Wenn das Erbrochene nach Zimt, Glühwein aus dem Tetrapak und einem himmlischen Hauch Bratapfel duftet, ist die besinnliche Zeit des Jahres angebrochen. Wir dekorieren unsere Buden mit glitzernden Rentieren, rotgekleideten Schornsteinfegern und besprühen alle Flächen mit Dosenschnee. Es ist die Zeit, in der wir Geschenke für unsere Liebsten suchen, zur Abwechslung mal etwas Nachsicht walten lassen und eben nicht nur an uns selbst denken. Die Adventszeit besteht aus obligatorischen Aspekten, die alljährlich auf uns warten. Wham! dröhnt aus den staubigen Boxen, ein Budget für Dekorationen wird aufgestellt, Geschenke gekauft und in Unmengen von buntem Papier gewickelt, betriebliche Weihnachtsfeiern finden statt, die Familie wird besucht und man sprenkelt überall Zimt drauf. Viele weitere Dinge machen die Weihnachtszeit zu einer besonderen Besonderheit im Kalender. Wir wollen uns heute aber einem Kuriosum widmen, nämlich (Überschriftenleser werden es ahnen) dem Weihnachtsmarkt.
Buden, Glühwein und irgendwas aus Holz
Bevor wir uns mit Werl befassen, sollte erst einmal geklärt werden, was ein Weihnachtsmarkt überhaupt ist, wobei die Leserschaft das eigentlich besser als ich wissen müsste. Kurz gesagt stehen auf einer ausgewählten Fläche Holzhütten herum, an denen sich der berauschte Besucher mit allerlei weihnachtlichem Krempel eindecken kann. Es duftet penetrant nach Zimt, alkoholhaltiger Plörre und fettigen Fressalien. Irgendwo steht eine Tanne herum (oder wie in Dortmund ein zusammengeschraubtes Tannenungetüm). Feliz Navidad läuft in Dauerschleife und wird höchstens von Mariah Carey unterbrochen.
Auf dem Weihnachtsmarkt ist die stimmungsvolle Stimmung allgegenwärtig. Hier treffen sich Arbeitskollegen, um bei einer Tasse Glühweingesöff über die originelle Aktion mit dem Schrottwichteln zu reden, hier stellt man sich in die klirrende Kälte, statt sich wie normale Menschen in der Kneipe oder auf dem heimischen Sofa zu betrinken. Doch es geht nicht nur um Saufen, wobei das bei vielen Veranstaltungen im deutschsprachigen Raum eben ein Faktor ist, der Beachtung bedarf. Ein Weihnachtsmarkt, auf dem es kein Alkohol gibt, dürfte die absolute Ausnahme darstellen. Doch wollen wir nicht zu weit von der Bahn schlittern.
Die idyllisch wirkenden Holzhütten bedienen nämlich viele Zwecke. Der kaufwillige Konsument kann hier alles finden, was für ein gelungenes Weihnachtsfest nötig ist. Das besinnungslose Besinnlichsaufen mag da ein Faktor sein, doch hat die dreitägige Geburtstagsfeier mehr zu bieten als weingewordenes Wasser. Wer Deko braucht, stürmt die Räumlichkeiten der lokalen TEDis und Konsorten. Wer richtig Ambiente in seine Bude bringen möchte, erwirbt an einer hölzernen Hütte hölzernde Hirsche, Sterne aus buntem Papier, Weihnachtsmänner deren rötliche Wangen handbemalt worden sind und weiteres Zeugs, mit dem ich mich nicht auskenne.
Was wäre das Fest der Feste ohne Geschenke? Günstiger wahrscheinlich. Die meisten plündern Temu, Amazon oder andere Anbieter, die ihre Brocken im Idealfall bereits festlich verpackt verschicken. Auf dem winterlichen Lichtermarkt (Weihnachtsmarkt darf man ja nicht mehr sagen oder schreiben- die Sprachpolizei hat mich bereits in den Kerker geworfen) gibt es kleine Präsente zu entdecken. Handgedrehte Kerzen, liebevoll gestrickte Mützen, individuelle Kunstwerke, die man im Keller lagern kann, bis man einen geeigneten Platz gefunden hat oder auch kleine Leckereien, wie Glühweinbonbons findet man im sorgsam sortierten Sortiment.
Als ich ein kleines Köttenkind war, machten wir mal einen Klassenausflug zu einem Weihnachtsmarkt; müsste Dortmund gewesen sein. Ich habe damals nur gefressen und einen gigantischen Beutel Frittensalz gekauft. Das war praktisch, denn so hatte ich einen cleveren Einfluss auf den Speiseplan der folgenden Tage.
