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  • AutorenbildWerler Kötte

Freibad- Kötten im Chlor

Es ist Sommer! Ja, selbst mit den glasigen Augen einer verkaterten Kötte sind die Zeichen nicht mehr zu übersehen. In den Eisdielen sitzen ledrig gegerbte Leute und bekleckern sich mit allerlei Geschmacksrichtungen. In den Baumärkten lassen sich stattliche Plauzen von käsigen Mitarbeitern beraten, welcher Grill denn am besten zu ihrer Leibspeise passt, abgepacktem Billigfleisch vom Discounter des Vertrauens. Doch im Sommer geht es nicht nur um das formvollendete Wenden von Burgern und Wurst, sondern eben auch um das kühle Nass. Wer die Überschrift gelesen hat, wird scharfsinnig erkannt haben, worum es heute gehen wird. Also packen wir die Badehose ein und wagen uns ins legendäre Werler Freizeitbad.



Hallenbad ohne Dach


Im Gegensatz zum Soester Kaff, welches nur das überteuerte Aquafun im Sortiment hat, bietet Werl seinen Einwohnern ein Hallenbad für die kalten Wintermonate und ein ansehnliches Freibad. Ja, das Aquafun hat einen winzigen Außenbereich, aber der ist in etwa so groß wie das Planschbecken in der Köttenstadt.


Bevor wir das Drehkreuz passieren, müssen wir kurz auf den äußeren Rahmen eingehen. Das Freibad befindet sich (städteplanerisch sinnvoll) im Sportpark, welcher seinen Namen verdient. Wer mehr über Sport im Allgemeinen erfahren möchte, muss einfach seinen kontaminierten Daumen auf folgenden Link bugsieren.



Ausreichend Parkplätze für motorisierte Edelmänner und pedaltretende Pedanten stehen den Gästen zur Verfügung, wobei durch den Neubau der Turnhalle momentan etwas weniger Fläche nutzbar ist. Notfalls kann man sein stolzes Brummbrumm aber auch an der Dreifachhalle abstellen. Um unnötige Schritte zu vermeiden, hat man stattdessen zu den glorreichen Tagen meiner Kindheit einfach die überflüssigen Bürgersteige zugestellt, denn 2 Minuten Fußweg sind schlichtweg eine Zumutung.


Ich packe meine Tasche…


Es ist heiß und da mein Planschbecken für die Kühlung von erlesenen Kornvariationen herhalten muss, entscheide ich mich für einen Besuch des örtlichen Schwimmbades. Ich packe meine Tasche im gewohnten Pragmatismus. Eine Kühlbox, in der 3 Dosen Faxe, Tankstellenfrikadellen und seit 2 Jahren geöffnete Sonnencreme Platz finden. In die alte Sporttasche, die nicht mehr ganz so frisch riecht, packe ich das kratzige Badetuch mit dem verblichenen Preußen-Adler, ne Schachtel Camel ohne Filter, die Super-Illu und Duschgel für Körper, Haare und Kochwäsche.

Die Parkplätze sind gut gefüllt und ich habe noch einen leichten Schwips vom gestrigen Gelage in der Galle, kann eine Abkühlung also gut verbrauchen, soll für die Redaktion aber auch journalistisch wertvolle Eindrücke sammeln und Fotos knipsen. Mein Einwand, dass man mich für einen notgeilen Spanner halten könnte, wurde mit Hinweis auf die interne Hierarchie als irrelevant eingestuft.


Die Schlange ist recht kurz, da die meisten Menschen offensichtlich nicht bis 12 Uhr ihren Rausch ausschlafen mussten. An der Kasse begrüßt mich eine freundliche Dame. Hinter ihr gibt es alles, was man gebrauchen könnte, wenn man zu blöd zum Packen einer Tasche ist. Bademode (gibt es ausschließlich in hässlich, außer es ist ein Relaxo darauf), Poolnudeln (welch kurioser Begriff), Taucherbrillen und Schwimmflügel. Das Ticket halte ich an ein rot leuchtendes Kartenlesegerät, welches magischerweise auf Grün wechselt und das Drehkreuz aus der starren Türsteherhaltung befreit, sodass ich mit Kühlbox und Tasche das Freizeitbad betreten kann.


Was es nicht alles gibt…


Das letzte Mal war ich vor knapp 20 Jahren hier und es hat sich einiges verändert. Soll ja nicht immer schlecht sein. Mir fällt direkt so eine Art Station für eine kostengünstige Kneippkur ins Auge. Bibbernd und zitternd waten einige Übermutige durch das kalte Wasser. Kopfschüttelnd passiere ich die Trottel. Das Bächlein erinnert mich ein wenig an den Salzbach, jedoch fehlen dekorative Elemente, wie Wodkaflaschen oder Einkaufswagen.


