Oberbergstraße:
In unmittelbarer Nähe zu Niederbergstraße findet sich das kleine Fleckchen Erde namens Oberbergstraße. Hier sagen sich Fuchs und Hase gute Nacht, falls sie die gleichen Bettzeiten haben sollten.
Ein kleiner Fußballplatz mit nachhaltigen Toren aus hölzernen Pfosten ermöglicht Blagen das Nacheifern von Stars wie Carsten Ramelow oder Martin Pieckenhagen. Angrenzend befindet sich das Bürgerheim, in welchem sich durstige Einwohner die dürre Kehle befeuchten können und gesellige Veranstaltungen stattfinden.
Unweit (in der Größenordnung Oberbergstraße gibt es keine großen Distanzen) des Ackers befindet sich ein Autohaus der besonderen bzw. bäuerlichen Art. Hier stehen nicht rostige Knatterkarren herum, sondern monströse Maschinen für landwirtschaftliche Zwecke. Erntemaschinen, waschechte Traktoren und anderer Firlefanz, der zur Ausbeutung Mutter Erdes gebraucht wird, kann hier erworben werden.
Vor langer Zeit gab es in Oberbergstraße gar ein Naturfreibad, in dessen Nähe sich Luigsmühle befindet. Hier wird kein Korn gemahlen, sondern gefressen und gesoffen. Bei Radfahrern ist das Restaurant bzw. die Bieranstalt besonders beliebt. Der Biergarten wird von einer betagten Eiche geziert, deren üppiger Stamm ein wahrer Hingucker ist. Auf der Speisekarte stehen die üblichen Verdächtigen, die im siedenden Öl an den Rand der Perfektion frittiert werden. Hier kann man nicht nur den knurrenden Magen besänftigen, ein Bier an der Theke geht auch immer. Außerdem können Stammgäste hier die traditionellen Sparkästen mit Moneten befüllen, was angesichts der momentanen Lage als todsicheres Investment unter Experten gilt.
Overberg:
Schulen finden sich im Werler Stadtgebiet reichlich und werden zu gegebener Zeit (beim „S“, du Schlauberger) ausufernder beleuchtet.
Die Overbergschule hat ihre nach Zigaretten und Pubertät duftenden Pforten des Wissens leider inzwischen geschlossen, weshalb sie eigens erwähnt wird. Hauptschulen liegen einfach nicht mehr im Trend. Dennoch haben Generationen von Köttenkindern hier gelernt, wie man an Drogen rankommt und sich nervige Lehrer vom Leib hält. Die heiligen Hallen dienten im Laufe der Geschichte als Jugendherberge, Lazarett und Unterkunft für Asylsuchende. Trotz der Schließung verneigen wir uns mit diesen Zeilen vor der Bildungsstätte. Näheres zu dieser legendären Institution gibt es hier.
Orden:
Nein, hier geht es nicht um die Pokémon bzw. die Orden, die man nach siegreichen Kämpfen gegen Arenaleiter ergattern kann. Es geht um Franziskaner. In Werl waren bis vor kurzem Mitglieder des Franziskanerordens untergebracht. Unter anderem waren sie an der Führung des Museums „Forum der Völker“ beteiligt. Inzwischen haben die Mönche Werl aber verlassen.
Ordnungshüter:
Der Volksmund weiß, Ordnung muss sein. Doch wer kümmert sich um dieses unliebsame Unterfangen? In Deutschland arbeiten mehrere Institutionen zusammen an der Aufrechterhaltung teutonischer Tugenden. Auf der einen Seite gibt es das Ordnungsamt, welches sich auch in Werler Gefilden mit dreisten Falschparkern, rücksichtslosen Umweltverschmutzern und lärmenden Nachbarn beschäftigt.
Wer es allerdings mit unbelehrbaren Kötten zu tun bekommt, der wendet sich direkt an die Polizei, deren Wache in Werl gegenüber vom Bahnhof zu finden ist. Früher, als ich noch regelmäßig Experimente mit dem toxischen Gebräu aus dem Hause Warsteiner machte, was im Labor des Kultur- und Eventzentrum geschah, kam es gelegentlich zu physisch geführten Diskussionen. Die herbeigerufenen Polizisten benötigten für die 50 Meter Anfahrt meist ca. eine Stunde. Wer weiß, woran das gelegen haben mochte? Vielleicht musste der Motor erst warmlaufen, das Klo war besetzt oder der Reißverschluss der zu engen Hose hat geklemmt.
Spaß beiseite, der Ruf der Bullerei hat in den letzten Jahren teils massiv gelitten. Sicher ist, dass Reformbedarf auf einigen Ebenen besteht (Stichwort Gewalt, Chatgruppen und neutrale Ermittlungen gegen Polizisten). Dennoch ist man im Zweifel froh, wenn man sich in der Not an einen der bewaffneten Helfer wenden kann, wenn man schon selbst keine Wumme dabei hat.
