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  • AutorenbildWerler Kötte

Playstation- Glotzt du noch oder zockst du schon?

Irgendwann war die Zeit des Super Nintendos abgelaufen. Ironischerweise hat die Firma, die Mario, Zelda und den fässerschleudernden Affen erfunden hat, den Weg für die Sony Playstation selbst geebnet. Alte Menschen werden wissen, dass Sony ein CD-Laufwerk für den Super Nintendo entwickeln sollte, der Auftrag aber nach Fertigstellung einer kleinen Serie zurückgezogen wurde. Die Verantwortlichen bei Sony waren derart angepisst, dass sie trotzig ein eigenes Projekt auf den Weg brachten. Daraus entstand die Playsie. Ihr werde ich in meiner zockenden Zeitreise mehrere Worte widmen müssen, denn noch heute nutze ich die Nachkommen der ersten grauen Playstation.



Glotzt du noch oder zockst du schon?


Wie kann man den Anschein von strukturiertem Vorgehen erwecken? Das ist schon immer eine zentrale Frage für mich gewesen, die sich durch beinahe alle meine Handlungen zieht. Auch beim Blick auf die Erlebnisse mit Sonys Prachtgerät macht es Sinn, die Fassade einer scheinbaren Planung aufrechtzuerhalten. Weil ich viel Zeit mit den Konsolen verbrachte, erscheint es sinnvoll, es zweigliedrig zu handhaben. Daher möchte ich mit der Zuschauerperspektive beginnen, die ich neben meinem großen Bruder einnahm. Doch bevor wir uns näher damit befassen, eine kurze Huldigung.


Die erste Playsie ist ein zeitloses Meisterwerk. Auf ihr konnte man nicht nur legendäre Software abspielen, sondern auch Musik CD’s zum Erklingen bringen. In dieser Tradition sind die Nachfolger in der Lage, DVD’s und Blurays abzuspielen. Ein sehr kluger Schachzug. Außerdem waren mit der Zeit die berühmt berüchtigten „Chips“ verbreitet. Mittels kostengünstiger Maßnahmen konnten Spiele so gebrannt, also raubkopiert werden. Weil ein Spiel mit 100 DM veranschlagt wurde, bot dieses hochkriminelle Verhalten die Möglichkeit, so gut wie alles zu zocken, was man wollte. Aber das war total falsch und ich bereue es ganz doll.


Logenplatz im Herrenhaus


Mein großer Bruder hat mich allgemein sehr geprägt. In Bezug auf das Erleben von Videospielkunst hat er früh die Weichen gestellt. Zum Glück hatte (und hat) er einen ausgezeichneten Geschmack, was die virtuelle Unterhaltung anbelangt. Daher macht es Sinn, diesen Rückblick anhand herausstechender Titel zu schreiben.


1996, ich war zarte 8 Jahre alt, wurde das Genre des „Survival Horrors“ mit Resident Evil auf ein neues Level (ja, bewusstes Wortspiel) gehievt.



Mein Bruder kämpfte sich durch das Herrenhaus, musste allerdings auf ein Exemplar aus der Videothek zurückgreifen. Für die jungen Blagen, die nicht wissen, was eine Videothek ist, haben wir einen kleinen Infotext über die Werler Filialen aus dem Mittelalter zusammengeschrieben.



Ich saß im dunklen Kinderzimmer und schaute gespannt zu. Ikonisch dürfte die Szene sein, in der ein abscheulicher Drecksköter durchs Fenster sprang, damit er besser an die Kehle des Avatars kam. Natürlich erschreckte mich dieser Jumpscare. Die Story war nicht sonderlich originell, die Dialoge und Synchronsprecher legendär schlecht, aber ich lernte durch das Zusehen Englisch. Nach kurzer Zeit konnte ich die miserabel geschriebenen Gespräche auswendig. Manchmal zockte ich heimlich selbst, war aber mit der Steuerung überfordert. Dennoch fesselte mich das Spiel und begründete die bis heute bestehende Faszination für das Franchise.



Willkommen in Raccoon City


So heißt der Titel einer der schlimmsten Filme, die jemals gedreht wurden. Aus einer Vorlage mit Potential wurde mit diesem Werk schändlicher Missbrauch betrieben, aber darum soll es hier nicht gehen. 2 Jahre nach dem ersten Teil erschien der Nachfolger. Ich kann mich noch gut an einen Ordner erinnern, den wir angelegt hatten. Darin sammelten wir alle papiernen Beiträge aus Videospielzeitschriften, die mit Resident Evil 2 zu tun hatten. Screenshots wurden eingehend betrachtet und genossen, wie es kulturaffine Monokelträger mit Van Goghs Schmierereien tun.


Nachdem mein Bruder den ersten Teil durchgezockt hatte, ohne das Spiel zu besitzen (Videothek sei Dank), kaufte die beste Mutter aller Zeiten den Directors Cut. Dieser hatte alternative Kameraperspektiven, einige Kostüme und neue, abscheulich lächerliche Soundtracks parat. Neben dem Hauptspiel lag in der Hülle noch eine spielbare Demo des Nachfolgers bei. Endlich gab es bewegte Bilder und die hauten uns vom Hocker.


