top of page
  • AutorenbildWerler Kötte

L wie Leute

Aktualisiert: 18. Mai 2023

Landwirtschaft:

Der Deutsche hat Hunger, und zwar nicht zu knapp. Morgens, mittags und abends gehören vielfältige Varianten des meisterlichen Metzgerhandwerks auf den spülmaschinenfesten Teller, den kunstvolle Jagdmotive zieren. Daneben liegen matschig gekochte Kartoffeln, eine Tiefladeladung Sauerkraut und versiert gerollte Rouladen an Rotkohl. Germanische Gourmetköche zaubern allerlei feine Delikatessen, die zu Weltruhm geführt haben.

Um die notwendigen Zutaten zu erhalten, müssen Landwirte hart schuften, was auch für das Gebiet in und um Werl gilt. Schließlich leben wir in der Soester Börde, die für einen äußerst ergiebigen und nährstoffreichen Boden bekannt ist. Daher finden sich viele reich bestückte Felder im Umland. Gülden strahlt Raps, Weizen windet sich in der Brise und Maiskolben wachsen gen Himmel. Zur Erntezeit werden die asphaltierten Wege der Glückseligkeit von monströsen Maschinen blockiert, die in Schrittgeschwindigkeit Güllegeruch verbreiten, der zu erstaunlichem Wachstum der hiesigen Bevölkerung geführt hat. In der Metropole "Oberbergstraße" gibt es gar eine Art Autohaus. Dort kann man allerdings keine mit Schummelsoftware versehene Flitzer kaufen, sondern gigantische Traktoren, Erntemaschinen und ähnliche Wunderwerke deutscher Ingenieurskunst.



Lesen:

Die Bedeutung des Lesens nimmt stetig ab. Stattdessen informiert man sich per TikTok, Youtube-Videos oder lässt sich vom kompetenten Nachbarn in die Geheimnisse der Welt einweihen. Unterhaltungsliteratur erscheint ebenso überflüssig, da es ja netflix und Konsorten gibt, auf denen viele Verfilmungen unpraktikabler Wälzer zu bestaunen sind. Allerdings leben wir in Deutschland, wo das Faxgerät wohl auch noch in 50 Jahren state of the art sein wird, weshalb leseaffine Kötten nicht im Regen stehengelassen werden.


So gibt es die Bücherei, in der man nach Erstellen des Accounts Bücher, Zeitschriften, aber auch Videospiele, DVD’s und Brettspiele ausborgen kann, um sie im fragwürdigen Zustand 2 Wochen nach Ende der Leihfrist wieder auf die Theke zu kloppen. Inmitten der Fußgängerzone ist sie in gewisser Weise eine Videothek-Light mit Comics, Biographien und schlechten Krimis. Spaß beiseite, für ein Mittelzentrum kann sich die Bücherei wirklich sehen lassen. Jedenfalls, wenn man auf so altmodischen Unfug stehen sollte.


Immer einen Besuch wert

In einem gesonderten Bericht geben wir detaillierte Informationen zur Werler Stadtbücherei.


Bücher kann man nicht nur leihen, sondern auch kaufen. Die meisten Konsumenten stöbern auf Amazon, flanieren durch Thalia oder ergattern günstige Exemplare auf dem Trödelmarkt. Werl hat jedoch noch eine weitere Möglichkeit an zukünftiges Altpapier zu kommen. In der City befindet sich die A. Steinsche Buchhandlung. Sie gehört zu den ältesten Buchläden Westfalens und hat die jeweiligen Herausforderungen verschiedener Epochen mit der werltypischen Leidenschaft bewältigen können. Der Gründer gab zeitweise gar eine Zeitung heraus (der Freimüthige), die allerdings aufgrund politischer Zensur irgendwann nicht mehr erscheinen konnte.


Ebenfalls immer einen Besuch wert

Auf 2 Etagen gibt es typische Produkte (neben unterschiedlichen Sparten auch Taschen, Lampen, Kalender etc.). Zusätzlich kann man sich auch mit Ausgaben von „Werl-gestern-heute-morgen“ eindecken und andere Werke mit lokalem Bezug erwerben. Selbst ein Online-Shop steht den technikverrückten Leseratten zur Verfügung… Crazy times.


