Das Thema Ernährung gehört zu den wichtigsten und widersprüchlichsten Diskursen unserer Zeit. In von Fachleuten erarbeiteten Zeitschriften erhalten wir Informationen für alle Bereiche. Auf Seite 3 erfahren wir, wie wir mit Algen, pürierten Fischstäbchen und täglichen Fitnessübungen überflüssiges Körpergewicht verlieren können. Auf Seite 8 (direkt neben einer Reklame für Algenkapseln) finden wir wiederum ein Rezept für nen Schokokuchen, der genug Kalorien für die Sättigung einer Fußballmannschaft bereithält. Eingerahmt sind diese Ambivalenzen in nachbearbeitete Fotos von Frauenkörpern, deren Figuren an einen dünnen Federstrich erinnern. Selbst im hochmodernen TV-Programm werden wir mit Widersprüchen bombardiert, die zu nachhaltigen Schäden an den neuronalen Verdrahtungen eines handelsüblichen Gehirns führen können. So sucht Heidi Klum nach Klappergestellen, um diesen dann richtiges Watscheln beizubringen und durch Friseur*innen posttraumatische Belastungsstörungen zu verpassen. Wenn man einige Sender überspringt, sieht man dann Menschen, die mehrmals täglich mehrere Jumbo-Schreiner Menüs beim Fast-Food Franchiseunternehmen des Vertrauens vertilgt haben und nur einen Big-Mac-Doppelwhopper vom Exitus entfernt sind. Da fällt dem unbedarften Naivling von Zuschauer die Orientierung naturgemäß sehr schwer. Daher wollen wir mit diesem Bericht etwas Aufklärung für unsere Köttenstadt leisten und ein Traditionsrestaurant vorstellen, das keiner Vorstellung bedarf.
Variationen des Fettes- Ein Besuch bei Kostas
Im Bereich des Kulinarischen hat Werl mehr zu bieten als Paris, die Stadt der überbewerteten und überteuerten Möchtegernfeinschmecker, die Portionen kredenzen, von denen selbst ein Meerschweinchen nicht satt werden würde. Bei uns muss eine Lokalität sowohl von der Menge her als auch vom Fettgehalt eine ansprechende Kombination auf den Styroporteller zaubern, um eine Chance auf Stammkundschaft zu haben. Wie komme ich jetzt von Riesenportionen triefenden Fettes zu Kostas?
Kostas heißt das Traditionslokal an der Wickeder Straße, in dem bereits seit hunderten von Jahren frittierte Träume wahrwerden. Wer genug vom Kalorienzählen, nichtsnutzigen Heißluftfritteusen und fettreduzierten Saucen hat, der folgt einfach dem unverwechselbaren Duft des gereiften Öls aus den Hochleistungsbädern, in denen die schockgefrosteten Kartoffelstäbchen zu Pommes (Kenner bezeichnen diese Speise allerdings als FRITTEN) transformiert werden.
Wer durch den fein duftenden Nebel durch die Pforte des Glückes schreitet, befindet sich im Herzen der traditionellen Imbissküche mit griechischem Ambiente. Der Gastraum bietet einen Stehtisch für das eilige Mittagsmahl, jedoch keine Sitzplätze, da man die zubereiteten Speisen in der Regel mit einem Schwertransporter in die heimischen 4 Wände zu transportieren hat. Einzig in der warmen Jahreszeit gibt es draußen eine Sitzgelegenheit, die allerdings wenig Komfort bietet. Ein Werler setzt bekanntlich andere Prioritäten.
