Wer in Werl lebt, braucht hin und wieder etwas Erholung. Die Wege zur Entspannung von Körper und Geist sind mannigfaltig. Einige pöbeln sonntags an der Seitenlinie von Maulwurfsäckern herum, während polyesterbekleidete Leute fußballähnlichen Sport betreiben, andere melden Falschparker per Fax beim Ordnungsamt oder man korrigiert die Rechtschreibfehler im Soester Anzeiger mit dem roten Wachsmalstift. Werl bietet Erholungsbedürftigen aber ebenso den klassischen Ansatz. Deshalb betreten wir heute gemeinsam die grüne Lunge der Köttenstadt. Ne, nicht den Stadtwald, sondern den sagenumwobenen Kurpark.
Um dabei ein strukturiertes Vorgehen vorzutäuschen, wollen wir uns den schier endlosen Funktionen des Kleinods abschnittsweise widmen.
Blagen
Sie sind unsere Zukunft, weshalb wir in der Gegenwart nicht zu viel für sie tun sollten. Schließlich wächst man mit seinen Aufgaben und davon hinterlassen wir den kleinen Rackern eine spaßige Fülle. Doch darum soll es heute nicht gehen.
Die kleinen Köttenkinder pflegen zwar am liebsten ihren TikTok-Account oder lernen das akkurate Stopfen von Zigaretten, aber gelegentlich brauchen sie auch eine kleine Dosis frische Luft. Daher karrt die Parentalgeneration ihren ganzen Stolz gerne in den Kurpark, denn hier gibt es einiges zu erleben.
Der große Spielplatz mit dem obligatorischen Seilklettergedöns bietet nach der Modernisierung einige Bewegungsangebote. Hier können die Kids schaukeln, rutschen, im Sand nach Kuriositäten suchen oder die frischen Tags von schlecht alphabetisierten Straßenkünstlern entziffern.
In der Nähe der Saline (da kommen wir noch zu) wurden unlängst neue Gerätschaften platziert, welche die Bandbreite nochmals ähm verbreitern. Hier können die kurzbeinigen Miniaturmenschen an ihrem Gleichgewichtssinn arbeiten, über bewegliche Bretter balancieren, auf einem Jeep Safari spielen oder auf recycelten Autoreifen Trampolinspringen. Nicht zu vergessen ist die Seilbahn, auf der man ersten Kontakt zum urdeutschen Geschwindigkeitsrausch erhält. Demnächst wird es gar einen Wasserspielplatz geben. Japp, es tut sich was.
Greise Kötten
Wer im hohen Alter noch mobil ist, der treibt sich im Kurpark herum, denn hier wird den Bedürfnissen der wandelnden Krankenakten noch Aufmerksamkeit geschenkt. Der idyllische Teich bietet Enterichen und anderem Wassergetier Lebensraum. Hier können Senioren und Seniorinnen ihre motorischen Fähigkeiten aufrechterhalten, indem sie besagte Viecher mit versteinerten Brotresten bewerfen.
Zwar verbietet ein Schild das Füttern der Bewohner, doch 1. Werler lassen sich von Schildern gar nichts sagen (schließlich kommunizieren diese in stummer Weise) und 2. will man die Viecher ja nicht füttern, sondern mit gezielten Würfen treffen.
Eine Boule-Bahn ermöglicht den Bestagern das Betreiben altersangemessener Sportarten. Mit schicker Schiebermütze auf der ergrauten Rübe schleudern sie Metallkugeln in die Nähe einer kleinen Kugel. Wenn die Wirbelsäule das mitmacht, führt Boule zu einem ausgeglichenen Befinden, zumal hier Klatsch, Tratsch und die Nebenwirkungen der neuesten Herzmedikamente ausgetauscht werden können.
Viele Menschen träumen von einem Lebensabend am Meer, dem ewigen Ort der Sehnsucht, an dessen Strände man Zeuge von angespülten Plastikmassen, verendender Wale oder betrunkenen Touristen werden kann. Oftmals reicht die schmale Rente allerdings nicht für derartige Spirenzken. Wer in Werl den Endspurt des Daseins antritt, kann sich glücklich schätzen. Bekanntlich war Werl einst global player. Über die Handelswege der Börde wurde das weiße Gold gewinnbringend an die Leute vertickt. Salz ist nicht nur wichtig, um Fritten zu perfektionieren, sondern diente Menschen ohne Kühlschrank einst als Mittel, die Lebensmittel länger haltbar zu machen.
Im Werler Kurpark erinnert eine kleine Saline an diese Zeit. An diesem Bauwerk plätschert Wasser herunter und mittels magischer Zaubersprüche entsteht Salz. Wenn man am Gradierwerk entlangschreitet, weicht der Gestank der Zivilisation und es duftet nach Meer. Richtige Kötten hängen vom Grundschulalter bis zum Tag des Todes an Zigaretten, weshalb der Reminiszenz an die Werler Geschichte eine besondere Funktion zukommt. Statt die Krankenkassen mit teuren Kuren zu belasten, können Kettenraucher die heilsame Wirkung der künstlichen Meeresluft nutzen, um die Lungen für ein paar weitere Jahre am Glimmstängel vorzubereiten.
