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  • AutorenbildWerler Kötte

Monkey Island

Kinder sind was Tolles. Sie machen Lärm, sauen sich beim Essen ein, kosten ne Stange Geld, gehen dabei nicht einmal arbeiten und stellen saudämliche Fragen. Schlimmer sind nur Erwachsene. Kinder werden gerne als unsere Zukunft bezeichnet, gut, dass ich bei meinem Lebensstil mutmaßlich nicht sonderlich alt werde. Doch genug des elendigen Gejammers. Ohne Kinder ist das schnöde Dasein schließlich auch nicht viel wert.


Um Blagen zu beschäftigen, gibt es mannigfaltige Mittel und Methoden. Man kann ihnen einen Schluck Korn in den Kakao kippen, sie vor einen Spielautomaten setzen, Human Centipede mit Dolby Surround laufen lassen oder ihnen das Tablet mit zurechtgelegter Kreditkarte reichen. Aber damit ist es nicht getan, denn die Halbwüchsigen sollten artgerecht gehalten werden, was bedeutet, dass man ihnen ausreichend Auslauf bieten muss. Dass es in Werl etliche Bewegungsangebote gibt, haben wir bereits in der Vergangenheit ausführlich erläutert.



Allerdings gibt es auch ein Angebot, dass sich spezifisch mit den Bedürfnissen der arbeitsscheuen Köttenkinder befasst. Daher ziehen wir uns heute mal die löchrigen, leicht muffigen Stoppersocken an und machen einen Ausflug auf die Affeninsel.


Auf ins Gefecht


Im Werler Norden befindet sich nicht nur eine Filiale von Feinkost ALDI und die Dauerpension JVA, nein mitten im Gewerbegebiet steht sogar eine ehemalige Lagerhalle, in der mehr Lärm erzeugt wird, als im Kraftwerk bei einer Ü-30 Party. Wenn man sich der Mutprobe stellen möchte, muss eine Sackgasse passiert werden. Ein düsteres Omen? An der Fassade grinst ein gigantischer Affe breit und einladend. Der Parkplatz ist mit reifenschonendem Schotter ausgelegt und bietet ausreichend Platz für unzählige SUVs, auf deren Heck Aufkleber von Phantasialand, Fort Fun und kreativen Kindernamen dem Auge schmeicheln.


Godzilla oder King Kong? Auf jeden Fall ein großes Vieh.

Bevor es ins Getümmel geht, noch einen Schluck aus dem Flachmann und eine hastig gerauchte Zigarette, die im gut gefüllten Standaschenbecher landet. Sobald die gläserne Tür geöffnet wird, dringt eine Kakophonie orgiastischen Ausmaßes in die Gehörgänge. Nervtötende Kindermusik und undefinierbares Geschrei prasselt durch die hallende Halle.


Ein Traum aus Pressspan


An der Kasse wird der Obulus entrichtet. Das junge Team besteht aus lächelnden Damen und Herren, die noch sogenannte Monkeytaler loswerden wollen, vergleichbar mit den Spielchips im Casino. Auch brauche ich noch Stoppersocken. Ich merke bereits zu Beginn, dass das Vergnügen nicht billig werden wird, aber man gönnt sich ja sonst nichts. Immerhin darf man gewisse Speisen und Getränke mitnehmen, worauf ich mir noch einen Schluck Fusel genehmige, um den Geschmack der trockenen Kekse loszuwerden.


Auf pflegeleichtem Pressspannboden sind unzählige Campingtische samt Bänken angeschraubt. Darauf liegen fleckige Jacken, Kühlboxen und Trinkflaschen in einem geordneten Chaos. Seitlich flankiert wird der „Food-Court“ von einem VIP-Bereich, in dem Blagen den Jahrestag ihres Schlüpfens angemessen begehen können. An den Wänden der ausgedienten Industriehalle tummeln sich Figuren aus Funk und Fernsehen. Ich frage mich kurz, ob Lizenzgebühren zu entrichten sind, wische die Frage aber direkt beiseite. Wen interessiert schon, wie die Wände in einer Werler Blagenbespaßungsanlage aussehen?


Pragmatisch und robust.

Rechts vor links?


Kinder in allen Größen und Formen wuseln hier durch die Gegend. Welche Regeln sind zu beachten? Straßenschilder und Vorfahrtsregelungen suche ich vergeblich. Also wird es wohl so gehandhabt, wie auf der Autobahn. Wer am schnellsten und lautesten ist, darf zuerst. Ich schlüpfe in die frisch gekauften Socken und betrete das Schlachtfeld. Zu meiner rechten Seite ist eine Fläche für die ganz Kleinen hergerichtet.


Arbeitsschuhe

Die noch nicht stubenreinen Miniaturmenschen können hier in geschützter Atmosphäre die Faszination von Bewegung, haptischen Erfahrungen und dem Kontakt zu Artgenossen genießen. Denn abseits des abgetrennten Bereichs sollte man mit Helm, Schonern oder einer Ritterrüstung inklusive Oropax unterwegs sein.