Orgel:
Die Orgel ist zunächst mal ein Musikinstrument. Allerdings kein lärmerzeugendes Gerät, mit dem man in der Fußgängerzone herumhantiert, um Spenden zu erspielen. Orgeln findet man meist in kirchlichen Gebäuden, wo sie das Geträller der Gemeinde begleiten. Da wir in Werl zahlreiche Kirchen haben, würde das schon ausreichen, um es in unserer alphabetischen Ausarbeitung zu erwähnen, doch hat dies noch einen weiteren Hintergrund.
So ne Orgel ist ein komplexes Ungetüm, welches nicht am Fließband hergestellt wird, sondern fachmännische Handwerkskunst erfordert. Die Gebrüder Stockmann gründeten 1889 (ja, wirklich!) den gleichnamigen Betrieb. Beispielsweise wurde in der Manufaktur auch das pfeifende Klavier für den Knast in Werl zusammengedübelt.
Gegenüber der Stadthalle befindet sich der Schuppen, in dem die musikalischen Monumente im Schweiße des Angesichts geboren werden.
Ornithologie:
Bei dieser akademischen Sparte geht es um flatterndes Federvieh, und in Werl gibt es außerordentlich viele Vögel. Wenn wir jetzt mal von den zahllosen Zweibeinern absehen, die in der Köttenstadt ihrem bemitleidenswerten Alltag nachgehen, wären da noch die wirklich echten Vögel zu nennen, die nach erfolgreicher Futtersuche Exkremente auf Autos abfeuern. In der Fußgängerzone arbeiten Tauben als Subunternehmer der städtischen Entsorgungsbetriebe, indem sie Essensreste zügig und nachhaltig beseitigen. Auf dem Friedhof machen ihre Artgenossen würdelosen Lärm, ohne dass das Ordnungsamt etwas dagegen unternehmen würde. Und im Kurpark streifen etliche Wasservögel umher, erpressen Senioren um deren Lebensgrundlage (trockenes Brot) und ziehen sich nach den Raubzügen auf ihre Inseln zurück.
Doch nicht nur das Getier spielt eine Rolle für Werler Ornithologen, denn im Norden, dem schmelzigen Tiegel, gibt es eine ganze Vogelecke. Warum erwähne ich das? Nun ja, ich habe mein Handwerk im Drosselweg erlernt. Finkenstraße, Schwalbennest, Taubenpöthen und Meisenstraße sind nur einige Beispiele für gefiederte Schilder.
Otti:
Wenngleich Werl lediglich ein schnödes Mittelzentrum ist, mangelt es hier nicht an herausragenden Gestalten, die jeder Metropole gut zu Gesicht stehen würden. Helmuth Euler erwähnten wir bereits. Othmar Haupt ist Baujahr 1950, hat zwar nicht dutzende Wälzer zu Papier gebracht, sich aber in unnachahmlicher Weise ins Gedächtnis der Stadt eingebrannt.
Die meisten dürften ihn als Otti, den Zauberer kennen. Der bürgerliche Beruf des Werlers war Lehrer. Laut Anekdoten wurde er von den Eleven geduzt, was ich mir wahrlich gut vorstellen kann.
Im Jahr 1992 gründete er den Zirkus San Pedro Piccolino, mit dem er sich für Kinder und Jugendliche engagierte. Training, Veranstaltungen, Aufmerksamkeit und Ausflüge in die weite Welt wurden durch Ottis Wirken ermöglicht. 2014 wurde er mit dem "Werl-Preis" ausgezeichnet. Jeder "kennt" ihn und es gibt wahrscheinlich kaum Menschen, denen eine ähnliche Welle der Sympathie entgegensaust. Ich persönlich durfte ihn oft als Gast des Café Dreiklangs erleben, wo er nicht als Zauberer auftrat, sondern fürsorglicher Großvater war, der Zeit mit seinem Enkelkind verbracht hat. Und was soll ich sagen? Der Hüne (meist mit stilvoller Kopfbedeckung) strahlt eine Aura aus, die ihresgleichen sucht. Ich erlebte ihn warmherzig, humorvoll und aufmerksam.
Obdachlose:
Penner, Vagabunden, Schnorrer, Bodensatz der Gesellschaft sind nur einige der namentlichen Zuschreibungen für Menschen, die nicht in einem mehrgeschossigen Anwesen hausen. Auch in Werl gibt es Menschen, die nicht so leben, wie es der gesellschaftlichen Norm entspricht. Ihr Ruf ist geprägt von Vorurteilen, Ressentiments und einer Mischung aus Neid und Verachtung. Keiner muss in Deutschland auf der Straße leben, die sind ja selbst schuld, sollen doch einfach arbeiten gehen. Sind übliche Aussagen, die spießbürgerliche Einfaltspinsel treffen, wenn es um Leute geht, die auf der Straße leben.
Einfache Erklärungs- und Lösungsansätze passen natürlich nicht. Die Gründe für ein Leben abseits des Üblichen sind so mannigfaltig, wie das Sortiment bei TEDi. Ganz allgemein betrachtet sollten wir ihnen auf Augenhöhe begegnen. Keine Moralpredigten, keine gut gemeinten Hinweise und Tipps, sondern einfache Hilfestellungen. Im Winter was gegen die Kälte. Ein bisschen Wechselgeld, ein Lächeln und weniger Scheu wären schon mal ein Anfang.
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