Salzbach ohne Müll

Ich wandere über das satte Grün. Überall liegen Kötten und lassen sich die Haut in ein ästhetisches Rot brutzeln. Kinder rennen schreiend herum, Erwachsene rennen schreiend hinterher. Das Planschbecken ist mit einem Sonnensegel überspannt, damit die kleinen Jäuster ohne Sonnenbrand für die Befüllung mit frischem Urin sorgen können. Direkt daneben ein klassischer Spielbereich. Wer einen Fuß in den heißen Sand setzt, wird wissen, was wahre Schmerzen sind. Einige Kerle scheinen frisch aus der Muckibude zu kommen und haben sich ihre überproportionierten Brüste mit Sonnenöl eingerieben. Ich kann sie nur kurz bestaunen, denn die reflektierenden Sonnenstrahlen blenden mich. Sie spielen Volleyball, wobei das Hauptaugenmerk auf dem richtigen Präsentieren des Prachtkörpers liegt.


Camp Chlor


Ich finde einen Platz, an dem ich mein Lager aufschlagen kann. In deutscher Tradition reserviere ich ihn verbindlich mit einem Handtuch und begebe mich anschließend zu den Schließfächern. Kann mein Nokia 3330 und den Schlüssel für meinen Tretroller ja nicht unbeaufsichtigt hier herumliegen lassen. Hochmoderne Schränke, die mühelos den Sicherheitsstandards der Sparkasse und Volksbank genügen würden, fallen mir ins Auge. Mit dem Einkaufschip aktiviere ich den Miniaturtresor und friemel das Bändchen um mein blasses Handgelenk.


Goldbarren, Koks und Diddl-Blätter- Hier ist alles sicher

Während ich mir das erste Bier des Tages gönne, pöhlen einige Jugendliche. Die obligatorischen grünen Mülltonnen dienen als Tormarkierungen. Menschen sind eben kreativ. Modisch wird alles aufgefahren, was in den letzten 50 Jahren nachhaltige Textilfabriken verlassen hat. Kleinere Zelte fungieren als Schattenspender, wobei man doch eigentlich für den Ganzkörpersonnenbrand hier ist? Ich wische den Gedanken beiseite und mache es mir auf meinem Handtuch bequem. Die Dose zischt, der Inhalt landet zügig in der Kehle, denn Dehydration ist ein ernstzunehmendes Risiko. Um nicht hungrig ins Chlorwasser zu steigen, gönne ich mir 2 Frikadellen und spüle sie mit köstlichem Gerstensaft herunter.




Nicht vom Beckenrand springen!


Bevor man ins Wasser gehen darf, muss man sich unter die Dusche stellen. Das ist ein Axiom (einfach Google, Ecosia oder den alten Physiklehrer fragen). Nach Betätigen des Knopfes sprüht Wasser aus den Düsen, das kurz über dem Gefrierpunkt steht. Plötzlich wieder nüchtern! So ein Dreck! Egal, jetzt geht es endlich ins Wasser. Zitternd betrete ich das Nichtschwimmerbecken über die Treppenstufen.


Überall fliegen Bälle in unterschiedlichen Größen und Farben umher. Ein Wasserball trifft mich am Kopf. Ich schaue ihn an und ein Jaust mit Sommersprossen hält mir die Hände entgegen. Kurz wäge ich ab, lächle freundlich (jedenfalls versuche ich es) und schmettere den Ball Richtung Horizont. Einen kurzen Moment lang überlegt der Bengel, ob er weinen soll, macht sich dann aber auf den Tagesmarsch, um seinen Ball zu bergen, der in irgendeinem Busch gelandet ist.


Die Schlange an der Rutsche ist beachtlich. Mit Respekt auf Werler Gepflogenheiten werden die Abstandshinweise konsequent missachtet, was mich mit etwas Stolz erfüllt. Also ist die kommende Generation doch nicht verloren.



Das Springen vom Beckenrand ist verboten, behauptet ein Piktogramm. Klarer Fall von Fake News. Jedenfalls hat sich das hier noch nicht herumgesprochen. Ich werde Zeuge, wie Halbwüchsige mit halsbrecherischen Manövern ins Becken springen. Ansonsten das Übliche. Hier wird getaucht, da gebrüllt und vielerorts eifrig gedöppt. Eine liebevolle Tradition. Aufgrund des Lärms dröhnt mir die Rübe, weshalb ich selbige unter eine Art Wasserfall halte. Das Gebrüll verschwindet, aber die Kopfschmerzen steigen. Ich schleppe mich aus dem Becken und möchte einige Bahnen ziehen.



