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  • AutorenbildWerler Kötte

Mister Summerjam in Werl

Bevor ich wie ein Bestusster (eines der Lieblingswörter meines Oppas) planlos drauflosschreibe, muss ich kurz erläutern, woher der Impuls für diesen Text kommt. Ich bin kein besonders geselliger Typ und treibe mich abends am liebsten mit hochgelagerten Beinen auf dem Sofa herum. Oder auf der Couch. ^^ Am 25. Mai gibt es allerdings eine Gelegenheit, die ich mir nicht entgehen lassen werde, denn ohne stundenlanges Rumgegurke besteht mal wieder eine Möglichkeit, die alten Knochen ohne großen Aufwand auf die Tanzfläche zu bugsieren. Andrew Murphy (Mister Summerjam himself!) wird mit Band im Bahnhof auftreten und aus Erfahrung kann ich sagen, dass sich ein Besuch der Veranstaltung lohnen wird. Jedenfalls für mich. Warmup (musikalisches Vorgeplänkel) und Aftershow (musikalisches Nachgeplänkel) wird vom Boneshaker-Sound übernommen. Diese Konstellation fühlt sich wie eine kleine Zeitreise an, doch dazu später mehr.




 

Abhotten auf der Fete

 

Werl taucht in keinem Clubführer auf. Obwohl ich das nicht recherchiert habe, dürfte das keine allzu gewagte Behauptung sein. Die Auswahl an Lokalitäten, die regelmäßig besuchenswerte Tanzveranstaltungen abhalten, hält sich in extrem überschaubaren Grenzen. Der Kulturbahnhof lädt gelegentlich ein, wobei vornehmlich kleinere Konzerte, Lesungen und Lustiges geboten wird. Die Stadthalle könnte von den Räumlichkeiten sicher eher „handelsübliche“ Partys zelebrieren. In der Zeit der Altvorderen kam das auf jeden Fall öfter vor, doch wollen wir erst später auf die glorreiche Vergangenheit zu sprechen kommen.


Was einem Club noch am Ehesten entsprechen dürfte, findet der durstige Pöbel in Richtung Wickede, unmittelbar in der Nähe der grünen Lunge Werls, dem Stadtwald. Genau, das Kraftwerk Relax. Dieses Etablissement dürfte denjenigen ein Begriff sein, die sich ab und zu mal in Schale werfen, mit Duftwässerchen besprenkeln, um überteuerte Drinks zu schlürfen, die der Senkung von Hemmschwelle und der Erhöhung des Rhythmusgefühls dienen sollen. Hier dröhnt Chartsmusik durch die Boxen oder themenorientierte Genres beschallen die Lauscher der Partymeute. Wie in den großen Städten wird einem beim Eintritt die Kreditkarte des suffaffinen Tanzbären überreicht, die Ratenfinanzierung unter den Bezahlmöglichkeiten, nämlich die berühmt oder gar berüchtigte Verzehrkarte. So kann man sich einen Cocktail nach dem anderen in die trockene Kehle kippen, ohne dass das Portemonnaie leerer werden würde. Tolle Sache. Wenn man am Ende des Abends dann die gekonnt gemixten Getränke mit ordentlich Druck ins Klo gespien hat und sich nach einem Taxi für den unfallfreien Heimweg umschauen möchte, kommt das böse Erwachen an der Kasse. In der Regel hat man sich, erfahren, wie man nun ist, vorher einen Überblick verschafft, damit man nicht übermüdet Teller und Gläser spülen muss, sodass der zu entrichtende Betrag gerade noch beglichen werden kann. Dafür langt es aber nicht mehr für das Taxi. Betrunken über die Straße nach Hause torkeln wird schon nicht so gefährlich sein.


Spaß beiseite, wenn man bedenkt, dass selbst TEDi nicht mehr 3 Filialen in Werl betreibt, kann man mit der Existenz des Kraftwerks mehr als zufrieden sein. Unterschiedliche Mottos locken unterschiedliche Leute auf die Tanzfläche und man muss dafür nicht extra in die Eurobahn steigen, wo man sich mit massig Druck auf der Blase die „Toilette gesperrt“-Schilder anschauen kann.

 

Jugend und Junggebliebene

 

Jedes Kaff verfügt naturgemäß über Schützenhallen, Scheunen oder sonstige Räumlichkeiten, in denen die Tradition der Holzvogeljagd ihre Heimat hat. Da Schützenfest aber nur einmal im Jahr ist, werden die staubigen Locations auch für anderweitige Festivitäten genutzt. Vor allem der Nachwuchs, also Menschen, die legal noch keinen Doppelkorn in den Milchkaffee kippen dürfen, machen hier ihre ersten Erfahrungen mit Vollrausch und dessen Folgen.


