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Sprichwörter

  • Autorenbild: Werler Kötte
    Werler Kötte
  • 22. Mai
  • 5 Min. Lesezeit

Wer lesen kann, ist klar im Vorteil

 

Ansonsten wäre das Betrachten dieser Zeilen nämlich mit dem Bestaunen trocknender Wandfarbe gleichzusetzen, was wiederum nicht wertend gemeint sein soll. Auch das Begutachten wachsenden Grases kann beunruhigend beruhigend sein.


Wir wollen heute mal wieder in die Untiefen der deutschen Sprache eintauchen, und dabei ein sehr spezielles Thema behandeln. Jede Sprache verfügt über Sprichwörter, die von Generation zu Generation weitergeben werden. Sie sind quasi ein immaterielles Erbe. Hier gilt, was für so viele Bereiche gilt. Niemand kann uns das Wasser reichen. Für jede Situation, unabhängig von der Abwegigkeit, haben wir eine Fülle von Weisheiten im Gepäck.

 

Jeder Deckel hat einen Topf

 

Wieso, weshalb, warum? Welchen Sinn haben die allerorten gehörten Sinnsprüchlein? Da steckt auch schon die Antwort drin. Die Welt ist kompliziert, Lösungen für Probleme komplex, sprachliche Darstellungen erscheinen anspruchsvoll. Das Durchdringen des Daseins erscheint wie ein Buch mit sieben Siegeln. Wer jedoch auf ein respektables Repertoire von Sprichwörtern zurückgreifen kann, wird das Gefühl von Sprachlosigkeit nicht kennen. Schweigen ist Reden, Silber ist Gold. Probleme sind Lösungen in Arbeitskleidung und mit Arbeit kennen wir uns aus.

 

Wer früh erwacht, hat was vom Tach

 

Der Wecker klingelt zur Unzeit, aber der frühe Vogel fängt den Wurm und Morgenstund hat Gold im Mund. Also strecke ich die müden Glieder vom Leib und verlasse das wohlig warme Nachtlager. Allerdings mache ich noch das Bett, bevor ich ins Bad gehe, denn Ordnung muss sein. Im Bad stutze ich meinen Bart, putz mir die Kauleiste und schon kann es losgehen.


Das Frühstück ist die wichtigste Mahlzeit des Tages, weshalb es Spiegeleier, Toast und ne kleine Schüssel Vollkornmüsli gibt. Auf das Toast kommt ein gesunder Aufstrich, dem ich mit Honig ein Lächeln auf die krosse Fläche zaubere. Schließlich isst das Auge mit. Mama hat immer gesagt, dass Liebe durch den Magen geht, wobei ich mit Liebe andere Dinge verbinde. Ist auch egal. Leider bröselt ein wenig von der Kruste auf den frisch gewienerten Tisch. Ein bisschen Schwund ist eben immer und wo gehobelt wird, fallen Späne.


Auf dem Weg zur Straßenbahn nehme ich den Restmüll mit runter. Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen. Nachdem ich den Bäcker hinter mir gelassen habe, sehe ich meinen Stammbettler. Ja, so nenne ich ihn. Er streichelt den kleinen Dackel, der besser behandelt wird als so mancher Mensch. Ich fische ein 2-Euro Stück aus dem Portemonnaie. Geraldo hebt den Becher hoch, damit ich mich nicht bücken muss. Er bedankt sich mit einem Lächeln und sagt Gracias. Kleinvieh macht auch Mist und in der Not frisst der Teufel Fliegen. Wer den Pfennig nicht ehrt, ist die Mark nicht wert. Ich halte mich deshalb nicht für einen besseren Menschen. Im Gegenteil. Ich erhoffe mir davon, dass Karma sich einstweilen erkenntlich zeigt. Geben ist edler als Nehmen. Außerdem würde ich mit dem Kleingeld eh nur Unsinn anfangen. Nachher schmeiße ich es noch in einen blinkenden Spielautomaten. Wie gewonnen, so zerronnen.   

 



Wer zuerst kommt, mahlt zuerst

 

Heute ist die Straßenbahn angenehm leer. An manchen Tagen gibt es keinen Sitzplatz und viele Leute nehmen keine Rücksicht auf die Älteren. Jeder ist sich selbst der Nächste. Gegenüber hört ein Halbwüchsiger musikähnliche Geräusche in tinnituserzeugender Lautstärke. Geschmäcker sind verschieden, aber ich muss den Lärm ja nicht unbedingt mithören. Fragen kostet nichts. „Hey, kannst du die Musik etwas leiser machen, bitte?“ Er scheint nur Bahnhof zu verstehen, jedenfalls hat er mehr fragende Falten als reife Pickel im Gesicht. Ich versuche es mit Händen und Füßen, deute das Herunterdrehen eines Lautstärkereglers an. Er kommt meiner Bitte nach, weshalb ich mich theatralisch verbeuge.


