Ich entstamme einer Generation, in der das lineare Fernsehen noch eine entscheidende Rolle im Alltag gespielt hat. Sicher blickt man teils verklärt auf die glorreiche Vergangenheit zurück, dem kann sich selbst eine gestandene Kötte nicht gänzlich entziehen. Der Konsum flimmernd bewegter Bilder spielte sich im Wohn- und Kinderzimmer gleichermaßen ab, wobei die Inhalte und Abläufe deutlich voneinander abwichen.
Guck doch deinen Scheiß!
Im Wohnzimmer gab es eine klare Aufgabenaufteilung. Erna war mit der Fernsehzeitschrift bewaffnet. Das war ein Heftchen, das aus dünnen Seiten bestand, auf welchen das TV-Programm von mehreren Wochen gedruckt wurde. Kurze Inhaltsangaben zu den Spielfilmen, Neuigkeiten über aktuelle Kinofilme und ein Kreuzworträtsel auf den letzten Seiten machten aus einer schnöden Informationsansammlung ein wahres Kunstwerk.
Erna saß auf ihrem Sessel und plante das Unterhaltungsprogramm für den Abend. Tagsüber verfolgte sie Spielshows (Familienduell, Der Preis ist heiß und ähnliche Klassiker), wenn die Sonne sich langsam senkte und der Mann des Hauses von der Maloche kam, wurden Serien und Filme angeschaltet.
<<Was gucken wir denn heute?>>, war eine der täglichen Fragen. Erna versuchte allen Geschmäckern irgendwie gerecht zu werden. Es gibt Dinge, die ändern sich eben nie. Heutzutage stehen die Konsumenten auf „True Crime“, denn Blut geht immer. Auch früher war es nicht anders, jedoch etwas familientauglicher. Tatort war noch nie so mein Fall, aber Kommissar Rex lief regelmäßig auf dem Qualitätsprodukt aus dem Hause Grundig. Oppa meckerte regelmäßig über alle möglichen Dinge, die er wahrnahm. Er wirkte beinahe wie ein Fußballkommentator, der einen grottenschlechten Kick begleiten musste. Oder wie die Leute, die sich scripted-reality ansehen und das Gezeigte für ein Abbild der Realität halten.
Wenn ein zwielichtiger Schmierlappen schon in den ersten Minuten als offensichtlicher Schwerverbrecher schief in die Kamera guckte, aschte er seine Zigarre elegant ab, nahm einen Schluck von der Whiskey-Cola Mische und sagte dann Weisheiten, wie. <<Guck dir den mal. Der hat doch Dreck am stecken. Alte Pissbirne.>> oder <<Die sollen den Penner einbuchten. Das siehste dem doch an. Der hat bestimmt die Olle abgestochen.>>
Krimis liefen also häufig. Allerdings auch Filme, in denen geballert wurde, Gegenstände ohne ersichtlichen Grund explodierten und es ordentlich was auf die Fresse gab. <<Dem würde ich eine knallen, dass ihm der Arsch platzt.>> Sicherlich könnte man belustigt betrachten, wenn ein Stuckateur (die verputzen Häuser, du Hampelmann. Also die futtern die nicht, sondern klatschen Putz an die Fassade) derartige Aussagen trifft, wenn er irgendwelche Actionstars betrachtet. Nur, naja, Oppa hätte ich immer zugetraut, den Stallone ins Krankenhaus zu kloppen.
Heimkino
Ich lebte nicht nur in der Zeit des linearen Fernsehens, sondern auch im Zeitalter von Videotheken, bin also quasi ein Historiker. Dort konnte man sich Filme, Serien und anderen Firlefanz leihen und daheim auf dem Sofa schauen. Wie Netflix, nur, dass man dafür eine Hose anziehen musste. Das Thema Videothek habe ich anderweitig schonmal ausführlicher bearbeitet, denn hier soll es ja nicht um die freudigen Besuche in den Werler Videotheken gehen, zumal wir im Drosselweg quasi eine eigene Filiale hatten.
Im Wohnzimmer stand ein Ungetüm von Schrankwand. Sowas wird heute (zu Recht) gar nicht mehr hergestellt. Jedenfalls verfügte es über etliche Schubladen, Fächer, eine Bar und Türchen.