Das Schwimmerbecken war früher größer, dafür gibt es nun eine Art Chill-Lounge dahinter. Ich mache einen Köpper vom Startblock und schwimme wie ein Olympionike durch das chlorierte Wasser. „Schnell, helft ihm, der ertrinkt!“, brüllt eine Stimme. Plötzlich springt der Bademeister ins Becken und greift mir unter die Achseln. „Keine Sorge, wir sind gleich an Land.“ Er fragt mich, ob alles okay sei. Ich nicke. „Haben sie getrunken?“ Ich nicke erneut. „Geh mal besser nach Hause, Kollege.“ Ich entgegne, dass ich nicht sein Kollege sei und er mich gefälligst nicht duzen soll, doch muss ich einsehen, dass er am längeren Hebel ist. „Falls du mal Probleme am Pfandautomaten haben solltest, werde ich dir nicht helfen, KOLLEGE.“ Ich wünsche noch einen schönen Tag und muss ohne eine Portion Schwimmbadfritten wieder nach Hause.


Genug rumgekaspert?


Jetzt sollten wir mal den pseudolustigen Quatsch beiseitelassen und uns abschließend etwas sachorientierter mit dem Freibad befassen. Keine Sorge, ich halte mich kurz.


Entweder man geht gerne schwimmen oder eben nicht. Und wer zur ersten Kategorie gehört, wird in Werl sicher auf seine Kosten kommen. Momentan wird saniert, repariert, frischer Lack aufgetragen und die Beleuchtung erneuert, weshalb der Innenbereich nicht zur Verfügung steht. Normalerweise kann man zum Beispiel auch die spektakuläre Röhrenrutsche nutzen.

Davon abgesehen gibt es das übliche Standardprogramm, wobei das Werler Freizeitbad wie ein Hybrid aus unterschiedlichen Zeitaltern wirkt.


Es gibt moderne Elemente, wie eine kleine strandartige Fläche, auf der man dem brennenden Leib etwas Entspannung angedeihen lassen kann. Der Spielplatz hat auch noch nicht viele Jahre auf dem Buckel. Der kleine Bach ist ein nettes Element und bringt etwas Abwechslung fürs Auge mit.


Dann gibt es eben die museumswürdigen Wertschränke, den obligatorischen Volleyballplatz, Mülltonnen, die schon von den Altvorderen befüllt wurden, Tischtennisplatten und ein großes Schachspiel (als ob das jemand beherrschen würde). Aber eben auch eine Slackline-Station. Es ist eine Mischung, die einen gewissen Charme aussprüht.


Modifizierte Version für richtige Kötten

Zu nem Schimmbadbesuch gehören Pommes. Seit kurzem hat ein neuer Inhaber den Imbiss übernommen. Bei meinem Besuch hatte ich leider nicht die nötige Geduld. Es dauerte halt lange. Die Schlange wurde nicht kürzer und es wird mit diesen Funk-Piep-Dingern gearbeitet. Eigentlich ne gute Sache, aber es wird der Eindruck erweckt, dass ja gar nicht mehr so viele vor einem sind, wobei an den Tischen noch 10 Kötten auf die Auslieferung ihrer Mantaplatten warten. Früher gab es ein Fenster, an dem man sich Süßkram, Eis und Getränke holen konnte. Die wirklich Hungrigen gingen zum anderen Fenster. War aber auch voll und ich bin von Natur aus ungeduldig. Bei einer anderen Gelegenheit habe ich bereits frittierte Fressalien vom Betreiber essen dürfen und kann sagen, dass die Qualität stimmt, sich teilweise sogar deutlich über dem befindet, was man sonst in Schwimmbädern gereicht bekommt.


Fazit: Das Freibad gibt es schon ewig. Als Köttenkind habe ich noch einen anderen Eingang benutzt (von dem Bereich, wo nun Wohnmobile parken dürfen), aber der Großteil des Charmes ist trotz und durch die Veränderungen geblieben. Ich werde im Sommer sicher nochmal zugegen sein, und wenn ich nur zum Essen hingehe. Wer für etwas Abkühlung kein Geld ausgeben möchte, kann sich ja am Marktplatz mit kühlem Nass besprenkeln lassen.

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