Die Einwohner Werls sind für ihre überdurchschnittliche Bewegungslust bekannt, die gemeinhin als ADHS bezeichnet wird. Deshalb gibt es nicht nur einige Maulwurfsäcker, auf denen man seinen Köter kacken lassen kann, sondern einen ganzen Sportpark, der schier unendliche Möglichkeiten bietet, sich die Gelenke nachhaltig zu beschädigen. Wer nicht das nötige Kleingeld für die Mitgliedschaft in einem Verein oder Fitness-Studio in der Pfandkasse liegen hat, der kann inzwischen wieder auf ein neu aufgelegtes Phänomen zurückgreifen, mit dem wir uns heute beschäftigen wollen.
Stadtwald- Mannigfaltigkeit unter Bäumen
Der Stadtwald ist ein vielseitiger Platz. Hier haben Soldaten gepokert, ein Lost Place zog Liebhaber des Zerfalls an und der Borkenkäfer hat eine gemütliche Heimat gefunden. Heute sind die Schwerpunkte freilich etwas anders gelagert. So können umweltbewusste Werler und Werlerinnen ihren Abfall lokal entsorgen, um den CO2-Fußabdruck möglichst in Kindergröße zu belassen. Bevorzugt werden Sperrmüll und giftige Stoffe im Schoß der Natur endgelagert, damit sich die leistungsstarke Flora und Fauna um die Zersetzung kümmern kann. Außerdem haben Köter hier die Möglichkeit, sämtliche Wege vollzukoten, ohne dass Herrchen und Frauchen das stinkende Würstchen in eine Plastiktüte verfrachten müssten.
Vor kurzem wurde allerdings ein Retro-Trend aus den 70er Jahren per Defibrillator aus dem Siechtum hervorgeholt. Die lokalen Medien berichteten bereits ausgiebig und auch beim seriösesten Anbieter zuverlässiger Informationen, Facebook, konnte man erste Schnappschüsse besichtigen. Der eingestampfte „Trimm-Dich-Pfad“ wurde in moderner Weise neu aufgelegt, sodass selbst TransferleistungsbezieherInnen endlich ihre schlaffen Körper in Topform bringen können ohne auf überteuerte Eiweißdrinks und fade Proteinriegel zurückgreifen zu müssen.
Trimm-Dich-Du-Kötte-Pfad
Wer einen gesunden Tempel von Körper besitzen möchte, muss viele Faktoren in die Steuerung seines Alltags einbeziehen. Fahre ich mit dem SUV zum Briefkasten um die Ecke? Benutze ich den Aufzug in den ersten Stock? Reicht ein Big Mac im Menü als Frühstück oder sollte ich einen Döner hinterherschieben? Melde ich mich in einem Fitness-Studio an oder ist der Kauf des neuesten Olympia-Spiels für den Gameboy eine sinnvollere Investition? Was das Sportangebot angeht, kann man sich in Werl tatsächlich nicht beklagen, wenngleich das in der Regel mit sozialen Kontakten zu anderen Menschen einhergeht, was zugleich das Totschlagargument gegen eine Mitgliedschaft in irgendeinem Verein darstellt. Daher hat sich unser Praktikant, der eh keine Freunde hat, in den Stadtwald begeben und den neuen Trimm-Dich-Pfad in Augenschein genommen.
Auf einer Runde von ca. 2,5 Kilometern (ca. 2500 Meter oder 1,553428 Meilen) findet der Fitnessfanatiker sage und vor allem schreibe 8 Geräte vor, an denen er sich verausgaben und an den Rand des Kreislaufkollapses trimmen kann.
