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Torte!

  • Autorenbild: Werler Kötte
    Werler Kötte
  • 13. Okt. 2023
  • 4 Min. Lesezeit

Einmal im Jahr geschieht das Wunder, an dem man im Übergang von einem Tag auf den anderen plötzlich ein Jahr älter wird. Inzwischen blicke ich am Geburtstag mit eingefallenen Augen in den Spiegel, habe das Zählen der weiß-grauen Haare auf der Rübe bereits aufgegeben und freue mich darüber, dass ich noch ohne Rolator zum Schnapsregal komme. Früher, als ich noch im Drosselweg verweilte, war das freilich anders.


Buttercreme!


Geburtstage gehören zu den fest verankerten Veranstaltungen, die irgendwann von rituellen Traditionen geprägt sind. Heutzutage bedeutet es, dass man höflich die unzähligen, teils sogar persönlichen Glückwünsche auf den unterschiedlichen Kanälen (StudiVZ, ICQ und Myspace) beantwortet und die damit einhergehende Aufmerksamkeit stoisch erträgt. Zum Glück reicht für Gratulanten und Gratuliertem ein einfacher Klick. Zack, da ploppt ne bunt animierte Torte auf, zack, Daumen hoch. Wer mehr Aufwand betreibt, achtet bei Whatsapp wohl auch auf Groß- und Kleinschreibung.


Im Drosselweg waren die Kindergeburtstage noch von anderer Bauart. Mamma hatte viele Talente. Sie konnte am Fußballplatz lauter schreien als die brutalsten Hooligans der Serie A, hatte im Umgang mit Tieren keine falsche Scheu und war in der Küche ein Multitalent. Zum Geburtstag gab es immer Buttercremetorte. Das klingt mächtig und ist es auch. Die Böden bestellte sie immer beim Bäcker und der Aufwand hinter so einer runden Kalorienbombe war enorm. Ich half grundsätzlich gerne in der Küche. Oppa konnte auf mich zählen, wenn überschüssiger Waffelteig vertilgt werden musste. Bei der Buttercreme durfte ich auch immer naschen. Direkt mit dem Löffel aus der Schüssel. Der Ausgewogenheit zwischen Waffelteig und schmackhafter Buttercreme habe ich wohl auch mein körperliches Erscheinungsbild zu verdanken. Bei der Herstellung von Buttercreme muss man auf einige Faktoren achten, was Temperaturen der unterschiedlichen Zutaten und Massen angeht, die man miteinander vermengt, um sie per Zauberspruch in die finale Form zu bringen. Ich beschränke mich lediglich auf das Verputzen, zumal sich Torte als Zwischenmahlzeit, Abendsnack oder Vorspeise eignet.


Ja, die Torte war für mich alleine gedacht. Der Rest durfte Kekse futtern.

Wünsch dir was!


An Geburtstagen bekommt man was geschenkt. Heutzutage die ganze Palette der Kartenindustrie, deren Schreiberlinge so viel Wortwitz an den Tag legen, als wären sie beim Maestro Mario Barth persönlich in der Lehre gewesen. Höhö, du bist alt. Als Kind hatten die jährlichen Erinnerungen an die Vergänglichkeit jedoch einen anderen Schwerpunkt. Weihnachten light sozusagen. Allerdings wurde im Gegensatz zum winterlichen Konsumfest weniger Wert auf eine Wunschliste gelegt. Als Jaust gab es immer genug Dinge, die zur Ausschüttung von glücklichen Hormonen führten.


Nachschub für die Konsole war nie ein Fehler, schließlich hörte Muttern gut zu. Pro Evolution Soccer, GTA oder Time Crisis samt G-Con45 (beste Lightgun aller Zeiten) wurden beispielsweise am Jahrestag meiner verhängnisvollen Geburt feierlich überreicht. Fußbälle, noch nicht bestialisch stinkende Torwarthandschuhe, Actionfiguren (die Barbies für Jäuster), wobei der unfassbar bewegliche Spiderman der Beste war oder eben ein paar Filme mit Van Damme.

Geschenke sind fraglos das Wichtigste. Doch gibt es auch Nebensächlichkeiten, die man nicht komplett außer Acht lassen sollte. Genau, die Gäste.


