Büchereien gibt es zwar schon seit über 5000 Jahren (also länger als die Erde), doch dürfte nicht jeder mit dieser mystischen Einrichtung vertraut sein. Daher wollen wir mal etwas aufklärerische Arbeit leisten und die Fackel der Erkenntnis in die trübe Dunkelheit der Unwissenheit halten.
Ein erster Hinweis befindet sich im Wortstamm, der „Buch“ bzw. „Bücher“ enthält, weshalb es wohl etwas mit diesen ominösen Teilen zu tun hat, deren Lektüre man in der Schulzeit konsequent verweigert hat.
Bücher sind im weitesten Sinne ausgedruckte Wikipedia-Artikel, niedergeschriebene Podcasts oder anderweitig verschriftlichte Papierfetzen, denen beispielsweise ein hochwertiger Film zugrunde liegt.
In einer Bücherei kann man sich niedersetzen und in den dort befindlichen Druckwerken herumblättern, sie lesen oder entleihen. Um die Dinger mit nach Hause nehmen zu können, wo sie stilecht auf dem Klo vertilgt werden, benötigt man allerdings einen Premium-Account, der per Identitätsnachweis (Bonuskarte vom Dönermann oder Payback reichen nicht aus) beantragt werden kann. Anschließend wird die Membership-Card feierlich ausgehändigt und das Abenteuer kann losgehen.
Bücher- in allen Variationen
Das Kerngeschäft einer Bücherei liegt auf der schmierigen Hand. Es gibt Bücher für alles und jeden. Kitschige Romane über Liebschaften, Intrigen und perversen Handlungen zwischenmenschlicher Natur. Krimis, in denen üble Übeltäter von wackeren Helden und Heldinnen verfolgt werden. Die Klassiker von Goethe, Karl May und Juli Zeh warten in den Regalen ebenfalls auf Kundschaft. Neben den fiktiven Erzeugnissen engagierter Schreiberlinge gibt es natürlich auch weitere Kategorien zu entdecken.
Da gibt es bestimmt ein Youtube-Video zu
Wer kennt es nicht? Der Abfluss ist mal wieder mit Gekröse und stechend stinkenden Haaren verstopft. Der alte Beistelltisch sieht abstoßend dröge aus und man möchte ihn aufhübschen, ist aber einfach zu blöd. Man möchte sportlicher leben, hat aber keine Lust auf die Gebühren im Fitnessstudio und keine Ahnung von möglichen Trainingsplänen. Für all diese Probleme gibt es fundierte Youtube-Videos, in denen Probleme beschrieben und Lösungsansätze angeboten werden. Besonders in der Pandemiezeit haben sich bislang unbekannte Experten mittels der Plattform ins Rampenlicht geschwurbelt. Allerdings kann man auch einfach einen Abstecher in die Bücherei machen, denn Sachbücher zu allen erdenklichen Themen stehen dort in Reih und Glied, wo sie auf den überforderten Hilfesuchenden warten.
Klassisch recherchierte Biografien, Werke über Politik, Reiseführer und Literatur in der bemitleidenswert simplen Sprache des Englischen stehen den interessierten Leser*innen in weiteren Abteilungen zur Verfügung.
Blagen und Köttenkinder
Unsere Zukunft liegt in den Händen der kommenden Generation, die wahrlich nicht zu beneiden ist. Als Entschädigung für die wirkungslose Symbolpolitik erhalten sie immerhin eine ganze Ecke im Inneren einer Bücherei. Nach Altersstufen sortiert finden sich zahlreiche Büchlein für die unfertigen Menschen.
Sachbücher über den Bauernhof (also den romantisierten), Baustellen und die kleiner werdende Tierwelt. Bildbände über Tornados, zerstörerische Wassermassen und weitere Katastrophen geben den Kleinen erste Hinweise auf ihre verheißungsvolle Zukunft. Comics, Märchen, Romane über pubertierende Pickelfressen, Wörterbücher der Jugendsprache und vieles mehr können die Köttenkinder in ihrer dekorierten Sektion finden.
Bücher zum Gucken und Hören
Die Nutzungsgewohnheiten der evolutionären Speerspitze haben sich in den vergangenen Jahren gewandelt, weshalb eine Bücherei nicht ausschließlich künftiges Altpapier im Angebot hat.