Kindheitstraumata- Infos zu den Stationen
Gleich zu Beginn der Runde grinst einem der fiese Bösewicht aus Schultagen entgegen. Mehrere Stangen laden zum Hochwuchten des massigen Körpers ein und ermöglichen unmittelbare Frustrationsmomente, wenn man bereits am Festhalten scheitert. Als schulpflichtige Kötte musste man vor der gesamten Klasse an derartige Geräte ran, hier lachen wenigstens nur die zwitschernden Vögel, die sich das unbeholfene Spektakel ansehen. Mit ausreichend Fusel im Gepäck stellt die Bewältigung allerdings kein unüberwindbares Hindernis dar, schließlich kann man auch einfach weiterlaufen.
Wer kennt sie nicht, die guten, alten, absolut nervigen Liegestütze. Als Kollektivstrafe in militärischen Einrichtungen sind diese Übungen ebenso beliebt, wie zum Bloßstellen untrainierter Köttenkinder. Doch der Trimm-Dich-Pfad hält 2 formschöne Stangen bereit, an denen man auch Erfolgserlebnisse verzeichnen kann. Unser Praktikant hatte jedoch vom Reck bereits zu viel Korn im Blutkreislauf, weshalb er sich nicht an die Hinweise auf dem Schild hielt und einen eher pragmatischen Ansatz wählte.
Weiter geht es über matschige Waldwege und aggressive Wurzeln zum Balancebrett. Aus Sicherheitsgründen haben wir das Gerät lediglich abfotografiert. Man sollte die möglichen Übungen nur durchführen, wenn man theoretisch noch ein Kraftfahrzeug führen dürfte.
Nun erreichen wir endlich das Highlight der Fitnessroute. Ein multifunktionales Ungetüm, welches zu akrobatischen Einlagen einlädt. Barren, Stangen zum Hangeln und ein Reck bieten dem Freiluftfetischisten ausreichend Optionen, sich spektakulär zu verletzen.
Der Pfad zum Astralkörper gestattet unterschiedliche Schwerpunkte beim Work-Out. Ausdauer, Kraft und entspanntes Dehnen sind hier die Begriffe, die man sich für den nächsten Smalltalk bei Kippe und Mantaplatte merken muss. Der Problembereich Wampe erfordert Disziplin, Weitsicht und Leidensfähigkeit. Profis bestellen sich beim Teleshopping-Sender des Vertrauens einen vibrierenden Elektroschockgürtel, der das Sixpack beim Mampfen vor der Glotze in die undurchdringlichen Fettregionen meißelt. Oder man kauft sich einfach ein cooles Shirt, auf dem ein durchtrainierter Bauch gedruckt ist. Wer stumpfsinnig selbst tätig werden möchte, kann es an der eigens dafür installierten Bauchstation tun oder sich dort gemütlich 2 Biere gönnen.
Weitere Stationen ermöglichen die Schulung des Gleichgewichtssinnes (gerade als Übung für die Konfrontation mit kritischen Türstehern) und die Stärkung sämtlicher Muskeln, die durch das angenehme Leben im Jahr 2021 kurz vor der verkümmernden Rückbildung stehen.
Der Stadtwald war gleichwohl schon vor der Installation der Gerätschaften als Fitnessbereich für den Öko mit verfilzten Haaren zugänglich. Zwischen Geäst, Wurzelwerk und Tretminen ist ganzjährig ein Parcourslauf möglich. Auf den Spielplätzen kann man ebenfalls herumkrakseln und sich noch einmal jung fühlen, während die Blagen verbal auf die Tube drücken. Verwaiste Baumstämme fungieren als nachhaltige Hanteln mit Splittergarantie. Selbst für Klimmzüge muss man nicht ins Studio, sondern kann einfach die halbtoten Bäume nutzen, bevor sie ihr Schicksal im Schlachthof ereilt.
Muckibude vs. Trimm-Dich-Pfad
Lohnt sich der Besuch des neuen Fitnesspfades im Stadtwald? Um diese Frage zu beantworten, stellen wir die einzelnen Faktoren mal gegenüber, die für den Freizeitathleten von Bedeutung sein könnten.