There’s a Party


Die Freizeitgestaltung in der Siedlung folgte simplen Abläufen, die in abwechslungsreichen Aktivitäten mündeten. Dazu werde ich an anderer Stelle sicher ausführlicher Stellung beziehen. Kurz gesagt, rannte man draußen rum, klingelte, kommunizierte mit den Vorgesetzten auf den Balkonen und nach Zusammentrommeln der Truppe ging es ans Werk. Pöhlen, Verstecken, mit Knarren spielen, Knickern (Murmeln) oder mit dem Kettcar um enge Kurven ballern. Zwar gab es gelegentlich Streitereien, doch insgesamt war jede und jeder bei den mannigfaltigen Spielchen herzlich willkommen. Das ist auch der Grund, warum es bei der Geburtstagsfeier recht eng in den eh nicht gerade ausufernden Räumlichkeiten wurde.


Japp, ich bin der ernste Typ am Kopfende. Die Luxusstühle vom Balkon sorgten für Ambiente.

Anfangs wurden vornehmlich Blagen aus der guten Siedlung eingeladen. Später auch Leidensgefährten aus Grundschule oder der Streberfabrik des Mariengymnasiums. Im Esszimmer wurde die Tafel reich gedeckt. Die imposante Torte nahm jedoch als Blickfänger immer eine Sonderposition ein. Mehrere Schichten orgiastischer Gaumenfreuden wurden in akkurat zersäbelten Stücken auf die Teller befördert und landeten anschließend im Mund und Gesicht, denn voller Körpereinsatz war schon immer meine Stärke. Daneben gab es Waffeln, Kekse und alles, was der Süßigkeitenschrank hergab. Ja, Süßigkeitenschrank. Im Wohnzimmer stand ein Ungetüm von Möbelstück, das aus guten Gründen so nicht mehr hergestellt wird. Türen, Schubladen, herausfahrbare Abteile und eine Bar waren darin verbaut. In der Bar befand sich zwar auch ne Pulle Whiskey für den Alten, war aber vornehmlich der Lagerung von Süßkram vorbehalten. Hinter einer Tür oben rechts wurden wiederum die Chipstüten verstaut.


Topfschlagen oder Blinde Kuh?


Kinder werden an ihren Geburtstagen gerne mit der Kreativität der Parentalgeneration gequält. Lustige Spielchen, Gesang und der Drang, die Blagen irgendwie sinnvoll zu beschäftigen. Das ist zum Scheitern verurteilt. Der Nachwuchs redet einem ja auch nicht bei der Steuererklärung rein oder welcher Wein (immer der aus dem Tetra-Pak!) zur Tiefkühlpizza passt. In der Regel wissen die kommenden Transferleistungsbezieher am besten, wie sie ihre Zeit verbringen können. Wenn sie bevorzugt ihre Fäkalien an Wände schmieren oder Flaschen auf Fernseher werfen, könnte eine Intervention der Eltern zwar sinnvoll erscheinen, ansonsten gilt „der Markt regelt das“.


Und unser Markt war prall gefüllt mit Kinderbespaßung Deluxe. Da musste man keine Räumlichkeiten mieten, die Ecke bei Mecces reservieren oder teuer Eintritt im Maxipark zahlen. In meinem Zimmer stand schließlich ein Fernseher, an dem über die Jahre wechselnde Konsolen angeschlossen waren. Da wurde halt gezockt. Entweder zusammen oder abwechselnd. Bei GTA mit Cheats so lange alles über den Haufen ballern und fahren bis man draufgegangen ist. Anschließend war der nächste virtuelle Amokläufer an der Reihe.

Später ging es nach draußen. Dabei spielte es keine Rolle, wie das Wetter war. Wozu gibt es Waschmaschinen? Bisschen Fußball, Ballverstecken, Fangen oder Schnitzeljagd. Oder ein paar Geschenke ausprobieren. Eines Jahres erhielt ich von Toys’r’us (heißt heute anders) Westen und Wummen. Im Prinzip überteuertes Lasertag. Damit zogen wir um die Häuser. Endlich kein „Ich hab dich aber zuerst getroffen“ mehr.


Es kam sicher mal vor, dass wir anlässlich eines Geburtstages ins Kino fuhren oder ein Schwimmbad aufsuchten, allerdings waren dies die berühmten Ausnahmen von der Regel. Mir hat es so immer sehr gefallen. Vielleicht bin ich deshalb auch im hohen, beinahe biblischen Alter, kein Freund von ausufernden Veranstaltungen, für die man den Wohlfühlbereich des heimischen Wohnzimmers verlassen muss.


Das Einzige, was beim Geburtstag zählt, ist eine Buttercremetorte. Okay, Familie und Freunde haben auch ihre Daseinsberechtigung. 😉

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