An den äußeren Seiten konnte man Regale hinausziehen, die erstaunlich viel Stauraum boten. In diesen waren wiederum hunderte Videokassetten, die liebevoll per Hand beschriftet worden sind. Wenn Erna in der Fernsehzeitschrift mal einen guten Western entdeckt hat, wurde der Videorekorder eingestellt und das Meisterwerk aufgenommen. Das war sozusagen der Vorläufer des heutigen Streamings. Man baute sich nach und nach eine beachtliche Bibliothek auf, die man „On Demand“ jederzeit gezielt nutzen konnte. Auf die nachhaltigen Papphüllen wurde anschließend eine Nummer geschrieben. In einem Schnellhefter befand sich wiederum die Bestandsliste, die per Schreibmaschine fein säuberlich und übersichtlich die Suche erleichterte.
Früher war alles besser
Das stimmt natürlich nicht. Dieser Satz wird vor allem von alten Säcken oft und gerne ausgesprochen, wobei ich mich inzwischen definitiv als junggebliebenen alten Sack bezeichnen würde. Dennoch muss ich trotz der mir bewussten Glorifizierung der Kindheitstage festhalten, dass das Kinderprogramm im Fernsehen vor Jahrzehnten seinen Zenit erreicht hat und inzwischen ziemlich nah an der Talsohle angelangt ist. Wenn nicht sogar weit darunter.
Im Kinderzimmer stand mir schon früh ein formschöner Röhrenfernseher zur Verfügung, mit dem ich ausgiebig Qualitätssendungen konsumierte. Nein, das ist nicht ironisch gemeint. Ich möchte hier jetzt kein Almanach beginnen, in dem die besten Kinderserien thematisiert und analysiert werden, aber beispielhaft werde ich einige Beispiele erwähnen.
Die Turtles mit dem Intro des legendären Frank Zander. Batman, der die Maßstäbe eines Superhelden im kindlichen Horizont verschiebt und um weitere Ebenen erweitert. Niemand war so langweilig wie Superman. Spiderman hingegen versprach immer beste Unterhaltung. Themen wie Verantwortung befleckten jedoch den ungetrübten Spaß. Überhaupt versuchten die Zeichentrickserien schon früh, Ethik, Moral und anderen Firlefanz anzusprechen. Der Holzhammer, mit dem heute gearbeitet wird, verlieb aber meist ungenutzt in der Schublade.
Darkwing Duck hat mich und meinen Humor nachhaltig geprägt. Eine Kinderserie, die mit Stilmitteln der Parodie und Satire gespickt war, gewürzt mit beißender Ironie und einer Prise Sarkasmus.
In eine ähnliche Kerbe schlugen „Die Dinos“. Gesellschaftskritik, absurder Humor und das Baby, das mit seiner Art jeden zum Lachen bringt, dessen Zwerchfell noch nicht degeneriert ist.
Pokémon war damals nach der Schule ebenso Pflichtprogramm, wie die Kickers. Ich war nicht so der Tsubasa-Fan, sondern ein leuchtender Anhänger der „Nie-Gewinn-Kickers“. Als Erwachsener habe ich die Serie nochmals geschaut und hatte dabei meinen Spaß. Ob das für oder gegen meine Persönlichkeitsentwicklung spricht, lasse ich mal dahingestellt.
Eigentlich konnte man als Jaust jederzeit die Mattscheibe anschmeißen und sich herausragende Zeichentrickserien reinziehen. Die Schatzinsel (wie so viele andere Sendungen mit einem Ohrwurm von Intro ausgestattet), Käpt‘n Balu und seine Crew, X-Men, Thundercats, He-Man, Gargoyles, Disneys Große Pause, Pinky und der Brain, Brain, Brain, Brain, Brain, Brain, Brain, Brain, Brain, Geschichten aus der Gruft, Dragonball, Hey Arnold!, Rockos modernes Leben (aber manchmal voll daneben), Biker Mice from Mars und so viele mehr… Leck mich am Arsch. Die gesamte Bandbreite von Unterhaltung stand mir als Jaust zur Verfügung und heute dürfen die Blagen Paw Patrol gucken…
Ist das was für Kinder?
