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Willkommen in Raccoon City- Resident Evil 2

Wir schreiben das Jahr 1998, ich bin 10 Jahre alt und warte sehnsüchtig auf das Erscheinen eines Playstation Spiels. Nicht etwa, weil ich es spielen wollte. Mein Bruder war Zeit seines Lebens für einen erhabenen Geschmack bekannt, wenn es um die Fütterung verschiedener Spielekonsolen ging und bereits damals genoss ich das Zusehen sehr, wenn der Erstgeborene loslegte. Ich war meiner Zeit eben voraus, denn heutzutage sind gewisse Plattformen mit sogenannten „Let’s Plays“ komplett überschwemmt. Doch beginnen wir in einer pseudochronologischen Reihenfolge, um uns dem Thema Resident Evil 2 schleichend und stöhnend anzunähern.



Schon der Anblick der CD's löst wohlige Gänsehaut aus.

Survival Horror- Frustrationstoleranz für Hartgesottene


Zwei Jahre zuvor (genau 1996) erschien mit Resident Evil eine Spielerfahrung für die Playstation 1, die es in dieser Form vorher nicht gab. Klugscheißer werden mit Recht anmerken, dass RE eine Umsetzung von „Sweet Home“ war, jedoch hat es das Genre für das große Publikum erst zugänglich gemacht, denn sein loser Vorgänger erreichte nicht die Aufmerksamkeit Resident Evils.


Heutzutage zeichnen sich viele Spiele (wir wollen ja nicht verallgemeinern) durch eine sehr sanfte Lernkurve aus, die dem Nutzer möglichst wenig Frust aufbürdet. In Tutorials erlernt man das Spielprinzip, man kann den Nonsens jederzeit pausieren und abspeichern, falls unvorhergesehen etwas Ungewolltes geschieht. Teilweise speichern die bevormundenden Werke auch eigenständig, um den virtuellen Abenteurer ja nicht zu überfordern. Das steht im krassen Gegensatz zu den Anfängen massentauglicher Videospiele, die man in eigens dafür angelegten Hallen gegen Klimpergeld zocken durfte. Im Sinne des heilsbringenden Kapitalismus wurden etliche Fallstricke eingebaut, um ein Nachschmeißen der Münzen zu gewährleisten.

Resident Evil verfolgte einen anderen Ansatz, der je nach gewähltem Schwierigkeitsgrad großen Einfluss auf die Vorgehensweise hatte. Das Setting umfassen wir mal eben leicht verkürzt. Man ist in einem monströsen Anwesen, in dem untote Gestalten und andere Viecher umherstreunen. Ziel ist das Überleben und die Flucht aus diesem Gebäude, welches man ballernd und absurde Rätsel lösend verfolgt.

Der Überlebenskampf wird durch einige Mechaniken gewährleistet (Stimmung etc. behandeln wir später). So verfügt man über einen arg begrenzten Stauraum für Gegenstände (Waffen, Munition, Heilgegenstände, Schlüssel etc.), die man allerdings in Kisten lagern kann, welche im Horrorhaus verteilt sind. Die Munition, welche notwendig ist, um sich der schlurfenden Gestalten zu erwehren ist ebenfalls eher rar gesät. Und als Kirsche auf dem Eisbecher des Grauens kann man nicht jederzeit abspeichern. In der Villa sind Schreibmaschinen zu finden, an denen man seinen Erfolg sichern kann, für die man jedoch spärlich zur Verfügung stehende Farbbänder nutzen muss.