Ein Weihnachtsmarkt ist immer eine kleine Parallelwelt. Es duftet lecker, man kann sich den Wanst vollschlagen und mit allerlei Fusel runterspülen, was man nicht ganz zerkaut bekommen hat. Überall leuchten bunte Lichter, Musik wummert durch die kalten Abendstunden und Menschen erfreuen sich an ihrem Dasein. Man könnte es schlimmer haben, wobei eine Badewanne voller Schaum auch ihre Vorteile hat.
Weihnachtsmarkt in Werl
(vom 6.12.-15.12.2024 n. Chr.)
Warum sollte man den Werler Weihnachtsmarkt besuchen? Der in Soest ist schöner und der in Dortmund größer. Was soll man auf solche Argumente schon erwidern? Auf die Größe kommt es nicht an, Schönheit liegt im Auge des Betrachters oder wie mein Oppa zu sagen pflegte „Machn Kopp zu!“
Wir möchten etwas differenzierter an die Sache herangehen, denn die gesamte Redaktion wird sich den Besuch des Werler Weihnachtsmarktes nicht nehmen lassen.
Natürlich ist die Soester Altstadt eine Augenweide. Noch schöner sieht sie nur aus, wenn Horden von betrunkenen Gestalten in den Super Hupferl torkeln wollen. Selbstredend ist der Dortmunder Tannenbaum eine ingenieurstechnische Meisterleistung, hat aber mit dem Fest, wie ich es mir vorstelle nur bedingt etwas zu tun. Das Praktische an den ganzen Märkten ist ja, dass sie an mehreren Tagen stattfinden. So kann man sich an einem Tag durch das Glühweinangebot in Dortmund trinken und am Folgetag den Kater auf einer kleineren Veranstaltung verarbeiten. Die überall im Lande stattfindenden Holzbudenausstellungen verfolgen jeweils verschiedene Ansätze, setzen andere Schwerpunkte und locken unterschiedliche Zielgruppen an. Warum sollte man also ausgerechnet in Werl die Weihnachtsstimmung ausleben?
Dafür gibt es viele und vor allem gute Gründe. Zuallerallererst sei erwähnt, dass es in Werl stattfindet. Genug Leute jammern ständig herum, dass es hier ja nix gibt, nix geboten wird und man höchstens Leerstände zählen kann. Dagegen würde helfen, wenn besagte Jammerlappen die lokalen Angebote einfach mal wahrnehmen würden. Es tut nicht weh und man muss nicht stundenlang im Stau stehen oder auf verspätete Züge warten.
Ist doch überall der gleiche Scheiß!
Generell gilt, ein differenzierter Blick lohnt meistens, wenn nicht sogar immer. Viele Weihnachtsmärkte werden von professionellen Händlern beschickt (ja, so nennt man das). Natürlich bieten diese teils Massenware an, selbstverständlich ist nicht jeder Markt ein lokal eingefärbter Wintertraum.
Gerade dieser Wunsch wird aber in Werl erfüllt. In den kleinen Buden stehen Leute aus Werl und Umgebung. Örtliche Vereine, Kindergärten und Schulen verkaufen Waffeln, Gebäck oder gebasteltes Gedöns. Wenn ich mir schon irgendeinen Krempel in die Wohnung stelle, kann es doch auch ein Unikat aus Werler Produktion sein. Vielleicht hat sogar ein waschechtes Köttenkind den Stern gefaltet, den ich mir dann als Glücksbringer über den Eingang zur Toilette hänge.
Zwischen den Ständen trifft man bekannte Gesichter, kann sich über den täglichen Tratsch und Klatsch austauschen und sich gegenseitig einige Getränke ausgeben. Sobald der Pegel erreicht ist, bei dem man am besten im Bett aufgehoben ist, hat man es nicht weit. Praktisch.
Ein Highlight in Werl ist sicher die „Eisbahn“ (die Anführungszeichen sind nötig, da es strenggenommen eine Kunststoffbahn ist). Hier schnallt man sich Schlittschuhe unter die Schochen und gleitet galant im Kreise oder knallt geschwind gegen die Banden.
Wenn ihr also zu den Leuten gehören solltet, die sich gerne auf einem Weihnachtsmarkt herumtreiben, dann treibt euch gefälligst in Werl herum. Und selbst, wenn ihr mit dem Quatsch nichts am Hut haben solltet, gönnt euch einfach ne Waffel oder guckt zu, wie Leute auf der Eisbahn auf den Allerwertesten plumpsen.
Comments