An anderer Stelle habe ich es bereits angedeutet. Bei uns im Hause wurden indizierte Titel auf der Playstation gespielt, was an den pädagogischen Grundsätzen unserer Mamma lag. Sie hatte genug Vertrauen in unsere emotionale und intellektuelle Stabilität und ließ sich nicht von irgendwelchen Behörden vorschreiben, was ihre Blagen zu schauen hatten. Eine kluge Entscheidung, denn die Behörden hatten von den Themen in etwa so viel Ahnung, wie Warsteiner vom Bierbrauen.
Was für die Playsie galt, galt natürlich auch für den Konsum von Filmen. Also marschieren wir einmal kurz durch das Feld cineastischer Meisterwerke, die ich im Gegensatz vieler Altersgenossen genießen durfte.
Aufs Maul?!
Beginnen wir mit den harmloseren Sachen. Jäuster haben ein inneres Bedürfnis nach Raufereien, Gekloppe und Geprügel. Besonders die 90er befriedigten dieses Grundbedürfnis allumfassend. Bloodsport mit Jean-Claude Van Damme war einer meiner Lieblingsfilme. Ja, der Kerl kommt halt aus Belgien, deswegen mochte ich ihn und weil er gut treten konnte. In dem Streifen gibt es viel auf die Fresse, spektakuläre Zeitlupenszenen und einen Spagat, der männlicher nicht wirken könnte. Allgemein mochte ich die Van Damme Filme gerne. Egal, ob er ne Knarre hatte oder nicht, irgendwann wurde getreten.
In den 90er gab es reichlich Backenfutter. Stallone, Van Damme, Willis und Konsorten mähten alles nieder, was ihnen ins Visier kam. Ein für mich heute noch sehr sehenswerter Film ist Terminator 2 mit dem amerikanischen Politiker Arnold Schwarzenegger. Ich war vielleicht 8 oder so, als ich ihn zum ersten Mal gesehen habe. Wie für viele Streifen, die mir früh im Leben begegneten, ist der dystopische Actionfilm noch immer einen Besuch wert und bricht mit der Regel, dass Fortsetzungen schlechter sein müssen.
Clowns, Puppen und anderes Gekröse
Audiovisuelle Meisterwerke, die eigentlich nicht für Kinderaugen gemacht waren, gab es nicht nur in der Sparte „Aufs Maul“, sondern auch im Horrorgenre. Ich war schon immer ein Freund von Untoten, Monstern und gruseligen Erzählungen. Geschichten aus der Gruft war eine Kinderserie, die ich gerne schaute. Aber das war eben eine Kinderserie.
Der lieben Mamma sei Dank, entwickelte ich schon früh Freude an Horrorfilmen. Entweder durfte ich die Teile im Fernsehen, auf Videokassette oder aus der Erwachsenenabteilung der Videothek sehen.
Stephen Kings Werke habe ich beinahe komplett vertilgt (also das Geschreibe), wobei ich auch fast alle der teils miserablen Verfilmungen durchgestanden habe. Es (die alte Verfilmung) hat dabei die tiefsten Spuren hinterlassen. Vielleicht auch aufgrund des Schauspielers Jonathan Brandis, den ich aus anderen Serien und Filmen schätzte und der Suizid beging. Allerdings ist die schauspielerische Leistung Tim Currys (bekannt als Portier aus Kevin allein in New York) schlicht beeindruckend.
Chucky die Mörderpuppe war für mich eher eine Komödie und sehr belustigend. Freddy Krueger hingegen sprach schon eher die Ängste im Köttenkind an. Allerdings kann ich mich nicht dran erinnern, jemals Alpträume wegen Filmen gehabt zu haben. Eigentlich habe ich mir alles reinziehen dürfen, was ich wollte. Alien, Muttertag (war damals indiziert), Halloween und alles, was mit Strömen frisch gezapften Blutes zu tun hatte. Shining, eine der Schöpfungen Kubricks gehörte ebenso zu meinen Favoriten, auch wenn Stephen King mit den grundlegenden Veränderungen ein Problem hatte, funktionierte es als losgelöstes Kunstwerk sehr gut.
Rückblickend bin ich einfach zufrieden und dankbar, schon früh mit den Spielarten des Kinos in Berührung gekommen zu sein, was eben nicht selbstverständlich ist bzw. war.
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