einrichtung, sehr guten Kaffee und Eis in Spitzenqualität. Im modernen Kassensystem befindet sich mittlerweile das sogenannte „Köttengedeck“, was mir schmeichelt und mich mit einem diffusen Stolz erfüllt. Das Gedeck besteht aus kaltem Koffein in Form einer Cola und dem heißen Pendant namens Kaffee. Im Stile cleverer Drogendealer befindet sich an der Untertasse ein kleines Hörnchen mit einer Minikugel Eis. So kommt man auf den Geschmack und möchte sich einen großen Becher aus den Kostproben zusammenstellen.
Bei Kochs wartet eine für Werl untypische Kombination aus modernem Ambiente, freundlicher Bedienung und qualitativ hochwertigen Produkten auf den Gast. Auch wenn es für den einen oder anderen gewöhnungsbedürftig sein sollte, lege ich jedem Menschen mit Sinn für Genuss und Geschmack einen Besuch ans Herz.
Hemmer
Ich würde mich nicht als jung bezeichnen, aber es gibt Lokale, in denen ich den Altersdurchschnitt drastisch senke. Dazu gehört auch das Café Hemmer. Ähnlich wie das Waffelstübchen, gibt es den Laden seit gefühlten Ewigkeiten. Im Außenbereich hat man einen erlauchten Blick auf die Basilika und das Treiben in der Fußgängerzone.
Wie bereits erwähnt, diniere ich selten, wenn ich in der Stadt herumlungere, doch viele Gäste gönnen sich am Mittagstisch gebrutzelte Fische oder Süppchen. Daneben entstehen bereits beim Bestaunen der Auslage Hüftrollen, denn Kuchen- und Tortenvariationen lassen einem das Wasser im Schlund zusammenlaufen.
Das Publikum ist etwas älter (als ich), die Bedienung schwankt zwischen freundlich und enthusiastisch und der Handyempfang im Inneren ist grauenvoll (ähnlich wie im Waffelstübchen). Wer also Digital Detox betreiben möchte, dabei aber die eine oder andere Torte als Motivationshilfe benötigt, ist hier genau richtig.
Devils Blueprint
Zum Abschluss eine Besonderheit und das jüngste Mitglied der Koffeintankstellen. Am Kreisverkehr (ehemals Kaffeehaus) findet man einen Ansatz, den ich als gebürtige Kötte sehr passend finde. Die jungen Männer, die hinter dem Tresen des geschmackvoll und individuell eingerichteten Cafés sitzen, sind nämlich Künstler. Allerdings schmieren sie nicht Pimmel mittels Sprühdose auf kahle Fassaden oder pinseln Obstteller auf Leinwände, sondern sie bringen Tinte unter die Haut.
Im Blueprint gibt es sehr guten Kaffee, sehr aufmerksames Personal und eben die außergewöhnliche Möglichkeit, sich mit einem Bierchen leicht zu betäuben, um sich anschließend den Schriftzug „KÖTTE“ auf den dürren Oberarm stechen zu lassen.
Die Lage am Kreisverkehr ist exquisit. Gemütlich sitzend kann man sich über das Spektakel erfreuen, welches deutsche Straßen zu bieten haben, zumal ein Zebrastreifen für nervige Fußgänger zusätzliche Würze hineinbringt. Kurzum, klare Empfehlung der Redaktion.
Honorable mentions
Wie eingangs bereits erwähnt, handelt es sich bei den vorgestellten Lokalen weder um eine objektive Aufzählung noch um eine Liste, die Vollständigkeit beansprucht. Daher seien noch kurz einige weitere Möglichkeiten erwähnt, bei denen man seinen Koffeinhaushalt wieder auf Normalniveau hieven kann.
Café am Rathaus: Dieses Etablissement besuchte meine Omma, als sie noch keine Mutter war. Im Innenbereich sind viele Bildnisse des historischen Werls zu entdecken und die Qualität der angebotenen Kuchen, Torten und Gebäckvariationen ist legendär.
Paesano: Am Marktplatz kann man sich im weitläufigen Außenbereich niederlassen und sich mit Kaffee oder Aperol das Leben schöntrinken, während man schaut, was die Leute am Wasserspiel so treiben. Innen laden gemütliche Sessel zum ausgiebigen Verweilen ein.
Altstadt Bistro Hünnies: Gegenüber vom Waffelstübchen kann man sich entweder für einen schnellen Kaffee, ein günstiges Eis oder ein Mittagsmahl einfinden. Vor allem die adrett gekleideten Mitarbeiter der lokalen Finanzdienstleister schaufeln hier behutsam Salat, um die Uniform nicht zu bekleckern. Leckeres Brot gibt es natürlich auch.
Luise: Persönlich war ich noch nie vor Ort, kenne es nur aus den Tagen, als Eismanufaktur auf dem Eingangsschild stand. Besonders bei gutem Wetter sind die Außenplätze allerdings ordentlich ausgelastet und vertrauenswürdige Freunde berichteten von lohnenswerten Besuchen.
Fazit: Was wäre ein Text ohne abschließendes Fazit? Richtig, es handelt sich um eine rhetorische Frage. Bedarf keiner Antwort, du Blödbirne!
Über Werl kann und soll man vieles sagen und schreiben, was ich auch regelmäßig tue. Was die Ausstattung mit Cafés anbelangt, darf man künstlich konstruierte Kritik und wehklagende Beschwerden für sich behalten. Denn das Angebot hält für jede Neurose von Geschmack das passende Plätzchen parat. Also gönnt euch!
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