Auch die ganz Kleinen kommen auf ihre Kosten.

Ich weiche ungelenk den rennenden Kindern aus und lasse das reichhaltige Bewegungsangebot auf mich wirken. Mit Monkeytalern könnte ich mich in einer kleinen Schüssel durchrütteln lassen, die man aus Kaufhäusern kennt oder mich in gokartähnliche Fahrzeuge setzen, doch Alkohol am Steuer ist ein No-Go, weshalb ich in einen Käfig gehe, in dem Trampoline zu waghalsigen Manövern einladen. In der Nebenkabine vollführt ein Bengel einen Salto nach dem anderen und lacht sich dabei kaputt. Ich schaffe es mit viel Mühe auf der Stelle zu springen ohne mir einen Knochen zu brechen. Voller Stolz und mit leichtem Schwindel verlasse ich die Abteilung.


Ein gigantischer Berg, der mit heißer Luft gefüllt ist, spricht den Reinhold Messner in mir an. Die Blagen sprinten mit Anlauf auf das Ungetüm zu und kraxeln spinnenartig daran hoch. Ich plumpse gegen den aufgeblasenen Kunststoff, lande auf dem Rücken. Wenigstens ist der Boden sanft zu mir. Auf der Spitze hüpfen die Akrobaten und schubsen sich runter. Sympathisch. Weil Werl. Ein jugendliches Mädchen grinst mich an. Im Austausch gegen einen Monkey Taler zieht sie mich den halben Berg hoch. Die Luft hier oben ist dünn, die Aussicht überwältigend. Ich schließe die Augen und atme tief ein, als mich plötzlich ein Stoß am Rücken trifft. Kullernd bin ich wieder am Fuß des Mount Monkey angelangt. Seufzend verlasse ich den Ort meiner Schmach.


Parcours


Klettern und hüpfen wäre damit abgehakt. Nun wage ich mich in eine Art Hindernisparcours, der mit Heißluft in Form gebracht wird. Er ist anscheinend nicht für meine Körpergröße ausgelegt, dennoch zwänge ich mich durch die Gänge, klettere über Wände und rutsche, bis ich keuchend am Ziel angekommen bin. Während meines Durchlaufs werde ich von kleinen Hosenscheißern überholt, die erstaunlich hämisch lachen können.



Nun erblicken meine trüben Augen eine kleine Version der „Alten Liebe“ (Schiffsschaukel, die man von der Kirmes kennt). Leider bin ich zu groß und hätte außerdem Sorgen, dass ich meinen Mageninhalt über die Reling spucken würde. Also geht es weiter.


Am Ende des Spielparadieses steht eine Art Gebäude, das wie ein mehrstöckiges Labyrinth auf mich wirkt. In einem Tempo, das meine Sehorgane überfordert, eilen die Blagen durch die Gänge. Bewegliche Hindernisse, ein Bällebad, Druckluftkanonen, Verstecke und Klettermöglichkeiten überfordern meinen Bewegungsapparat. Ständig huschen die Köttenkinder an mir vorbei. Dann habe ich es endlich geschafft und rase eine der Rutschen hinunter. Mit einem Affenzahn lande ich auf meinem formschönen Hintern. Kaum unten angekommen fliegt ein Jaust in meinen Rücken, staubt sich die Schultern ab und eilt wieder in das Labyrinth.

Ich wage mich noch eine Rollenrutsche hinunter, die meinen Leib vibrieren lässt. Ein Kasperletheater für die Kleinen öffnet den Vorhang. Da ich erstmal durchatmen muss, torkel ich wieder zu meinem Sitzplatz.


Köttige Magie


Ohne Mampf kein Kampf


Frittenfett, das Parfum des einfachen Mannes, schmeichelt meinen Nasenflügeln. Ich werfe einen Blick auf die Speisenkarte. Da kann man nicht meckern. Die Preise sind erstaunlich human. Das Angebot ist jetzt zwar nicht auf Nachhaltigkeit und Ausgewogenheit ausgelegt. Aber fürs Spielen gilt eben das Gleiche wie fürs Saufen. Ohne Kohlenhydrate und Fett ist kein Blumentopf zu gewinnen. Ich stelle mir ein Menü aus Pizza, Pommes und Nuggets zusammen. Mir wird ein blinkendes Stück Kunststoff gereicht, das ich mit vor die Tür nehme, wo ich mir noch einen Schluck aus dem Flachmann gönne und den würzigen Tabak einer filterlosen Zigarette genieße. Schwitzende Elternteile leisten mir Gesellschaft. Ich drücke die Kippe in dem gewachsenen Berg aus und hole meine Zehrung ab, denn das Kunststoffdingens vibriert und piept.