Freiluftfitness
Werl hat so einige Anlaufstellen für Menschen, die auf ihre körperliche Gesundheit achten wollen. Nein, ich meine nicht Mecces und schonmal gar nicht die Toilette am Bahnhof. Fitnessstudios werden nicht nur in den ersten Tagen eines Jahres gerne aufgesucht, sondern stellen inzwischen eine wichtige Örtlichkeit dar, in der man schwere Sachen hebt oder auf der Stelle läuft. Die Mitgliedsbeiträge sind für Ottonormalkötte jedoch kaum zu stemmen (höhö). Der Kurpark schafft Abhilfe.
Hochwertige Geräte laden zum kostenfreien Training ein. Hier kann man an Rumpf, Armmuckis oder der Beweglichkeit arbeiten. Die einzelnen Stationen wurden von lokalen Künstlern gestaltet und stellen somit Unikate der Leibesertüchtigung dar.
Events und Co.
In den letzten Jahren hat sich einiges im Naherholungsgebiet getan. Spielgeräte, eine hochmoderne Toilette, aber auch Ladestationen für E-Bikes und als Kirsche auf der Sahne des Eisbechers gibt es inzwischen sogar eine kleine Bühne. Das Areal erinnert ein wenig an die Amphitheater der ollen Römer.
Weil sich der Kurpark nicht nur für schulschwänzende Schulpflichtige eignet, sondern als Schauplatz für etliche Veranstaltungen herhalten kann, erscheinen die Investitionen durchaus sinnvoll. Jährlich lockt der Crosslauf des DJK Bewegungsfanatiker an. Im Sommer wurde ein Trödelmarkt veranstaltet. Die Eltern konnten günstig hochwertige Spielsachen von Paw Patrol kaufen, sich am Softeis-Stand mit Energie versorgen und die Blagen haben sich vor der Bühne am musikalischen Programm erfreut.
Mehr als Bäume und Hundescheiße
Der Kurpark ist pure Ambivalenz. Hier treiben sich Rumtreiber herum, hier wird nicht nur Tabak geraucht, hier wird Yoga betrieben, hier wird musiziert, hier machen frisch vermählte Verliebte Fotos, kurzum, hier ist alles und jeder willkommen. Sogar Kinder.
Es ist einer dieser Orte, an dem Zeiten und Epochen miteinander verschmelzen. Das Gradierwerk und das Siedehäuschen erinnern an die glorreiche Zeit, in der Werl Wohlstand durch Salzgewinnung erlangte. Okay, das Siedehäuschen war lange recht unansehnlich, da wenig talentierte Künstler an der Fassade herumgepfuscht haben. Inzwischen sieht es anders aus. Die Motive erinnern an historische Postkarten, was auch für die Gestaltung des neuen Donnerbalkens gilt.
Früher wurde in Werl nicht nur Salz aus der Sole gewonnen, genutzt und vertickt. Im Solebad wurden Bäder verabreicht (damals hatte nicht jeder einen Whirlpool im Kabuff), verspannte Rücken massiert und eben Kurgäste behandelt.
Der jährliche Schnadegang gehört ebenfalls zu den traditionellen Rückblicken auf die Geschichte der Stadt. Wer nichts darüber wissen sollte, dürfte sich zunächst schämen und anschließend mit einem Klick auf unseren Artikel Wissen in sein vakuumiertes Oberstübchen stopfen.
Jedenfalls starten die Schnadegänger ihre Wanderung immer im Kurpark am Schnadestein in der Nähe der erneuerten Brücke.
In jüngerer Vergangenheit begingen die Schülerinnen und Schüler am letzten Schultag des Jahres das lokale Umtrunkfestival „Schools Out“. Mit zerknitterten Zeugnissen im Eastpak kippte man Cool Up in die Bierbong und kübelte in den Salzbach, bevor man seinen Rausch in einem nach Ausscheidungen müffelnden Busch ausschlief. Diese Tradition wird anscheinend nicht mehr in der damaligen Form begangen, was jedoch, wie bei vielen Traditionen nicht unbedingt von Nachteil ist.
Doch es geht nicht nur um die Erinnerung an die Zeit, in der wir ohne selbstreinigende Toiletten und BILD+ Abo auskommen mussten. Im Kurpark kann man sich bei plätschernder Kulisse Enten anschauen, wie sie das Köpfchen ins Wasser tauchen, den fließenden Salzbach bestaunen, dem nervigen Vogelgezwitscher lauschen oder sich einfach auf die Wiese legen und ein bisschen Moneyboy über die Bluetooth-Box laufen lassen.
Wir treiben uns jedenfalls gerne hier herum, hier kann man zur Ruhe kommen oder in Bewegung kommen, je nach Tagesform.
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