Das Ende der papiernen Fahnenstange ist jedoch damit nicht erreicht. Auf dem Marktplatz, dem gluckernden Herzen der Stadt, befindet sich seit letztem Jahr ein sogenannter „Bücherschrank“. Im Prinzip warten in dem frei zugänglichen Möbelstück Büchlein aus allen möglichen Kategorien auf hungrige Leseratten. Das Konzept ist relativ simpel. Man kann sich irgendein Werk nehmen und packt dafür ein anderes Stück aus der heimischen Bibliothek an dessen Stelle. Allerdings landet man mutmaßlich nicht in der JVA, falls man keinen Ersatz bietet, was wiederum dauerhaft zum Scheitern des solidarischen Vorgehens führen würde.



Literatur:

Bücher sind was Tolles. Die Bandbreite bedruckter und gebundener Papierseiten ist enorm. Kochbücher, Krimis, Romane über die Widrigkeiten des Daseins, Ratgeber für Orientierungsbedürftige, Sachbücher über Tornados, Biographien, Reiseführer und vieles mehr. Da Werl ein geschichtsträchtiges Städtlein ist, gibt es auch einige Werke, die sich mit der Köttenstadt befassen.


Besonders hervorgetan hat sich diesbezüglich die Legende Helmuth Euler, der etliche Bücher zur Sammlung beigetragen hat. So hat er mehrere Bücher über die Möhnetalsperre bzw. deren Zerstörung geschrieben, das Standardwerk "Werl unterm Hakenkreuz" veröffentlicht und zahllose Bildbände zusammengestellt.




Nur 2 der unzähligen Werke Eulers.

Allgemein gibt es Wälzer, die sich mit der Geschichte befassen, aber auch spezielle Bearbeitungen, die sich mit der NS-Zeit auseinandersetzen. Ebenfalls sollte das jährlich erscheinende „Werl-gestern-heute-morgen“ kurz erwähnt werden, in welchem verschiedene Autoren allerlei Themen (Besatzung, Stadtentwicklung, besondere Gebäude u.ä.) behandeln.


Meine "Werl-gestern-heute-morgen" Sammlung.


Leute:

Was macht eine Stadt aus? Imposante Bauwerke? Festivitäten, Veranstaltungen und ähnlicher Firlefanz? Erfolg der ansässigen Sportvereine? Die Anzahl von Pfandautomaten? Letzteres dürfte sicherlich ein entscheidender Faktor bezüglich der Lebensqualität sein, doch touchieren all diese Punkte nicht den Kern der Sache. Es geht um die Leute, sie sind das Maggi in der faden Suppe menschlicher Zivilisationsbrühe.


Was macht denn den Ottonormalkötten aus? Den Bewohnern des Ruhrgebiets werden etliche Klischees angedichtet. Sie seien ruppig, aber immer mit einem Augenzwinkern. In Werl verzichten wir auf das augenzwinkernde Beiwerk.


Sicher lebt hier in Werl populistischer Pöbel, der in seiner Freizeit die Kommentarspalten des Soester Anzeigers mit vernunftentbehrenden Egoismen zuscheißt, aber diese Kandidaten finden sich bekanntlich überall im Netz, wo Trolle ein Publikum erhoffen.


Ob man sich im Café zu der Rolatorenbande setzt und dabei die eigenen Vorurteile über verkrustete Haltungen gespiegelt bekommt. Oder ob man sich das unvergleichliche Erlebnis eines Kreisliga-Fußballspiels gönnt, dem Brennglas, unter dem die Essenz des Charakters sichtbar wird. Es ist einfach sehr schwierig, in Worte zu fassen, was die Kötten so speziell und liebenswürdig macht, aber ich bin immer gerne hier und das mag was heißen, da Menschen nicht so meins sind.

113 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Comments


bottom of page