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  • AutorenbildWerler Kötte

Muckibude

Werl hat sich gewandelt. Einst war unsere stolze Köttenstadt im Guiness Buch der Rekorde vertreten. So viele TEDi Filialen, wie hier, gab es sonst nirgends. Der Fokus der Einwohnerschaft lag auf Konsum. Man kaufte sich Plastikgedöns in allen Farben und Formen, deren Gemeinsamkeit in der Verarbeitung giftiger Weichmacher lag. Wenn man sich dann die Bude mit dekorativem Müll vollgestopft hat, bestellte man sich eine Fuhre Fett bei Kostas oder ließ sich die eine oder andere Familienpizza liefern, während in der Flimmerkiste „The Biggest Loser“ den Staffelstab der Unterhaltung an „Man kannte mich mal, holt mich hier raus“ weitergab.


Worum soll es hier eigentlich gehen? Oppa hätte gesagt, das geht euch einen Scheißdreck an, aber ich habe nicht alle seine Charaktereigenschaften übernommen. Heute wollen wir uns einem allgemeinen und besonders zu Jahresbeginn immer wieder auftretenden Trend widmen. Das Fitness-Studio, die Muckibude, das Gym (muss da immer an Pokémon denken).

 

Pumpen in Werl

 

Räumlichkeiten, in denen man mittels Hantel und Co. an seinem Erscheinungsbild arbeiten kann, gab es hier schon immer. Mittlerweile gibt es allerdings etliche Anlaufstellen mit unterschiedlichen Schwerpunkten, was Ausstattung und Zielgruppe angeht. Das reicht von einfachen Aneinanderreihungen von Geräten, die ohne viel Klimmbimm daherkommen bis hin zu ausgefeilten, mit Computerchips versehenen, futuristisch anmutenden Apparaturen, die sich individuell auf den jeweiligen Fitnessfetischisten anpassen. E-Gym nennt sich diese dunkle Magie.

 

Vorweg

 

Für „Vorweg“ ist es etwas spät, aber ich passe den Text sicher nicht an (trotziger Tonfall). Seit Ende letzten Jahres gehe ich selbst regelmäßig ins Fitti, was seine Gründe hat. Den Traumberuf des Türstehers werde ich auch mit viel Einsatz nicht mehr ergreifen können, sondern geht es primär um gesundheitliche Aspekte, damit ich in diesem Jahr wieder angeschwipst am Silvesterlauf teilnehmen kann. Hinzu kommt, dass die Pfandsäcke gewichtstechnisch in letzter Zeit deutlich zugelegt haben, sodass auch pragmatische Hintergründe zum Eintritt in die Welt des stemmenden Stöhnens geführt haben. Die folgenden Ausführungen entstammen einer Mischung aus den bisher erfahrenen Erfahrungen und den Vorurteilen, ohne die das Dasein bekanntlich nicht lebenswert wäre. 

 

Warum? Wieso? Und Wer?

 

Wie bereits angesprochen gibt es in Werl einige Möglichkeiten, sich auszutoben. Ich treibe mich in der Fußgängerzone rum, damit ich nach dem Geschwitze mit Kaffee und Mantaplatte gegensteuern kann. In den bisherigen Wochen konnte ich einen kleinen Einblick in das köttige Klientel bekommen.


Hier schwitze ich Werler Tropfen aus.

Am Anfang des Jahres fluten sie die Studios, spülen Geld in die Kassen, indem sie langfristige Knebelverträge abschließen, um nach 2 Wochen in Facebookgruppen nach Leuten zu suchen, die ihre Mitgliedschaft übernehmen wollen. Ja, sehr vorurteilsbehaftet, aber dennoch wahr. Menschen nehmen sich fürs neue Jahr oft etwas vor, auch wenn das nachweislich meistens nicht zu dauerhaften Veränderungen führt. Das liegt häufig an den wenig realistischen Vorsätzen. Ich nehme mir jedes Jahr vor, mehr zu rauchen und das klappt wunderbar. Dennoch möchte ich nicht alle über einen Kamm scheren. Sicher sind unter denen Neuankömmlingen auch einige, die auch im Sommer noch auf dem Laufband herumtrampeln.


Es gibt sie natürlich noch, die klassischen Pumper. Sie halten sich vornehmlich in der ersten Etage auf, wo keine mit Software ausgestatteten Geräte in ihr Programm hereinpfuschen. Hier kann man sich 500 Kilo auf die Beinpresse packen, hier wird geschwitzt, gestöhnt und regelmäßig der Körper an oder auch mal über die Grenzen belastet. In den Ohren stecken derweil unterschiedliche Kopfhörer, welche motivieren und die an Rudelbummsfilme erinnernde Geräuschkulisse überspielen sollen. Die Ziele der klischeebehafteten Schränke sind oberflächlich betrachtet einfach. Muskeln aufbauen. Aber so simpel ist es natürlich nicht. Da müsste man schon mit denen sprechen, und das wage ich mich nicht. :D 


Die Jugend von Heute. Über die Generation TikTok könnte man einige Glossen in die Tasten kloppen, doch auch hier gilt, nicht alle leben in einer symbiotischen, semiparasitären Verbindung mit ihrem Handy. Warum sollten sie sonst ins Gym gehen, wo doch per Instafilter jedwede körperliche „Verschönerung“ möglich ist. Wenn sie in der Umkleidekabine miteinander kommunizieren, verstehe ich kein Wort, was vielleicht auch besser so ist. Dennoch begrüße ich deren Anwesenheit, da der Aufenthalt im Studio sinnhafter erscheint als der fahrlässige Umgang mit persönlichen Daten im Netz.