Preis: Der Besuch einer anständigen Muckibude geht grundsätzlich mit der Entrichtung einer Gebühr einher. Abos, Getränkeflatrates, Honorare für die Vorturner usw. schlagen eventuell einen tiefen Krater in das mickrige Budget eines handelsüblichen Werlers.
Im Wald zahlt man nix. Die Anfahrt kann man per Drahtesel bewerkstelligen, sodass man schon eine kleine Einheit zum Warmwerden hinter sich hat und direkt Vollgas geben kann.
Ausstattung:
Im Hochglanzabstellraum für Hanteln und Traumkörper gibt es alles, was man sich vorstellen kann. Geräte, die es sonst nur im Fernsehen zu bestaunen gibt, indirekte Beleuchtung, musikalische Berieselung, sanitäre Anlagen und eine Bar mit allerlei Leckereien.
Der Wald hat 8 Stationen, an denen man sich ohne abstoßende Gerüche und Geräusche verausgaben kann. Frischluftgarantie ist ab Werk enthalten. Ansonsten hört man hechelnde Jogger und Joggerinnen, pfeifendes Federvieh und auch mal den einen oder anderen Harvester, der Ordnung in das wuchernde Geäst bringt. Duschen muss man zuhause, kann es ressourcenschonend aber auch wie gewohnt unterlassen. Für die Verpflegung muss man selbst sorgen, denn Fusel kann man im Stadtwald leider (noch) nicht erwerben.
Atmosphäre: Im Fitnessparadies herrscht eine konzentrierte Stimmung, wenn die Kunden die Geräte vollschwitzen. Um sich auf die eigenen Übungen einlassen zu können, hören die Sporttreibenden die persönliche Work-Out Mukke per Kopfhörer und heben die Gewichte zu den brachialen Klängen von Blümchen oder Justin Bieber. Um hier einen Wohlfühleffekt zu erzielen, sollte keine Menschenscheu diagnostiziert sein, da mit Blicken der anderen Enthusiasten zu rechnen ist, wenn man sich an der Hantelbank seinen Korn-Cola mischt.
Im Wald ist man eins mit der Natur, jedenfalls mit dem, was die Besucher davon übriggelassen haben. So, wie es sich für einen Werler Standort gehört, wird man als Olchi immer fündig und kann sich mit Verpackungsmüll, Pfandflaschen und Zigarettenstummeln eindecken, was zugleich den instinktiven Sammeltrieb befriedigt. Andere Menschen bekommt man in der Regel nur für wenige Momente zu sehen, was ein gigantischer Vorteil ist. Keine belustigten Blicke, wenn man zu blöd ist, ein stationäres Rad zu benutzen. Kein mitleidvolles Nicken, wenn man nach 5 Minuten auf dem Laufband mit Schnappatmung vor die Tür geht, um sich eine Zigarette reinzuziehen.
Und was ist besser?
Zunächst einmal ist beides Quatsch, denn wozu unnötig bewegen, wenn man doch bequeme Alternativen hat?! Dennoch gibt es bekanntlich viele Erdbewohner, die sich dem Fortschritt verschließen und sich abmühen, um das scheinbar ideale Aussehen zu erlangen oder ein längeres Leben zu erreichen.
Der Trimm-Dich-Pfad ist auf jeden Fall eine nette Abwechslung, wenn man gerne Sport treibt. Die Schilder mit Erklärungen sind leicht verständlich, was für die Zielgruppe von fundamentaler Bedeutung ist. Der Aufenthalt in der grünen Lunge trägt zusätzlich zu einem wohligen Befinden bei, sodass die Investition seitens der Redaktion als sinnvoll erachtet wird. Natürlich ist der Pfad keine Muckibude, aber eine durchdachte Ergänzung, die den Wald definitiv aufwertet. Also die mit Senf und Nagellack besudelte Joggingbuxe angezogen, die Thermoskanne mit Rum-Cola befüllt und auf in das Freiluftstudio!
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