Ein Buch lesen ist langweilig und anstrengend. Daher gibt es vorgelesene Versionen auf CD’s oder Verfilmungen auf DVD’s bzw. Blue-Rays, die den Zugang zu den Stoffen deutlich vereinfachen. Nicht zu vergessen sind die mit Ritalin zugedröhnten Kinder, die gerne vor der Konsole hocken, um gewaltverherrlichende Spiele zu zocken. Deshalb gibt es meist Futter für diverse Gaming-Plattformen zu leihen. Aufgrund des Niedergangs von Videotheken wird somit immerhin eine Methadonkur angeboten.
Entwicklungen
Büchereien sind Lernorte. Um sie als solche funktional zu gestalten, befinden sich in den Räumlichkeiten meist Tische mit Stühlen, Drucker, Möglichkeiten feste und flüssige Nahrung in den wissbegierigen Leib zu füllen und eine stabile Internetverbindung, die man in der Schule nur in Ausnahmefällen vorfindet.
Zeitschriften, günstige Kaufmöglichkeiten aussortierter Waren, Brettspiele, Tonies und viele weitere Anpassungen zollen veränderten Gewohnheiten Tribut. Nicht zu vergessen die „Bibliothek der Dinge“, in der man Schlagbohrer, Backformen, Dampfgarer und andere Utensilien ausleihen kann, die ansonsten zu Staubfängern in der zugemüllten Bude mutieren würden.
WERL
Werl ist für viele Besonderheiten bekannt, die regelmäßigen Leser*innen dieses Blogs vertraut sein dürften. Die Bücherei gehört nicht zwangsläufig zu den ersten Orten, die einem in den Sinn kommen, wenn man an die Köttenstadt denkt. Zu Unrecht. Bereits vor der Renovierung war sie immer einen Besuch wert und hat durch die Umbaumaßnahmen noch einmal deutlich an Attraktivität gewonnen.
Auswahl
In vorherigen Abschnitten habe ich kurz erläutert, was man in einer handelsüblichen Bücherei so alles finden kann. Werl überzeugt in allen Bereichen.
Die modernisierten Räumlichkeiten sind weitläufig und das Licht erzeugt eine angenehme Grundstimmung. Die Romanabteilung ist prall gefüllt und hält für alle Geschmäcker etwas parat. Ob Schnulzen, zeitlose Klassiker oder brandneue Bestseller.
Bei den Sachbüchern finden sich thematisch sortierte Bereiche, die eine schnelle Orientierung ermöglichen. Hervorheben möchte ich die lokale Abteilung, in der Westfalen und die Köttenstadt vertreten sind. Die Ausgaben von „Werl-gestern-heute-morgen“ reichen bis zur Mitter der 80er Jahre zurück.
Blagen dürften sich in der Bücherei sehr wohlfühlen. Eine großzügige Ecke ist gemütlich hergerichtet und bietet durch die Abtrennung auch etwas Ruhe zur eingehenden Betrachtung der zahlreichen Werke. Dabei spielt es keine Rolle, wie alt das Köttenkind ist, denn für alle Jahrgänge dürfte sich was finden. Romane über Social-Media, lüsterne Vampire, chaotische Schüler*innen, Mangas, Comics, graphic novels und allerlei Sachbücher warten nur auf die neugierigen Blagen.
Bücherei 2.0
In der Stadtbücherei wird mit der Zeit gegangen. DVD’s für alle Altersklassen und Geschmacksrichtungen ersetzen die World of Video Filiale zwar nicht, bieten aber ausreichend Abwechslung und auch Neuerscheinungen werden regelmäßig angeschafft. Das gilt ebenfalls für die Hörspiele, wobei die gut sortierte Kinderabteilung hervorgehoben werden sollte.
Spiele für den DS, verschiedene Playstations oder die Wii zeigen, dass veränderten Gewohnheiten die nötige Beachtung erhalten.
Dazu passt ebenso die Verfügbarkeit von Brettspielen, eine umfangreiche Online-Plattform, vorhandenes W-Lan und die Einrichtung, die sowohl konzentriertes Arbeiten als auch entspanntes Verweilen ermöglicht.
Abgerundet wird der Besuch von dem Personal, das seit langer Zeit in ähnlicher Konstellation tätig ist. Vorteile dieser Konstanz liegen auf der Hand. Die Mitarbeiter*innen stehen dem Besucher mit Rat und Tat zur Seite und haben eine für Werler Verhältnisse gewöhnungsbedürftige Freundlichkeit, die man aber ausnahmsweise tolerieren kann.
Daher kann ich nur dringend empfehlen, sich eine Special-Membership-Card zu organisieren, denn das Angebot der Werler Stadtbücherei ist wirklich (ich bekomme keine Kohle vom Lobbyverband der Leseratten) außerordentlich gut.
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