Gut Ding will Weile haben


Resident Evil war ein Riesenerfolg und dementsprechend musste ein Nachfolger her. Capcom machte sich kurz nach der Veröffentlichung des ersten Teils an die Arbeit. Ich möchte mich nicht zu sehr in schnöden Details verlieren, aber die Entwickler hatten bereits 60-80 Prozent des Titels fertiggestellt, als Mikami seine Unzufriedenheit zum Ausdruck brachte und nahezu die komplette Arbeit von vorne begann. Kenner haben sicher schon von Resident Evil 1.5 gehört. Das wäre einen eigenen Artikel wert, aber würde uns jetzt zu sehr ins Verderben führen. Kurz gesagt wurde der etwas actionlastigere Ansatz wieder verworfen, das Script von einem extra angestellten Autor neu aufgesetzt und mit etwas Verzögerung stand der grauenvolle Horror im Jahr 98 dann in den Regalen. Beziehungsweise nicht….


Bundesprüfstelle für trottelige Deppen


In der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien saßen zu jener Zeit ausgesuchte Experten, die zur gerechtfertigten, nachvollziehbaren und von Vernunft geprägten Entscheidung gekommen waren, dass Resident Evil 2 im Gegensatz zum TV-Programm indiziert werden müsse. Das bedeutete, dass man jenes virtuelle Abenteuer nicht einfach im Laden erwerben konnte, Werbung nicht geschaltet werden durfte und der Erwerb dementsprechend umständlich war. Die Schnarchnasen von der BPjM hatten ihre Rechnung allerdings nicht mit der besten Mutter der Welt gemacht. Also lag das jugendgefährdende Spielerlebnis irgendwann in der grauen Playstation meines Bruders und ich setzte mich voller Spannung auf den Logenplatz.


Willkommen in Raccoon City- Spielmechanik des Horrors


Die Vorfreude auf das untote Spektakel war gigantisch. Im Vorfeld der Erscheinung sammelte ich in einem Aktenordner (ja sehr deutsch) ausgeschnittene Vorberichte in Klarsichtfolien.

Wie im ersten Teil kann man sich anfangs für eine Figur entscheiden, deren Abenteuer auf separaten CD’s gebrannt wurden. Dem Wiederspielwert wurde durch diese Herangehensweise eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt, denn die Geschichte verläuft unterschiedlich, je nachdem welcher Charakter zuerst gewählt wird. Der junge Polizist Leon S. Kennedy möchte seinen ersten Arbeitstag antreten, die Studierende Claire Redfield ist wiederum auf der Suche nach ihrem Bruder Chris, einem der Protagonisten des ersten Teils.

Die Spielwelt erscheint aus fixierten Kameraperspektiven und seine gewählte Figur steuert man per „Tank-Control“ durch die Ruinen der Stadt. Das bedeutet, dass ungeachtet der Perspektive ein Betätigen des „nach oben Pfeils“ dazu führt, dass der Avatar in Blickrichtung nach vorne geht. Das ist zu Beginn etwas gewöhnungsbedürftig, trägt aber zu einer intensiven Atmosphäre bei. Durch die vorbestimmten Blickwinkel wird ein cineastisches Erlebnis gewährleistet, bei dem man sich ständig fragt, was wohl hinter der nächsten Ecke lauert. Die musikalische Untermalung in Verbindung mit den unheilvollen Geräuschen der stöhnenden Untoten erzeugt eine Stimmung der ständigen Bedrohung.


Stadt der Untoten- Als Zombies noch was Besonderes waren


Befassen wir uns mal etwas mit der Hintergrundgeschichte (sehr grob), die genretypisch nicht in Untiefen der Komplexität ertrinkt. Eine ganz doll böse Firma macht Experimente, um einen Virus zu entwickeln, der auf dem Biowaffenmarkt feilgeboten werden soll. Natürlich geht einiges schief und am Ende des Liedes schlurfen die Zombies durch die verwüsteten Straßen.

Die beiden Protagonisten treffen sich am Anfang der Geschichte und werden durch einen unvorhersehbaren Unfall voneinander getrennt. Beide eilen in Richtung Polizeirevier und weichen dabei den lechzenden Zombies aus, die zwischen Wracks, Leichen und Trümmern umherschleichen. In dem Revier, welches von den Ausmaßen sehr an ein prachtvolles Herrenhaus erinnert, nimmt die Handlung allmählich Fahrt auf. Orchestrale Musik begleitet den schweißgebadeten Spieler durch die blutverschmierten Räumlichkeiten, in denen man hier und da auf Überlebende trifft. In Schubladen oder auf Tischen findet der aufmerksame Beobachter Notizen, Tagebucheinträge und Hintergrundinformationen zu den Geschehnissen rund um die ganz doll böse Firma „Umbrella“.