In Deutschland bekommt man schneller ne neue Hüfte oder eine OP an der Bandscheibe als einen Therapieplatz. Allgemein schmerzt den Teutonen vom ganzen Herumsitzen in Büros und Wartezimmern der Rücken. Anfangs kann man noch mit bewährtem Alkoholkonsum gegensteuern, denn sich bereits mittags einen antrinken hat bei uns nun einmal Tradition. Irgendwann müssen jedoch andere Maßnahmen ergriffen werden. Da bietet sich der Gang ins lokale Fitti an. Hier kann man gezielt Muskeln am Rücken aufbauen, die Beweglichkeit der quietschenden Gelenke erhöhen und in aller Ruhe seine persönliche Reha vorantreiben. Dabei kommt es nicht drauf an, möglichst hohe Gewichte gen Himmel zu hieven, sondern sich um seinen Kram zu kümmern. Das hilft generell.


Ältere Menschen, euphemistisch gerne als Senioren bezeichnet, sieht man auch immer wieder im Gym. Teils fühle ich mich selbst wie ein Greis, der inmitten der Junggebliebenen gegen den Verfall antrainiert, doch definitionstechnisch habe ich noch ein paar Jahre bis zur Verrentung.


Im Fitness-Studio ist es eben wie an der Frittenbude, hier trifft man eine vielfältige Mischung an Leuten an, die eines gemeinsam haben. Sie haben es von der heimischen Couch in die große, weite Welt geschafft. Die einen lassen Traumschiff oder den Bergdoktor sausen, die anderen verzichten auf ne Runde Fortnite. Bei den älteren Mitgliedern geht es meist nicht um das Aufpumpen von Bizeps, Wade und Tritops, sondern um den Erhalt einer Alltagstauglichkeit. Man möchte mobil bleiben, damit man beim wöchentlichen Kaffeeklatsch nicht auf den Rolator angewiesen ist oder man will die Spielplatzbesuche mit den Enkelkindern nicht nur von der Bank aus begleiten.


Parkplätze, des Deutschen liebste Orte

 

Ballern, Schwitzen und Dehydration vermeiden

 

Doch was bietet so ein Gym? Warum sollte man nicht einfach Wii Sports auf der heimischen Couch zocken, wo man wenigstens beim Schwitzen rauchen kann? Nun denn, es gibt einige Gründe, warum so ein Studio aufgesucht wird.


Freisaufen hat schon immer gezogen. Da Trinken nicht nur auf dem Schützenfest wichtig ist, bieten viele Studios eine im Beitrag enthaltene Flatrate an. Zum Eintritt in die Welt des Strampelns und Hebens erhält man eine formschöne Plastikpulle, die man in einen gusseisernen Ring stellt. Mittels Touchscreen (ja, wenn schon denn schon) wählt man Geschmack, Intensität, Temperatur und Kohlensäuregrad aus. Wie früher, als wir bei Subway vorgesoffen haben (immer wieder Spirituosen mit Limo verfeinert), kann man hier so viel süppeln, wie man mag.


Wie bereits angedeutet, findet jede*r (japp, einmal gendern pro Text sollte drin sein, hoffentlich ärgert sich jemand) das passende Gerät. Im E-Gym passen sich die Gewichte und allgemeinen Einstellungen an den Sportreibenden an, nachdem man das Kunststoffbändchen an die entsprechende Stelle gehalten hat. Aber auch an den anderen Geräten kann man individuell Sitzhaltung und Belastung anpassen. Die herumlaufenden Mitarbeiter unterstützen bei Bedarf, wobei das auch gerne von erfahreneren Mitgliedern übernommen wird. Man hilft sich eben. So oder so, das Angebot an Betätigungsmöglichkeiten ist ziemlich breit gefächert. So kann man sein biologisches Alter bestimmen lassen (Nein danke, aber danke), sich zwischendurch mit klebrigen Proteinriegeln eindecken, akrobatische Gymnastik betreiben oder sich seinen persönlichen Trainingsplan erstellen lassen, den man genauso ignoriert, wie die Mahnungen von Zalando und Konsorten.


Spezielle Kurse richten sich wiederum an diejenigen, die beim Kampf gegen den inneren Schweinehund regelmäßig den Kürzeren ziehen. Angetrieben von militärisch anmutenden oder wertschätzend motivierenden Vorturnern wird hier der stählerne Hintern geformt oder das Waschbrett auf die Wampe gezaubert.


Abgerundet wird das Programm in vielen Studios vom Wellness-Aspekt. Wer sich schweißtreibend an gigantischen Gewichten abmüht, der muss sich ja auch was gönnen. So stehen oftmals Solarien (Solariums?) bzw. Sonnenbänke zur Verfügung, damit die aufgepumpten Muskeln in ansprechender Bräunung erscheinen. Zum Abschluss müht man sich dann wankend in die Duschen, bevor es zum Drive-In geht.

315 Ansichten1 Kommentar

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1 Comment


karstenziegert
Feb 01

Wie immer Toll geschrieben 😂😂

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