Hier können Eltern die Kippen rauchen, die noch nicht von den Blagen stibitzt wurden.

Hier war zwar kein Bocuse am Werk und die Restauranttester aus dem Fernsehen hätten sicher auch was zu meckern, aber für meine Ansprüche reicht es vollkommen. Schließlich bringt mich die Bedienung einer Mikrowelle regelmäßig zum Verzweifeln. Am Nebentisch kloppen sich die Blagen vor Mayo triefende Pommes in den Mund, verfehlen diesen aber knapp. Das Gesicht des kleinen Jaustes sieht aus wie ein modernes Kunstwerk. Die Mutter (nehme ich mal an) wischt gekonnt mit einem feuchten Tuch über die flächig verteilte Sauce. Ich bin wiederum satt und bringe mein Tablett zurück, hole mir noch einen Kaffee, den ich mit dem Rest aus dem Flachmann verfeinere. Nun fühle ich mich gewappnet für die andere Abteilung. Mit leichter Schräglage mache ich mich auf den Weg.


Einmal frei sein, einmal dabei sein


Bevor ich den Nebenraum betrete, werde ich ein paar Monkeytaler los. Zwar gibt es hier keine Leitern zum Hochdrücken und auch Book of Rah suche ich vergebens, aber ein paar aufgestellte Automaten laden zum frühkindlichen Kontakt mit Glücksspiel ein. Leider sind meine Versuche nicht von Erfolg gekrönt, sodass keines der Plüschtiere oder Plastikspielzeugchen in meinen Besitz wandert. Ich trage es allerdings mit Fassung. Nach einer Minute reicht mir ein kleines Mädchen ein Taschentuch und ich trockne meine Tränen der Souveränität.

In der Nebenhalle steht ein adrenalinerzeugendes Karussell. Kinder und deren Eltern setzen sich in überdimensionierte Bienen, die sich per Knopfdruck in luftige Höhen befördern lassen. Für die Werler Kirmes wäre das Teil wohl zu spektakulär. Ich erspare mir eine Fahrt aus denselben Gründen, wie bei der Schiffsschaukel.


Erhabener Blick von der Kletterwand.

Gegenüber befindet sich eine Kletterwand, die mit heißer Luft befüllt ist. Ich sprenge eigentlich das zulässige Gesamtgewicht, aber ich mache mir bewusst, dass ich in Werl bin. Regeln sind da, um bewusst ignoriert zu werden. Sicheren Griffs bewege ich mich die steile Kunststoffwand empor. Oben angekommen, neigt sich die Wand und ich verliere den Halt. Mein Fall wird begleitet von einem Schrei, der hollywoodreif ist. Ich lande weich. Kleine Köttenkinder zollen mir Respekt, indem sie mich schallend auslachen.


Vielleicht hatte die Gewichtsangabe doch einen Sinn. Egal, ich sehe eine Rutsche, die fast bis zur Decke geht. Mit dem getankten Selbstbewusstsein klettere ich die aufgeblasenen Stufen hoch und rutsche hüpfend hinab. Im Magen schleudert die eben vertilgte Mahlzeit umher.

Die letzte Station steht an. Ich werfe noch einen Blick auf den kleinen Fußballplatz, der passenderweise mit einem Plastikball aus dem Hause TEDi bespielt wird. Immerhin werden so blaue Augen durch Tigerschüsse (Tsubasa, du Banause! Bzw. Hyuga) vermieden. Da ich mich vor den Blagen nicht blamieren möchte, lasse ich sie ohne mich pöhlen und traue mich in die Jumping Area.


Hier werden die künftigen Kreisligaknochenbrecher ausgebildet.

Zahllose Trampoline sind dort aneinandergereiht. Überall fliegen Blagen durch die Luft, machen dabei Schrauben, Salti (oder Saltos?) und schreien dabei ekstatisch. Auch die Wände sind mit Trampolinen versehen, weshalb Stunts zu sehen sind, bei deren Anblick mir die Kinnlade runterfällt. Ich vollbringe erneut das Wunder, mir nichts zu brechen und wische mir den Schweiß mit dem Taschentuch ab, das vorhin noch meine Tränen aufgefangen hat. Müde und leicht angetrunken verlasse ich den Hüpfbereich.


Lohnt sich die Reise?


Der Besuch ist jetzt 2 Tage her und mir tun immer noch Muskeln weh, von deren Existenz ich bisher nichts wusste. Wer also auf die Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio verzichten möchte, sollte Monkey Island unbedingt als Alternative in Erwägung ziehen. Spaß beiseite. Wer Blagen hat und nicht bis nach Menden oder Soest juckeln will, sollte Monkey Island auf jeden Fall mal ausprobieren. Wer keine Kinder hat, sollte Bekannten oder Freunden einen Gefallen tun, und sich deren Nachwuchs ausleihen. So hat man eine gute Ausrede, um selbst mal wieder ein wenig zu toben.

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