Im Personal finden sich wahnsinnig gewordene Polizeichefs, selbstlose Überlebende, zwielichtige Gestalten, neugierige Reporter, ein kleines Mädchen und auch ein Feigling aus dem ersten Teil taucht als untote Gestalt in den Straßen der Stadt auf. Allgemein gibt es einige Referenzen, die sich auf den Vorgänger beziehen. So kann man u.a. das Büro der ehemaligen Protagonisten durchsuchen. Allgemein ist die Handlung mit einigen Widersprüchen gespickt, hält den Spieler aber während der Hatz auf Trab und muss sich nicht vor den komplexen Hintergrundgeschichten Super Marios oder Pac Mans verstecken.


Durch das Lösen einiger Rätsel erkundet man immer größere Bereiche der Spielwelt und begegnet dabei Gestalten, die in die Videospielhistorie eingegangen sind. Beispielsweise ist da der „Licker“ zu erwähnen, der anfangs nur als Schatten an der Außenfassade vorbeihuscht und in der folgenden Szene eindrucksvoll per FMV-Sequenz präsentiert wird. Mit Worten ist das Wesen schwierig zu beschreiben, weshalb wir hier einfach mal Bilder sprechen lassen. Diese Kreatur ist blind, weshalb ein behutsames Vorgehen anzuraten ist. Im Gegensatz zu den etwas behäbigeren Zombies erscheinen die Licker wendig und können erheblichen Schaden zufügen.

So wie es sich für ein anständiges Spiel mit Zombiethematik gehört, begegnen dem mutigen Überlebenskünstler auch Zwischenbosse, die sich durch fortschreitende Mutationen auszeichnen. Musikalisch wiederkehrende Themen tragen dazu bei, dass diese größeren Kontrahenten fest im Gedächtnis bleiben.



Das Thema Vertonung ist in der Resident Evil Reihen ein ganz Besonderes. Der erste Teil war für fragwürdige Dialoge und noch fragwürdigere Synchronisation legendär. Der zweite Teil kommt eine Spur professioneller daher. Zwar wird selten das Niveau aktueller Triple AAA Produktionen erreicht, doch gibt es einige Lichtblicke, zumal die Figuren fast durchweg authentisch wirken. Der diabolische Polizeipräsident hat mehr Persönlichkeit in der Stimme als Tom Cruise in seinem zierlichen Körper. Die idealistische Naivität des Polizistenanfängers Leon schwingt in jeder seiner Äußerungen mit und findet seinen Höhepunkt in der Frage, ob denn hier niemand auf ihn hören würde. Im Zusammenspiel mit dem Soundtrack fühlt man sich als Spieler auf jeden Fall abgeholt, denn dieser pendelt zwischen tragenden Phasen, in denen Stimmung aufgebaut wird und treibenden, sehr eingängigen Tracks hin und her. Noch heute können die einzelnen Titel dringend empfohlen werden. Jedenfalls finden sich die Werke in meiner Playlist wieder. Nachfolgend zwei sehr unterschiedliche Beispiele für die Herangehensweise der Komponisten.








Lohnt der Ausflug?


Wer keine Berührungsängste mit leicht angestaubten Grafiken und Spielmechaniken hat, sollte sich unbedingt selbst ein Bild von dem zeitlosen Klassiker machen. Das Remake aus dem Jahr 2019 hat den Charme und die Stimmung gut einfangen, jedoch den Wiederspielwert durch die unterschiedlichen Szenarien nicht einfangen können. Für passive Genießer hält Youtube reichlich Futter parat, um sich einen Eindruck verschaffen zu können.




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