Nächste Haltestelle muss ich raus. Ich quetsche mich an einer Gruppe vorbei, die gut gekleidet ist, dafür umso strenger nach einer Mischung aus Schweiß und Mett duftet. Außen hui, innen pfui. Andererseits soll man ein Buch nicht nach seinem Umschlag bewerten. Wonach denn sonst? Soll ich jedes Buch lesen? So viel Zeit habe ich leider nicht.


Die Ampel vor unserem unansehnlichen Bürokomplex leuchtet durchwinkend grün, doch werde ich diese Grünphase wohl nicht mehr mitnehmen können. Eile mit Weile. Die Letzten werden die Ersten sein. Quatsch. Da gibt es bessere Bibelsprüche. Wer ohne Sünde ist, schmeiße Steine auf ein Glashaus. Oder so. Egal, die Arbeit ruft.    

 

Ohne Fleiß kein Preis

 

Die Ausbildung bei der Versicherung war kein Zuckerschlecken. Obwohl ich gut mit Zahlen umgehen kann, musste ich permanent irgendwelchen anderen Kram erledigen. Lehrjahre sind eben keine Herrenjahre. Und nur die Harten kommen in den Garten. Inzwischen kann ich mir meine Aufgaben endlich selbst aussuchen, weshalb ich die Finger von KFZ-Geschichten lasse. Schuster bleib bei deinen Leisten. Ich bin froh, dass ich geduldig geblieben bin. Gut Ding will Weile haben. Mein Vater hätte mich nämlich nach den ersten Wochen beinahe zu einer Lehre als Mechaniker überredet und da wäre Hopfen und Malz verloren gewesen.


Der Neue aus der Schadensregulierung hat schon wieder Fragen. Wenn der nicht so adrett aussehen würde, hätte ihn der Alte längst vor die Tür gesetzt. Kleider machen eben Leute. Dennoch gab es letztens eine ordentliche Standpauke von unserem Obermacker, die jedoch ohne Folgen geblieben ist. Hunde, die bellen, beißen bekanntlich nicht.


Endlich Mittagspause. Ohne Mampf kein Kampf. Ich gehe mit Erkan zum Dönermann um die Ecke. Gut gekaut ist halb verdaut, denke ich mir, während Erkan seine Portion in Windeseile vertilgt. Wir geben immer gutes Trinkgeld, schließlich soll man nicht die Hand beißen, die einen füttert. Danach geht es zurück ans Werk. Papier ist zwar geduldig, aber der Stapel wird vom Döneressen eben nicht kleiner.   

 

Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben

 

Bevor ich Feierabend mache, lese ich nochmal das Gutachten über den defekten USB-Adapter. Doppelt hält besser. Scheint alles in Ordnung zu sein. Danach ist auch wirklich Schluss für heute. Ich fahre den Rechner herunter, wobei ich ihm das Installieren des neuesten Updates gestatte. Die geschätzte Dauer von 3 Minuten wird allerdings um 10 Minuten überschritten. Irgendwas ist immer. Als der Bildschirm endlich in das sehnsüchtig erwartete schwarz getaucht wird, atme ich tief durch und mache mich auf den Weg ins „Ranzige Eck“, meiner Lieblingskneipe, um mich gedanklich von den Akten zu lösen. Dienst ist Dienst, Schnaps ist Schnaps.


Bier auf Wein, das lass sein; Wein auf Bier, das rate ich dir. Das mag sein, ich trinke einfach einen Whiskey und überlege, ob ich mich für die Fortbildung anmelden soll. Man lernt schließlich nie aus. In der schattigen Sitzecke hat ein junger Mann anscheinend zu tief ins Glas geschaut. Ruckartig erhebt er sich und wankt zügig gen Klo. Alles raus, was keine Miete zahlt! Seine Mittrinker lachen lautstark, als er mit gesenktem Blick zurückkehrt.


Am anderen Ende der Theke entdecke ich meinen alten Englischlehrer. Die Welt ist ein Dorf. Den mochte ich jedoch schon früher nicht. Also bezahle ich und sage „Goodbye“.

 

Ende gut, alles gut

 

Zuhause mache ich es mir gemütlich und gehe zügig ins Bett. Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Der Ball ist rund und das Spiel dauert 90 Minuten. Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein. Alter schützt vor Torheit nicht. Alte Liebe rostet nicht. Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach. Wer suchet, der findet. Und zwar immer da, wo man als letztes guckt. Das kannste dir nicht ausdenken. In der Kürze liegt die Würze. Jedes Böhnchen gibt ein Tönchen. Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Lügen haben kurze Beine. Jeder ist seines Glückes Schmied. Das Beste kommt zum Schluss. Außer bei diesem Text. Für den gilt „Besser ein Ende mit Schrecken als Schrecken ohne Ende.“ Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.  

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