Leider erschien Resident Evil 2 nicht auf gewohntem Weg, denn die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indizierte das Meisterwerk. Das hieß, man konnte es nicht einfach in einem Geschäft kaufen. Aber Mamma hatte ein Einsehen und besorgte das Horrorspektakel unter der Ladentheke.


Und was soll ich sagen? Die Story war zwar nicht so komplex, wie die cineastischen Synapsensprenger Christopher Nolans, aber auf allen Ebenen war es ein Augen- und Ohrenschmaus. Durch das Zuschauen lernte ich weiter Englisch, den Soundtrack höre ich noch heute gerne und etliche ikonische Szenen haben sich in mein Gedächtnis gebrannt.

Das Remake, welches vor einigen Jahren erschien, zockte ich in Ehrfurcht durch. Erst danach wagte ich mich selbst an die Playstation 1 Version. Die Erinnerungen vom Zuschauen waren noch so präsent, dass ich Rätsel löste und wusste, wann, welcher Untoter stöhnend um die Ecke humpelte.



Metal Gear Solid


Japp, mein Bruder wusste wirklich, was gut ist. Die ersten Berührungen mit Metal Gear Solid machte ich beim Zocken einer Demoversion. Es war zu dem Zeitpunkt schlicht und ergreifend zu anspruchsvoll für mich. Das galt aber nicht für Eule.


MGS war und ist ein Meisterwerk. Jeder, der irgendwas mit Videospielen am Hut hat, sollte es mindestens einmal durchgespielt haben. Wie bei Resident Evil 2 holte ich dies erst einige Jahre später nach. Denn zunächst saß ich wieder in der ersten Reihe und schaute, was mein großer Bruder so trieb. Zu dem Spiel selbst brauche ich nichts sagen, denn wie es für die beiden anderen Exemplare gilt, habe ich auch hierzu bereits einen Text geschrieben.



Als ich irgendwann selbst den Controller in die Hände nahm, konnte ich die Dialoge bereits auswendig und wusste, welche Taktiken ich gegen die jeweiligen Gegner anzuwenden habe. Mag langweilig sein, verströmt einen Hauch von Schummeln, ändert aber nichts an dem einzigartigen Erlebnis, welches ich in der Zuschauerrolle hatte, denn Kojima war schon immer ein Videospielkünstler, dessen Produktionen sehr nah am Medium Film zu verorten waren.


Honorable Mentions


Damit dieser Text nicht zu lang wird, möchte ich abschließend noch kurz einige Spiele erwähnen, denen ich ebenfalls als Zuschauer beiwohnen durfte.


Silent Hill dürfte den meisten Menschen ein Begriff sein. Anspruchsvoll, stimmungstechnisch mächtig aufgeladen und seinerzeit mit einem Horroransatz versehen, der so viel Atmosphäre aufbaute, dass ich mich nicht an die Spielstände meines Bruder herangewagt habe. Er löste souverän die Rätsel, die mir Knoten im Kopf verursacht hätten und überlebte den Trip in die Parallelwelt.


Parasite Eve war etwas sehr Besonderes. Denn Mamma besorgte ein Exemplar, was mit viel Aufwand verbunden gewesen sein dürfte. Früher gab es kein Amazon und das im modernen New York angesiedelte Rollenspiel erschien nicht in Europa. Die Grafik war bahnbrechend. Die Zwischensequenzen führten bei mir zu geöffneter Kauleiste. In taktisch geprägten und rundenbasierten Kämpfen kam eine Mischung aus Schusswaffen und übernatürlichen Kräften zum Einsatz. Zudem konnte man eigenständig entscheiden, an welchen Orten man die Handlung fortsetzte. Mein Bruder zockte es komplett durch, und bewältigte auch das nach dem Ende bereitstehende Zusatzlevel, in dem man sich durch das Chrysler Building kämpfen musste.

Baphomets Fluch 1 und 2. Muss ich nicht näher ausführen, denn auch diesem, mit meinem Bruder verknüpften Spiel habe ich bereits einen Text gewidmet.



Humorvoll, manchmal absurd schwer, verfolgte ich das Treiben George Stobbarts und genoss den entschleunigten Stil des Point and Click Genres. In Erinnerung geblieben sind auch die fabelhaften Synchronsprecher*innen. Vor allem die als Scully aus Akte X bekannte Franziska Pigulla blieb zwischen den Ohren hängen.


Ich bin rückblickend sehr dankbar für diese Erfahrungen. Dankbar für eine Mutter, die genug Vertrauen in sich und ihre Blagen hatte, dass sie uns Zugang zu diesen Spielen verschafft hat. Und dankbar, dass mein Bruder mich hat teilhaben lassen an diesen Sessions, denn nervig war ich schon immer und werde es auch immer sein.

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