Wenn Imbiss zu Performancekunst mutiert
Im Inneren befindet sich eine gigantische Speisekarte aus Blech (oder sowas), die vor einiger Zeit ausgetauscht wurde, da die Jahre im Frittiernebel zum Abblättern der Beschriftung geführt hatten. Wenn man sich dann vor der gläsernen Theke für das Leibgericht entschieden hat, machen sich die Herren ans Werk. An den beiden Spießen, deren Durchmesser etwa einem Mammutbaum entsprechen, werden mit elektrischen Säbeln fein gewürzte Stücke entfernt und landen dann in einer Styroporschale, wo sie mit Zwiebeln, geheimen Gewürzen (Paprika) und einem Hauch Tsatsiki überschwemmt werden. Währenddessen wird an der Industriefritteuse der Bedarf einer Großstadt im siedenden Öl brutzelnd an den Rand der Perfektion gegart. Im hinteren Bereich wendet ein weiterer Spitzenkoch Spieße auf der Grillplatte und wirbelt anschließend ein Pitabrot durch die Luft. Die Bratwurstschneidemaschine rattert im Dauerbetrieb vor sich hin und untermalt die virtuos anmutenden Bewegungen der Köche mit einem stetigen Beat.
In den beengten Räumlichkeiten tänzeln die Gourmetgriechen umher, ohne sich gegenseitig über den Haufen zu laufen, was an sich schon an ein kleines Wunder heranreicht. Fritten werden geschüttelt, gesalzen und bis an die Grenzen der Physik in Pappschalen geschüttet. Gekleidet sind die Akrobaten in den gewerkschaftlich vorgeschriebenen Kleidungsstücken. Eine verwaschene Jeans wird unter einer fleckigen Schürze versteckt, die eventuell mal weiß gewesen sein könnte, was aber final selbst im Labor nicht mehr festzustellen ist. Der üppige Oberkörper wird in ein T-Shirt gehüllt, dessen ursprüngliche Farbe ebenfalls zu den ewigen Rätseln der Menschheit gehört. Die Kür des Virtuosen wird beim Auftragen der Delikatess-Salatmayonnaise vollzogen. Mit dem gesamten Körpergewicht lehnt sich der Experte auf den Eimer und knallt eine LKW-Ladung Pampe auf die goldbraunen Fritten.
Während der Zubereitung der Speisen kann der Gast derweil sein Spesenkonto am Spielautomaten auf Vordermann bringen oder die kunstvollen Verzierungen der Wände bestaunen, die einem das Gefühl vermitteln, man würde am Rande der Akropolis stehen und sich die Sonne auf den Bierbauch knallen lassen. Ob es dort auch so nach Fritteuse riecht, kann ich momentan weder bestätigen noch ausschließen.
Werler Qualitätsmerkmale
Wer den wöchentlichen Kalorienbedarf mit nur einer Mahlzeit decken möchte, kommt an Kostas nicht vorbei. Das ist ein Axiom (einfach googeln ;D). Doch nicht nur die üppigen Portionen mit lebensnotwendigen Fetten sprechen für einen Besuch- vor allem nach einer durchzechten Nacht. Hier kommen noch ganz andere Argumente zum Zug.
Kostas arbeitet nicht mit lieferando oder einer der anderen pseudohilfreichen Plattformen zusammen, da der Gyrosschnibbler es einfach nicht nötig hat. Er verfährt nämlich nach dem Motto einer richtigen Kötte. „Wer was von mir will, soll seinen Arsch zu mir bewegen.“ Dementsprechend klingelt das Telefon dauerhaft. Der entgegennehmende Spitzenkoch rüttelt beim Gespräch noch eine Fuhre Fritten zurecht, kritzelt unleserliche Hieroglyphen auf einen Notizblock und beendet das Telefonat mit den obligatorischen „15 Minuten“.
Eine Homepage sucht man in den Untiefen des Internetzes ebenfalls vergeblich. Diese Art von Werbung ist schlicht und ergreifend überflüssig, weshalb die sozialen Medien auch in die kalorienreduzierte Röhre schauen. Kostas kennt man und man weiß, was es da gibt. Riesenportionen, je nach Auslastung leicht schwankende Qualität (aber nicht so schwankend wie bei einigen Franscheißnehmern) und eine nicht schriftlich fixierte Sättigungsgarantie.
Also, neue Löcher in den Gürtel stanzen, den obersten Knopf der Hose sicherheitshalber öffnen und dann einmal Mayo mit Fritten bestellen!
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