Obwohl meine eigenen Erlebnisse in die Zeit des Schwarzweißfernsehens fallen, kann ich mich noch recht plastisch an die Besuche der „Feten“ erinnern. Rübenfete in Büderich, Herbst-und Frühlingsfete in Westönnen, Birkenfete in Holtum und weitere immer wiederkehrende Events füllten den Terminkalender. Am Eingang musste man sich ausweisen und erhielt als nicht Volljähriger ein entsprechendes Bändchen, welches das Verlassen der Veranstaltung ab Mitternacht vorschrieb. Natürlich hielten wir uns nicht daran, spielten Verstecken mit den beleibten Sicherheitskräften oder hatten Glück, dass wir den Ausweis des großen Bruders im Portemonnaie hatten. Diesen rebellischen Verhaltensweisen ist es zu verdanken, dass man inzwischen seinen Ausweis abgeben muss, wenn man noch nicht „erwachsen“ ist. Gern geschehen.


Doch nicht nur die aufstrebende Jugend will abgefüllt werden, denn das Bedürfnis nach Bewegung herrscht auch im hohen Alter (über 30 ist schon beinahe biblisch) möchte man die rostigen Hüften schwungvoll knackend kreisen lassen. Dafür finden in besagten Schützenhallen sogenannte Ü-30 oder Ü-40 Partys statt. Hier fühlen sich die Besucher ausnahmsweise mal wieder jung, weil sie nicht mit Anglizismen bombardiert oder auf die neuesten TikTokvideos hingewiesen werden. Zur Musik aus ihrer Jugend (Minnesang) geben sie nochmal richtig Gas, müssen aber auch um Mitternacht wieder los, weil der Babysitter sonst zu teuer wird.

Ganz früher, als ich noch nicht das Internet mit meinen Ergüssen zugeballert habe, gab es noch Bierdorf und Galaxy, was ich einfach mal erwähnen wollte. Darüber könnten Leute schreiben, die noch älter als ich sind, was ich mir gar nicht vorzustellen wage.

 

25. Mai Bahnhof

 

Im Bahnhof habe ich (trotz des Ausschanks ungenießbaren Warsteiners) viele schöne Abende erlebt. Vorabipartys gingen immer und der Heimweg ließ sich unabhängig vom Fusel in der Regel per pedes bewältigen. Allerdings trieb ich mich nicht nur auf den Feten herum, sondern hatte schon früh das Privileg, einen großen Bruder zu haben, der meinen Musikgeschmack maßgeblich beeinflusste. Mehr zur musikalischen Sozialisation der Werler Kötte ist hier nachzulesen.



Aus Datenschutzgründen nenne ich meinen Bruder von nun an Eule. Eule veranstaltete kleinere Tanzveranstaltungen im gesamten Kreis Soest. Mit seinem Soundsystem „Royal Fire“ brachte er unseren Freundeskreis allwöchentlich zum Schwitzen. Im Schießheim, im Präsenta (Nähe Mäcces) oder eben im Werler Bahnhof stand er am Mikrofon und heizte der Meute ein. Damals drangen vor allem „Dancehall“ und „Reggae“ (das hören Leute, die sich die Haare nicht waschen) durch die Boxen, wobei dies mittels sogenannter Schallplatten (große CDs) umgesetzt wurde. Gentleman, Nosliw, Beres Hammond, Buju Banton, T.O.K, Bounty Killer, Mono und Nikitaman, Morgan Heritage, aber auch eine Prise Hip-Hop wirkten auf mich wie Aufputschpillen. In den glorreichen Tagen „tanzte“ ich noch weit nach Anbruch des Tages auf den „Dances“. Ja, ich höre mich wie ein alter Mann an, doch Musik hält jung.



Eule in Werl ist definitiv ein guter Grund, um mal wieder unrhythmisch rumzuhüpfen. Das eigentliche Highlight ist allerdings der Aufritt von Andrew Murphy. Kenner kennen ihn vom Summerjam, einem der größten Musikfestivals der Reggaeszene, bei welchem er als Moderator durch das Programm führt. Kenntnisreichere Kenner wissen jedoch, dass er vor allem Sänger ist. Und zwar ein verdammt guter. Bereits als kleines Köttenkind hörte ich im Auto einige seiner Coversongs und habe ihn auch einige Male live erleben dürfen. Was soll ich sagen? Der Mann hat mehr Gefühl in der Stimme als Werl überfüllte Mülltonnen.

Zusammengefasst bietet der 25te Mai eine mir willkommene Mischung aus „auf die Fresse“ und gediegener Musik, der ich mit minimalistischen Bewegungen huldigen kann. Wer in Werl wohnt und sich dort nicht blicken lässt, sollte ernsthaft über einen Umzug nachdenken. Wir sehen uns.   

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