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Alman Almanach

Autorenbild: Werler KötteWerler Kötte

Prologisches


Deutschland ist ein tolles Land. Deutsche sind tolle Menschen. Das sind allgemein bekannte und anerkannte Fakten, an denen niemand zu rütteln wagt, dessen Verstand in halbwegs funktionstüchtigem Zustand ist. Doch was ist deutsch? Wodurch zeichnen sich die Teutonen aus? Das sind recht einfache Fragen, deren Beantwortung wir uns mit diesem allumfassenden Almanach widmen möchten. Mit „wir“ meine ich mich, aus stilistischen Gründen lege ich mich aber nicht auf ein Pronomen fest, womit ich dem Zeitgeist Rechnung trage.


Der „Alman Almanach“ ist ein ambitioniertes Projekt, das sich in vielen kleinen Berichten der deutschen Seele annähern möchte. Dabei soll es um eigenwillige Eigenheiten, gesellschaftliches Zusammenleben, Fressen, Saufen, Kultur, Zwangsneurosen, Traditionen und weitere Wesensmerkmale gehen. Der Leserschaft sollte allerdings bewusst sein, dass wir ein Thema nicht mit einem Artikel erschöpfend behandeln können. Wenn wir uns beispielsweise mit Traditionen befassen, könnten wir eine kleine Bibliothek mit unseren Erfahrungen und Erkenntnissen füllen. Von A, wie Ausländerfeindlichkeit über F, wie Fußball bis hin zu Z, wie Zorro gibt es da einiges abzuarbeiten. 


Genug geplänkelt, legen wir mal los!


Collage aus Graffiti, Schildern und einer Schützenhalle
Unser Designer ist im Urlaub, also muss das reichen

Was hastu gesagt?


Menschen kommunizieren in vielfältiger Weise miteinander. Per Mittelfinger, Emojis (Smileys, kleine Bildchen halt), entblößten Geschlechtsteilen oder Lichthupe. Die Kirsche auf dem Sahnebecher menschlicher Kommunikation ist die deutsche Sprache.


Wir sprechen Deutsch. Das ist nicht nur eine wohlklingende Art der Kommunikation, sondern verlangt dem Nutzer weitreichende Kenntnisse ab. Denn Deutsch ist nicht Englisch. Das wäre auch zu einfach. Wie kann man seinem Gegenüber mehr Kompetenz und Erhabenheit demonstrieren, als durch ein Satzungetüm mit verschachtelten Nebensätzen, die dem Zuhörenden das Gefühl geben, er sei auf einer abenteuerlichen Achterbahn, an deren Ende er nicht mehr weiß, wo die Fahrt eigentlich losgegangen ist? Genau, das war eine rhetorische Frage, eines der unzähligen Stilmittel im Wasserfarbmalkasten unserer Sprache.


Deutsch ist wandelbar, präzise und lässt dennoch genügend Interpretationsspielraum, um Schüler bei der Gedichtanalyse an den Rande des Nervenzusammenbruchs zu schubsen. Deutsch eignet sich für allerlei Verwendungszwecke. Dem Nachbarn im überfüllten Bus wird zärtlich „dein Hosenstall ist auf“ ins Ohr geflüstert. Im Stadion beleidigt man brüllend die gesamte Ahnenreihe des gegnerischen Torhüters. Im Supermarkt bittet man höflich um die zügige Öffnung einer weiteren Kasse. Oder man bestellt eine Mantaplatte mit ohne Mayo an der Frittenbude.


Warum? Weil es unnötig kompliziert ist, sodass selbst Einheimische im Erwachsenenalter selten grammatikalisch einwandfreie Sätze auf die Kette bekommen. Ständig werden sprachliche Zumutungen beim Plausch im Café hinausposaunt, dass man am liebsten Duden (Nachschlagewerk) vor Köpfe schleudern würde. Woher die Aggression? Deutsch ist so anmutig, dass mich gewisse Formulierungen einfach triggern. Und ich meine nicht das Gendern, sondern eher „das einzigste Wurstbrot hat er gegessen“ oder das Verzichten auf Präpositionen. „Wo wollen wir uns treffen? Kommstu später Bahnhof?“


Sicher, Deutsch ist tatsächlich nicht gerade leicht, weil wir eben hohe Ansprüche haben. So nutzen wir starke und schwache Verben (Tu-Wörter), unregelmäßige Adjektive (Wie-Wörter) und müssen die Artikel vor unseren Substantiven (Namenwörter) je nach Kasus anpassen.

Beispiel: Das Auto (des Deutschen bester Freund) Ich stehe hinter DEM rostigen Auto. Die Farbe DES Autos ist undefinierbar, aber hässlich. Wir sollten hinter DEN Polizeiautos herfahren.

Damit ist das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. Was das bedeuten soll? Das wird in einem anderen Bericht in ferner Zukunft eingehender untersucht; Das Ende der Fahnenstange ist eines unserer heiligen, vor Weisheit strotzenden Sprichwörter, die wir in jeder erdenklichen Situation aus der prall gefüllten Tasche ziehen.


Genug abgeschweift, kommen wir zu Komposita. Das sind zusammengesetzte Wörter, durch die wir unfassbar lange Buchstabenketten bilden können. Einfaches Beispiel: Autoreifen. Komplexes Beispiel: Dönerbudenreklameschildanbringer. Für Komposita gibt es eigene Regeln, was den korrekten Artikel (der, die, das) betrifft. Einfach einen Deutschkurs in der örtlichen VHS (Volkshochschule, nicht Videokassette) belegen.


Je nachdem, wo man sich in unserem prächtigen Lande aufhält, gibt es unzählige Sonderregelungen. Im Ruhrpott wird der ästhetischste Dialekt gesprochen. Im Osten haben Begriffe andere Bedeutungen (Stichwort Pfannkuchen, Berliner oder wie man die Zuckerbomben auch immer schimpfen möchte). In Bayern hat man die Artikulationslaute so angepasst, dass es klingt, als wäre der Sprechende gerade mit 1,6 Promille aus dem Bierzelt getorkelt, was durchaus praktisch erscheint.


Um uns zu verstehen, ist die Beherrschung des Wortes eine Grundvoraussetzung, aber weniger als die halbe Miete. Denn man lernt nie aus. Lediglich sprechenden Menschen kann geholfen werden. Außer man versteht nur Bahnhof. Denn Reden ist Silber, Labern ist Gold.


Wie man bereits aus diesem überschaubaren Geschreibe ersieht, handelt es sich bei unserer Sprache um ein unüberschaubares Konstrukt, welchem wir uns dennoch Schritt für Schritt annähern werden.


Bis dahin verbleiben wir mit freundlichen Grüßen,

Werler Kötten.

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